Mittwoch, 17. April 2024

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Meckel kritisiert Steinbach

Der Vorsitzende der Deutsch-Polnischen Parlamentariergruppe, Markus Meckel, hat die Rolle von Erika Steinbach in der Diskussion um das geplante Vertriebenen-Dokumentationszentrum kritisiert. Sie sei zu einem "schwer verkraftbaren Fall geworden", sagte der SPD-Politiker über die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen.

Moderation: Christiane Kaess | 30.10.2007
    Christiane Kaess: Dass in Berlin ein Zentrum für Vertreibung entstehen soll, ein Zentrum gegen Vertreibung besser, darüber ist sich die Regierung nach jahrelanger Diskussion einig. Jetzt geht es um das "wie". Und welche Rolle soll der Bund der Vertriebenen dabei spielen? Soll dessen umstrittene Präsidentin Erika Steinbach in den Gremien des neuen Zentrums vertreten sein? Ja, sagen vor allem Stimmen aus der Union, denn die Betroffenen und deren Präsidentin gehörten selbstverständlich dazu. Nein, meinen vor allem Vertreter der SPD und der Grünen, weil Erika Steinbach im Ausland nicht zu vermitteln sei. Am Telefon ist Markus Meckel (SPD). Er ist im Bundestag Vorsitzender der Deutsch-Polnischen Parlamentariergruppe. Guten Morgen!

    Markus Meckel: Einen schönen guten Morgen, Frau Kaess!

    Kaess: Herr Meckel, macht es Ihrer Meinung nach einen entscheidenden Unterschied, ob Erika Steinbach in den Gremien vertreten ist oder nicht?

    Meckel: Zuallererst will ich einmal deutlich machen entgegen der Anmoderation, dass wir nicht vorhaben, ein Zentrum gegen Vertreibungen zu bauen, sondern es gab eine Einigung in der Koalition. Nachdem wir dagegen waren, dass so etwas passiert, die CDU dafür war, haben wir uns geeinigt darauf, dass es eben kein Zentrum gegen Vertreibungen gibt, sondern dass wir in Berlin einen Ort schaffen wollen, einen Ort, wie sich inzwischen dann herausstellt - übrigens nach meinem eigenen Vorschlag auch - ausgehend von einer Ausstellung, die es gegeben hat zu Flucht und Vertreibung aus dem Haus der Geschichte in Bonn. Und dass wir auf dieser Grundlage sehen wollen, in Berlin einen Ort zu schaffen für eine solche Ausstellung. Das soll jetzt passieren. Da sind wir relativ weit im Gespräch. Uns war außerdem wichtig, dass dies eben keine für sich stehende Institution ist, sondern eingebettet in die Museumslandschaft. Das soll das Deutsche Historische Museum in Berlin sein. Ich glaube das ist eine gute Lösung, weil es eben gerade nicht ein Zentrum gegen Vertreibungen ist, wie es der BdV haben beziehungsweise selber gestalten wollte. Natürlich ist völlig klar, um dann auf Ihre Frage zu kommen - -

    Kaess: Ob Erika Steinbach dabei eine Rolle spielen sollte.

    Meckel: Wenn es eine neue Institution in Deutschland gibt und diese sozusagen als eine halbselbständige, das heißt im Rahmen des Deutschen Historischen Museums als abhängige Stiftung, dann wird es dort ein Gremium geben, vermutlich einen Beirat. Die Dinge sind noch nicht im Detail geklärt. Und dann heißt es grundsätzlich ist es in Deutschland nicht vorstellbar, dass der zuständige Verband, der da ist, überhaupt nicht beteiligt ist. Das geht in Deutschland nicht, und das ist gut so, dass sie immer zivilgesellschaftliche Beteiligungen haben, wenn der Staat etwas macht, so dass der BdV in diesem Beirat vertreten ist, nicht dass er dort das bestimmende Wort hat. Aber dass er dort vertreten ist, lässt sich überhaupt nicht vermeiden und das sage ich als jemand, der nicht gerade als Freund des BdV bekannt ist.

