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ARD reagiert auf Fall Kindermann

Als Journalist arbeiten und zudem Sportevents veranstalten - im Fall René Kindermann war das zuletzt möglich. ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky schließt solche Vermischungen in Zukunft aus, dabei ist die Grenzlinie für Tätigkeiten hauchdünn.

Von Daniel Bouhs | 11.02.2018
    René Kindermann moderiert u.a. die MDR-Talkshow Riverboat sowie Sport im Osten und die ARD-Sportschau.
    René Kindermann moderiert u.a. die MDR-Talkshow Riverboat sowie Sport im Osten und die ARD-Sportschau. (dpa / picture alliance / Thomas Schulze)
    Mitte Januar im ZDF. Eine Station des Skilanglauf-Weltcups - erstmals überhaupt: aus Dresden. Moderator und Kommentator sind begeistert.
    "Spannende Langlauf-Sprints direkt mitten aus Dresden. Eine gelungene Premiere."
    "Die Frauenkirche drüben auf der anderen Seite - man setzt diese spektakuläre Szenerie gut ins Bild."
    Organisiert haben diesen Event René Kindermann und Torsten Püschel - zwei Journalisten, die über Jahre selbst Wintersport im öffentlich-rechtlichen Fernsehen präsentiert haben, im MDR und für die "Sportschau", teils noch wenige Monate vor ihrer eigenen Veranstaltung in Dresden.
    Können Sportjournalisten nebenbei auch Sportveranstalter sein? Als die Sportredaktion des Deutschlandfunks im Vorfeld des Dresdner Events über diese bislang einmalige Konstellation berichtete, war für die Verantwortlichen der ARD noch alles in Ordnung. Inzwischen aber - nach kritischen Berichten auch anderer Medien - hat sich die Sicht auf die Dinge geändert.
    Verschärfte Regularien bei der ARD
    "Da begeben wir uns natürlich in eine Grauzone, bei der es wirklich schwierig wird, dann das Thema 'Glaubwürdigkeit' auch hochzuhalten. Und insofern haben wir uns da klar positioniert, dass wir sagen: Solche Vermischungen wird es in Zukunft nicht mehr geben", sagte der Sportkoordinator der ARD, Axel Balkausky, nun dem NDR-Medienmagazin ZAPP.
    Während es davor auch von ihm selbst noch hieß, die nötige Distanz sei sehr wohl vorhanden, da Kindermann und Püschel zwar einen Skilanglauf-Weltcup organisierten, im Programm aber den Weltcup der Nordischen Kombination moderierten beziehungsweise kommentierten, ist die neue Linie: Die ARD will keine Journalisten mehr, die auch Veranstaltungen organisieren, die von demselben Weltverband ausgerichtet werden, wie die, über die die Journalisten sonst berichten - in diesem Fall der FIS.
    Balkausky: "Darüber wurde im Kreis der Sportchefs diskutiert - und zwar auch im Sinne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, weil es uns ja auch darum geht, sie davor zu schützen auch im Sinne der Glaubwürdigkeit, am Ende nicht mehr als glaubwürdig eingestuft zu werden. Ich glaube, das können wir uns als öffentlich-rechtliches System, als ARD bei den Debatten, die wir derzeit haben, überhaupt nicht erlauben, sondern wir wollen klar haben, dass wir glaubwürdig sind. Und insofern müssen wir uns, glaube ich, da auch klar absetzen."
    Ein Freizeitlangläufer vor verschneitem Elbufer-Panorama.
    Ein Freizeitlangläufer vor verschneitem Elbufer-Panorama in Dresden. (Imago sportfotodienst)
    Eine Beschränkung mit Ausnahmen
    Ganz klar ist das aber wiederum doch nicht, denn: Andere sogenannte Nebentätigkeiten ihrer immerhin in aller Regel freien Mitarbeiter will die ARD auch künftig akzeptieren. Nicht zuletzt: Moderationen auch im Auftrag der Sportverbände.
    So bleibt etwa für die ARD-Offiziellen der Fall Marco Schreyl zunächst auch im Rückblick in Ordnung. Schreyl moderierte für den WDR-Hörfunk auch Fußballsendungen, im vergangenen Jahr aber auch die Gala der Weltfußballer, eine Show der Fifa. Und sagte im WDR auf die Frage, ob er es wieder tun würde:
    "…wieder tun - die FIFA-Football-Awards 'The best'?"
    "Ja, ich möchte. Es ist echt toll."
    Oder der Fall Markus Othmar, der für die ARD nicht zuletzt über die deutsche Fußball-Nationalmannschaft berichtet, moderierte die Präsentation des Logos für die Ausrichterstadt München der Euro 2020 - eine Präsentation des Deutschen Fußballbundes.
    ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky betont, alles dürften die Sender ihren freien Mitarbeitern nun mal nicht verbieten - das sei arbeitsrechtlich gar nicht möglich. Die Sportchefs würden aber in einem nächsten Schritt auch noch mal überlegen, wo etwa auch bei Fremd-Moderationen die Glaubwürdigkeit der Sport-Sendungen zu sehr in Frage stehen.
    Die hauchdünne Linie bei der ARD
    "Das werden wir, glaube ich, schon auch in Zukunft weiter diskutieren. Also das Thema ist noch nicht am Ende. Aber ich glaube, dass wir uns da klar auf etwas zu bewegen, wo wir noch mehr Klarheit schaffen."
    ARD-Sportkoordinator Balkausky ist im Interview kurz vor dem Start der Olympischen Spiele überraschend offen: Er will vor allem schlechtes Gerede vermeiden und reagierte überhaupt nur auf die schlechte Presse im Fall Kindermann/Püschel.
    "Wir zweifeln überhaupt nicht an der Glaubwürdigkeit, an der journalistischen Kompetenz oder Arbeit unserer Kollegen Kindermann und Püschel, sondern ich glaube, das hat aber noch mal deutlich gemacht, was das auslösen kann. Und dadurch ist es noch mal allen ins Bewusstsein gekommen, dass wir noch sensibler mit diesen Themen umgehen müssen, als wir es in der Vergangenheit getan haben."
    Erst heute war René Kindermann dann doch wieder unterwegs im ARD-Sport. Bei den Olympischen Spielen sammelte er beim Rodeln Stimmen der Athleten ein. Auch das: Wintersport, trotz der neuen Linie zu Nebentätigkeiten aber offensichtlich möglich. Dahinter steht ein anderer Weltverband als hinter Skilanglauf und Nordischer Kombination. Die neue Grenzlinie für Tätigkeiten neben dem ARD-Sport – sie ist also: hauchdünn.