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Medien-ABC
Audiomitschnitt/Autorisierung

Das Gespräch wurde geführt, ganz oder in Teilen veröffentlicht und der Interviewte reklamiert eine falsche Wiedergabe des Gesagten. Gut, wenn das Ganze aufgezeichnet wurde wie im Fall "Morrissey vs. Spiegel".

Von Michael Borgers | 13.12.2017
    Der Sänger Morrissey, bei einem Auftritt im November 2017 im "Anthem" in Washington.
    Der Sänger Morrissey, bei einem Auftritt im November 2017 im "Anthem" in Washington. (dpa-Bildfunk / AP / Invision / Brent N. Clarke)
    Steven Patrick Morrissey ist weltbekannt unter seinem Nachnamen – und immer weniger für seine Musik. Der Brite war in den 1980er-Jahren Sänger der Band "The Smiths", schrieb mit ihr und danach als Solokünstler Popgeschichte. Politisch und gesellschaftskritisch waren seine Texte von Anfang an, und lange Zeit konnten er und seine Fans besonders polarisierende Aussagen als missverstanden erklären. Doch zuletzt gelang das kaum noch.
    Als der 58-Jährige am 18. November dieses Jahres eine Autorin im Auftrag des deutschen Nachrichtenmagazins "Spiegel" zum Interview traf, promotete er sein neues Album. Morrissey sprach über Medien ("Es geht nur um Kontrolle, nicht um Nachrichten"), Donald Trump ("Gemacht von den amerikanischen Medien"), kommentierte den Austritt seines Heimatlandes aus der EU ("Rexit") positiv und die Missbrauchsvorwürfe gegen Harvey Weinstein und Kevin Spacey eher negativ, also verteidigend im Sinne des Filmprouzenten und des Schauspielers. Andere Medien, auch international, zitierten anschließend einige der Aussagen.
    Korrekt zitiert?
    Und Morrissey selbst? Distanzierte sich. Unter der Überschrift "Slander System", also "System der Verleumdung", schrieb er auf Facebook, der "Spiegel" habe seine Ansichten nicht korrekt wiedergegeben, er werde "niemals" wieder mit einem Printmedium sprechen. Seiner Forderung nach Veröffentlichung einer Audioversion des Gesprächs sei das deutsche Nachrichtenmagazin nicht nachgekommen und habe so indirekt seine Schuld eingestanden.
    "Um dem entgegenzutreten, haben wir uns entschlossen, das Gespräch nun online zu stellen", reagierte daraufhin der "Spiegel" in einer Meldung. Und der Audiomitschnitt zeigt: Die Vorwürfe treffen nicht zu, Morrissey wurde richtig zitiert.
    Der "Spiegel" führte das Prinzip Autorisierung ein
    Dass Journalisten die Gespräche, die sie führen, aufzeichnen, ist längst mehr Regel denn Ausnahme. Noch immer verlangen viele, vor allem prominente Interviewpartner, dennoch, ein Gegenlesen des fertigen Textes. Auf diese Form der Freigabe habe Morrissey in diesem Fall verzichtete, erklärte ein "Spiegel"-Sprecher gegenüber dem Branchendienst "Meedia".
    Der "Spiegel" gilt als Begründer dieser als Autorisierung bezeichneten Praxis. 1958 hatte das elf Jahre zuvor gegründete Magazin als erstes deutsches Printmedium das Verfahren für seine Gespräche eingeführt. Viele folgten diesem bis heute freiwilligen Prinzip. Presserechtlich gilt grundsätzlich das gesprochene Wort.
    Eine Autorisierung erfolgt nach Absprache, das kann in besonders extremen Fällen wie dem von "Mark Forster vs. 'Planet Interview'" dazu führen, dass die Veröffentlichung eines Gesprächs komplett verboten wird. Doch längst wollen da nicht mehr alle mitmachen. So erklärte "Bild"-Chef Julian Reichelt jüngst in @mediasres, seine Redaktionen stiegen darauf um, "Interviews künftig live zu führen", um diese dann anschließend inhatlich auszuwerten.