    Kaess: Haben Sie Bedenken, wenn die Vorstellungen der Betroffenen umgesetzt würden. Würde das eventuell zu einer Pilgerstätte für jene werden, die deutsche Opfer ohne historischen Zusammenhang sehen?

    Meckel: Also, ich glaube, dass es in besonderer Weise wichtig ist, im Deutschen Historischen Museum eben wirklich diese Einbettung zu haben in die Museenlandschaft, weil damit auch klar ist – und das machen wir wahrhaftig ja in der Darstellung unserer eigenen Geschichte -, dass wir über die Verbrechen des Nationalsozialismus reden, dass wir über den Überfall auf Polen reden, dass dies die Vorgeschichte ist, die dann zu all dem geschehen ist, was dann auch ’45 und danach passiert ist. Das heißt, dass man das Vorher und das Nachher bei den Vertreibungen nicht vergessen darf. Das ist durch diese Einbettung gewährleistet und ich glaube das ist ein ganz wesentlicher Punkt und Unterschied, dass eben die Geschichte nicht erst ’45 anfängt. Das war die Sorge in unseren Nachbarländern und dem kann man glaube ich begegnen.

    Das Zweite was jetzt wirklich wichtig ist, ist, dass auch mit diesem Projekt von uns klar gesagt worden ist, wir wollen das jetzt nicht einfach nur alleine machen, sondern wir wollen den Nachbarn anbieten, dabei mitzureden, im Dialog mit den Nachbarn es zu machen. Es soll ein internationales Symposium sein, bei dem es die Möglichkeit gibt, für Nachbarn, Wissenschaftler eben aus Polen, aus Tschechien und anderen, hier diese Dinge mit zu beurteilen, sozusagen mitzureden bei dieser Gestaltung. Und ich bin sehr froh, dass die Kanzlerin vor einer Woche auch sehr deutlich gesagt hat bei dem Treffen des Bundes der Vertriebenen, wir wollen jetzt in diesem Projekt vorankommen, die Vertreibung in Berlin noch mal zu dokumentieren und darzustellen, aber wir wollen es im Dialog mit den Nachbarn. Und insofern wird es bei diesem Beirat nicht nur darum gehen, dass der BdV dort vertreten ist, sondern auch die Polen, dass Polen und Tschechien angeboten wird, hier mitzuarbeiten. Und das halte ich für zentral!

    Kaess: Bevor wir noch genauer über die Rolle der Nachbarländer sprechen, möchte ich noch mal auf Erika Steinbach zurückkommen. Die sagt, es soll ein Zentrum sein, in dem die deutschen Heimatvertriebenen sich angekommen und angenommen fühlen. Ist das der gleiche Ansatz, den die Regierung verfolgt?

    Meckel: Also, dass die sich wiederfinden sollen in ihren Erfahrungen, das finde ich richtig. Das soll aber überhaupt für Opfer von Vertreibungen gelten, und ich denke, das ist überhaupt ein wesentlicher Teil unserer Geschichte und Darstellung, Dass wir keine Geschichte verdrängen dürfen, auch die der Vertreibungen nicht. Deshalb muss es klar sein: Dies ist ein öffentlicher Dokumentationsort, eine öffentliche Ausstellung. Und wie auch immer die Vertriebenen das dann nennen, es ist nicht das Zentrum gegen Vertreibungen (…) dieser Stiftung, sondern es ist ein öffentliches Vorhaben der Großen Koalition.

    Kaess: Wenn Sie die Rolle der Nachbarländer ansprechen. Nach dem Regierungswechsel in Polen verspricht man sich, dass es mit der Frage um das Zentrum einfacher wird. Aber der designierte Regierungschef Donald Tusk ist ja auch gegen dieses Zentrum. Hat sich also an der Situation gar nichts geändert?

