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Medien in Argentinien
Regierung setzt Journalisten unter Druck

Seit dem Amtsantritt von Präsident Macri sollen 3.000 argentinische Journalistinnen und Journalisten wegen kritischer Texte ihre Arbeit verloren haben. Auch Fernsehsender mussten sich dem Druck der Regierung beugen. Doch die argentinischen Medienschaffenden kämpfen für ihre Pressefreiheit.

Von Peter B. Schumann | 09.01.2018
    Der argentinische Präsident Mauricio Macri spricht am 22.10.2017 in Buenos Aires, Argentinien, nach seiner Stimmabgabe anlässlich der Parlamentswahl mit Medienvertretern.
    Präsident Mauricio Macri (Julietta Ferrario/ZUMA Wire/dpa)
    (*) Anmerkung: In der ursprünglichen Version dieses Beitrags lautete der Titel "Regimekritische Journalisten müssen gehen", im Teaser war zudem von "regimekrischen Texten" die Rede. Man kann jedoch nicht von einem Regime sprechen, da Argentinien eine demokratisch gewählte Regierung hat. Wir haben den Text entsprechend angepasst.
    Ende letzter Woche: Redakteure und Angestellte von "Radio Nacional" protestieren gegen eine neue Liste von Entlassungen und die Einstellung der Programme für klassische und für Folklore-Musik.
    Damit erreichte der Stellenabbau in den Medien einen neuen Höhepunkt. Beim traditionsreichsten Rundfunksender Argentiniens, "Radio Nacional", begann sie bereits kurz nach dem Amtsantritt der Mitte-rechts-Regierung Macri im Januar 2016. Damals wurde der Nachrichten-Redaktion verboten, über die Massenentlassungen im öffentlichen Dienst zu berichten.
    3.000 Journalistinnen und Journalisten verloren ihre Arbeit
    Bald darauf wurde ihr untersagt, die Diktatur als eine zivil-militärische zu bezeichnen, obwohl die bürgerliche Rechte daran beteiligt war. Künftig durfte nur noch von einer Militärdiktatur gesprochen werden. Zahlreiche Redakteure und Angestellte wurden entlassen, weil der Apparat angeblich "überbesetzt" war. Tatsächlich ging es um die ideologische Nähe zur ehemaligen Kirchner-Regierung.
    Insgesamt verloren mehr als 3.000 Journalistinnen und Journalisten in den ersten beiden Macri-Jahren ihre Arbeit. Dazu gehören auch die Angestellten der Nachrichtenagentur "Diario y Noticias", die im vergangenen November geschlossen wurde. Eine Redakteurin:
    "Das ist eine politische Entscheidung des Inhaberkonsortiums. Dazu gehören unter anderem die mächtige "Clarín-Gruppe" und "La Nación". Angeblich können sie sich die Agentur angesichts der Wirtschaftskrise nicht mehr leisten. Aber tatsächlich wollen sie damit die Konzentrierung der Information auf wenige regierungstreue Medien fortsetzen und die kritischen Stimmen und die Meinungsvielfalt reduzieren."
    Regierung übte Druck auf Sender aus
    Der Regierung Macri, die sich selbst gern als liberal bezeichnet, ist Kritik ein Dorn im Auge. In den letzten Wochen mussten drei der einflussreichsten Journalisten gehen. Sie gehörten zu den schärfsten Kritikern der Macri-Administration. Zuerst traf es Roberto Navarro und sein Programm "El Destape" (Die Aufklärung). Darin klagte er Präsident Macri persönlich an, dass seins Politik zur Beseitigung des Hungers eine Farce sei. Denn inzwischen würden erneut Menschen und vor allem Kinder vor Hunger sterben. Roberto Navarro:
    "Du hast sie dem Hunger ausgeliefert. Es gibt Präsidenten, die Menschen retten, und Präsidenten, die Menschen töten, während sie an der Regierung sind. So einer ist Macri."
    Starker Tobak, aber für ein solches Programm harter Kritik hatte der private Kabel-TV-Sender C5N Roberto Navarro engagiert. Und der hatte für hohe Einschaltquoten gesorgt. Da er immer wieder die Machenschaften von Leuten aus dem Umkreis von Macri aufdeckte, übte die Regierung immer stärkeren Druck auf den Inhaber des Kanals aus, bis dieser schließlich seinen Star entließ.
    Pressefreiheit in Argentinien am Ende?
    Wenig später musste auch Víctor Hugo Morales gehen. Er war ebenfalls ein sehr populärer Moderator, jedoch nicht vom harten Holz eines Navarro. Er hatte sich lediglich in einer Sendung mit den Angestellten von C5N solidarisiert und ein Kommuniqué von ihnen verlesen. Sie hatten die Direktion um Aufklärung über den beabsichtigten Verkauf des Senders, an einen Unternehmer, der Macri nahesteht, gebeten. Mit der Veröffentlichung hatte der Moderator die Toleranzschwelle seines Dienstherrn überschritten. Víctor Hugo Morales zieht Bilanz:
    "Ich habe mich zuletzt immer gefragt, wann ich dran bin. Und bin fest davon überzeugt, dass Macri und die Clarín-Gruppe als neue Eigentümerin mit solchen Maßnahmen deutlich machen wollen, wo die Grenzen der Pressefreiheit sind. Wenn man keine alternativen Möglichkeiten der Verbreitung mehr findet und gezwungen wird, sich aus Komplizenschaft, Bequemlichkeit oder Angst anzupassen, dann glaube ich, ist die Pressefreiheit am Ende."
    Probleme durch Veröffentlichung von brisanten Themen
    Doch nicht nur bei privaten Sendern, auch bei der Opposition geht die Angst um. Aus "Página12" – ihrer wichtigsten Tageszeitung - verabschiedete sich im Dezember Horacio Verbitsky. Dieser berühmte investigative Journalist hatte drei Jahrzehnte lang für das Blatt viele Fälle von Korruption und Menschenrechtsverletzungen während der Diktatur aufgeklärt. Zuletzt hatte er wohl in ein Wespennest gestoßen. Horacio Verbitsky:
    "Nach der Publikation eines Dossiers über Geldwäsche fingen die Probleme an. Darin hatte ich dargestellt, wie jahrelang Steuerhinterziehung begangen wurde und zwar von einem der Brüder Macris, von dem angeblichen Käufer des Familienunternehmens Marcelo Mindlin, von Familienangehörigen und von Spitzenfunktionären der Regierung."
    Journalisten machen sich unabhängig
    Der offizielle Druck auf das finanzschwache Blatt wurde derart groß, dass der Herausgeber seinen wichtigsten investigativen Journalisten nicht mehr halten konnte. Horacio Verbitsky bat um unbegrenzten Urlaub und schuf danach als erstes – ganz ähnlich wie Roberto Navarro – ein unabhängiges Internetportal: El cohete a la Luna - die Rakete zum Mond. Dort sind nunmehr allwöchentlich seine Beiträge unzensiert zu lesen. Horacio Verbitsky:
    "Wenn Macri glaubt, es sei leicht, die Veröffentlichung seiner Machenschaften zu unterdrücken, dann täuscht er sich gewaltig. Das ist nicht mehr die Zeit, in der man so etwas kann."