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Medien
Brüssels Plan gegen die russische Propaganda

Viele in der EU lebende Russen informieren sich über russische und damit meist kremlnahe Medien - zu einseitig, findet die EU und arbeitet deswegen an einem Aktionsplan, um "Russlands laufender Desinformationskampagne entgegenzuwirken". Das Ziel: eine größere Vielfalt von Informationsquellen in russischer Sprache zu schaffen.

Von Annette Riedel | 30.03.2015
    Eine Moderatorin des englischsprachigen Ablegers von Russia Today bereitet sich auf die Sendung vor.
    Der Fernsehsender Russia Today ist eine der meist genutzten Informationsquellen, auch außerhalb Russlands. Der Sender hat u.a. deutsch- und englischsprachige Ableger. (picture alliance / dpa / Dzhavakhadze Zurab)
    Ansip Boustos weiß schon genau, was die EU seiner Meinung nach tun könnte, um russischer Propaganda etwas entgegen zu setzen. Der lettische Journalist, der seit über 20 Jahren für den lettischen Hörfunk und das lettische Fernsehen arbeitet, unterstützt die Idee, einen unabhängigen russisch-sprachigen Fernsehsender in der EU zu etablieren. Gern in Riga:
    "Ich bin 200 Prozent für die Idee, dass die EU in russisch-sprachige Medien investiert, die echte Informationen darüber verbreiten, was wirklich in Europa passiert - wenigstens bis in die grenznahen Regionen Russlands hinein."
    Aber es geht Ansip Boustos und denjenigen in der EU, die für mehr unabhängige russisch-sprachige Angebote argumentieren, nicht zuletzt auch um die immerhin acht Millionen russisch-sprachiger Menschen, die innerhalb der EU leben. Viele von ihnen informieren sich fast ausschließlich über moskau-treue Medien - Russia Today beispielsweise. Russia Today ist auch in Deutschland in dieser Community sicher wesentlich meinungsprägender als etwa die Programme der ARD oder der Deutschlandfunk, glaubt er.
    "Ich frage Sie als deutsche Radio-Hörer: Glauben Sie nicht, dass diese Menschen so Herrn Putin gegenüber loyal bleiben, selbst wenn sie seit Jahren in Deutschland leben?"
    Kreml-ferne Medien stärken
    Das ist ein echtes Problem, findet der Journalist. In dessen Heimatland Lettland sind immerhin 30 Prozent der Einwohner russisch-sprachig. Wenn sie sich in ihrer Muttersprache informieren wollen, haben sie nicht viele Alternativen, wenn sie nicht weitgehend russischer Desinformation und Propaganda ausgesetzt sein sollen.
    "Wir führen zurzeit eine Studie durch mit drei Expertinnen, die analysieren sollen, welche Möglichkeiten gibt es überhaupt für die Europäische Union einer solchen Propaganda-Offensive zu begegnen?" sagt der Europaparlamentarier Alexander Graf Lambsdorff, Vorstandsvorsitzender des Europäischen Demokratiefonds. Den gibt es seit 20 Monaten, Sitz in Brüssel, finanziert von der EU-Kommission und freiwilligen Beiträgen verschiedener Mitgliedsländer. Seine Aufgabe ist es, projektorientiert die Zivilgesellschaften in Nordafrika, dem Nahen Osten und in Osteuropa zu unterstützen. Die besagte Studie, von der Lambsdorff spricht, soll bis Ende Mai erste Zwischenergebnisse produzieren, sagt die Sprecherin des Demokratiefonds, Bianca Bäumler:
    "Das Endergebnis dieser Studie wird eine Liste von Empfehlungen sein, um die Vielfalt der russischsprachigen Medien zu unterstützen, zu erweitern - was ist sinnvoll? Was kann gemacht werden?"
    Es könnte sich herausstellen, dass es sinnvoller und machbarer wäre als einen eigenen, attraktiven, professionellen unabhängigen - und dann sehr teuren - Fernsehkanal aufzubauen, existierende kreml-ferne Medien zu stärken. Oder aufs Internet zu setzen und nicht auf klassische audiovisuelle Medien:
    "Das ist auch ein Großteil der Studie zu sehen, welche Art von Medien sind die am gefragtesten im russisch-sprachigen Raum? Wie wollen die Leute das hören und sehen und lesen? Und wo fehlt Vielfalt?"
    "Unsere Werte und unser Handeln in zahlreichen Sprachen kommunizieren"
    "Ein Fernsehkanal ist eine der Möglichkeiten, die jetzt gerade im Rahmen dieser Studie untersucht werden. Wir werden nur erfolgreich sein, wenn wir europäische Werte beachten. Das heißt, wie müssen bei der Wahrheit bleiben. Vielleicht gelingt es uns nicht, dann auch den letzten Rest Verunsicherung oder Desinformation zu zerstreuen. Nur es wäre viel gefährlicher, wenn wir von der Wahrheit abwichen, wenn wir Propaganda mit Propaganda begegneten."
    Dieses Credo, dass Lambsdorff da benennt - Propaganda nicht mit Propaganda begegnen zu dürfen und zu wollen - man hört es auch bei der EU-Kommission.
    "It's not any kind of propaganda", sagt Maja Kocijancic, Sprecherin der EU-Kommissions-Vizepräsidentin und Außenbeauftragten Federica Mogherini, nach der Kommunikations-Strategie gefragt, das Mogherini bis zum nächsten EU-Gipfel im Juni erarbeiten soll. Man weiß bei der Kommission von der Arbeit des Europäischen Demokratiefonds in der Sache.
    "Die Studie wird in unsere Arbeit einfließen. Es ist gut, dass wir eine Analyse in die Hand bekommen und Möglichkeiten für weitere Aktivitäten aufgezeigt werden."
    Die EU-Außenbeauftragte ihrerseits hat in einem ersten Schritt eine Expertengruppe eingesetzt, deren Aufgabe es vor allem sein wird, russische Medien auszuwerten, zu bewerten und die gewonnenen Erkenntnisse an die EU-Länder weiter zu geben. Es geht um gemeinsames, konkretes Wissen über Moskaus Kommunikationsstrategie. Neben der Entwicklung einer eigenen.
    "Zu unseren Verpflichtungen gehört es, unsere Werte und unser Handeln in zahlreichen Sprachen zu kommunizieren, auch in Nicht-EU-Sprachen wie Russisch."
    Aber wie? Genau diese schwierige Frage wird man nicht so leicht beantworten können in Brüssel.