    Meckel: Also, auch die Vorgängerregierung der Kaczynskis war gegen ein Zentrum gegen Vertreibungen in Berlin, weil das Projekt von Frau Steinbach wirklich viel Unfrieden geschaffen hat in den deutsch-polnischen und auch in Beziehungen zu anderen Nachbarländern. Und gerade deshalb waren auch wir dagegen und waren der Meinung, dass man das, was man hier tut, im Dialog mit den Nachbarn geschehen soll. Und deshalb ist es jetzt auch wichtig, dass wir dieses Angebot noch einmal erneuern. Die Kaczynski-Regierung war überhaupt nicht zu einem Gespräch in diesen Fragen bereit. Ich hoffe sehr, sass es jetzt möglich sein wird, einfach auch die Fragen, die inhaltlichen Fragen, auch der polnischen Seite, mit zu berücksichtigen, mit ins Gespräch zu kommen. Uns ist jedenfalls wichtig, dass das, was dann hier konkret zu sehen sein wird, im Konsens mit den Nachbarn geschieht.

    Kaess: Sie sagen Sie hoffen auf die polnische Seite. Sehen Sie konkrete Anzeichen, dass das auch so sein wird, dass dort Gesprächsbereitschaft besteht?

    Meckel: Also, wir wissen jetzt zwar, wer in Polen die Wahlen gewonnen hat, aber wir haben die neue Regierung noch nicht. Die Zuständigkeiten sind noch nicht verteilt. Der Sejm ist noch nicht konstituiert. Das heißt, man hat auch noch gar keine Ansprechpartner für diese Fragen. Deshalb sollten wir an dieser Stelle mal ein Stück Gelassenheit haben. Wir haben einen Weg vorgeschrieben, dass wir gesagt haben (…) es soll jetzt – heute ist es im Kabinett -, dieser Weg beschritten werden, eine solche Dokumentationsstelle im Rahmen des Deutschen Historischen Museums machen. Dann werden wir die Vorstellungen bei einem internationalen Symposium Anfang des Jahres mit den Nachbarn besprechen, mit Wissenschaftlern aus den Nachbarländern und internationalen Wissenschaftlern. Hier wird es eine Einladung geben. Dort wird man dann über die einzelnen Dinge sprechen, und dann wird Schritt für Schritt auch im Gespräch mit den Nachbarn das entsprechend umgesetzt. Ich glaube das ist auch der richtige Weg, damit wir endlich aus dieser allgemeinen Debatte herauskommen in einen, wie ich finde, guten Weg, der jetzt gefunden worden ist.

    Kaess: Herr Meckel, gestehen Sie denn Erika Steinbach gewisse Verdienste beim Entstehen dieses Dokumentationszentrums zu?

    Meckel: Sie ist mit Sicherheit diejenige, die gesagt hat, wir wollen, dass hier noch etwas Neues geschieht. Und in dieser Beziehung muss man sie durchaus für diejenige halten, die den Anstoß dazu gegeben hat.

    Kaess: Warum sollte sie dann nicht in den Gremien sitzen?

    Meckel: Nur wird es eben nicht so sein, dass das zustande kommt, was sie selber am Anfang vorgeschlagen hat, weil sie eben - und das ist eben ja angesprochen worden – gerade von Seiten der Nachbarn auch durch die Art und Weise, wie sie das gemacht hat, gewissermaßen zu einem schwer verkraftbaren Fall geworden ist. Und das wird sich in Gesprächen klären lassen, und ich glaube deshalb, dass es heute auch gar keinen Sinn macht, öffentlich darüber zu debattieren, ob Frau Steinbach dabei ist oder nicht. Das wird man mit ihr, mit dem Bund der Vertriebenen, der mit Sicherheit dabei sein wird, klären, wen der BdV denn dorthin entsendet. Ich halte es für gut, wenn dies alles möglichst jetzt konsensual und in intensiven Gesprächen sowohl mit dem BdV als mit den Nachbarn geschieht.

    Kaess: Zur Diskussion um eine Dokumentationsstelle gegen Vertreibung war das Markus Meckel (SPD), Vorsitzender der Deutsch-Polnischen Parlamentariergruppe. Vielen Dank!

    Meckel: Bitteschön!