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Pinkstinks wirbt für alternative Rollenbilder

Du musst was gegen deine Pickel tun! Du bist zu dick! Um ihre Produkte zu verkaufen, nutzt die Werbeindustrie rücksichtslos Rollenklischees und Schönheitsideale. Dagegen kämpft die Kampagne Pinkstinks, unter anderem mit einem Theaterstück.

Von Ortrun Schütz | 06.02.2014
    Schönheit, darauf kommt es bei Mädchen an. Wenn Mädchen schön sind, dann werden sie auch erfolgreich. Mit diesen Rollenzuschreibungen plagt sich Frau schon seit Jahrhunderten herum:
    Ein schöner Körper bedeutet in der Marketingwelt ein extrem schlanker Körper. Doch der Körper der Mädchen verändert sich in der Pubertät und wird rundlicher. Eine Tatsache, mit der viele Teenager zu kämpfen haben. Die Genderforscherin und Vorstandsvorsitzende von Pinkstinks Germany warnt davor, diese Tatsache zu bagatellisieren. Viele Frauen fühlten sich ein Leben lang nicht wohl in ihrer Haut. Und die Unzufriedenheit steigt dramatisch an. Über die Hälfte aller Mädchen sei mit ihrem Körper unzufrieden. Die Zahl habe sich in wenigen Jahren verdoppelt, sagt Stevie Schmiedel.
    Wirtschaft nutzt das überzogene Schönheitsideal
    "Wir haben einfach ein sehr überzogenes Schönheitsideal, das der Wirtschaft sehr nutzt. Etwas Überzogenes, Unerreichbares ist natürlich etwas, dem wir hinterherhechten und nie erreichen können. Und damit wirbt natürlich die Werbung. Und es ist für uns gar nicht normal, dass Mädchen sich unwohl fühlen müssen, da gibt’s überhaupt keine biologischen Beweggründe, wieso das so sein sollte. Sondern das ist eben ganz stark die Medienindustrie, in der wir heute groß werden."
    Pinkstinks möchte Mädchen und Jungen stark machen gegen den Druck der Werbeindustrie. Dafür hat die Kampagne mit Theaterpädagogin Blanca Fernandez das Theaterstück "Vielfalt ist Schönheit" entwickelt. Es richtet sich an Sieben- bis Zwölftklässler und zeigt den Zusammenhang zwischen Körperbild und Werbung. Sehr realistisch, kaum abstrakt, wie eine Soap Opera auf der Bühne: Zwei Mädchen um die 14 Jahre bereiten sich auf einen Abschlussball vor. Bei einem Schokopudding durchforsten sie Mädchenzeitschriften nach Stylingtipps und setzen sich das erste Mal intensiv mit der Schönheitsfrage auseinander.
    "Es fängt sehr lustig an mit Botox-to-go-Pflastern von der Mutter, die auf Pickeln angewendet werden und es wird immer ernster, weil sich die Mädchen immer mehr mit der Beschäftigung mit dem Körper und dem perfekten Aussehen, damit auseinandersetzen, dass sie eben nicht perfekt sind und immer kritischer über ihren Körper denken. Und es kommt zu Essstörungen. Es kommt zu selbstverletzendem Verhalten und Depressionen."
    Bei der Konzeption des Stückes haben sich die Pinkstinks-Aktivistinnen vom Hamburger Zentrum für Essstörungen Waage eV. beraten lassen. Die Jugendlichen sollen das Geschehen auf der Bühne auf keinen Fall nachahmen wollen. Wichtig ist, Essstörungen nicht als glamourös darzustellen, sondern die harte Realität zu zeigen. Außerdem vermittelt das Stück: Essgestörtes Verhalten fängt früh an, lange vor dem ständigen Übergeben. Was ist mit dem Mädchen, das extra viel raucht, um sein Gewicht zu halten? Was ist mit dem Mädchen, das ohne jeden Genuss isst?
    Zeit für Diskussionen
    Nach der Aufführung ist eine Stunde Diskussionszeit eingeplant.
    "Die Reaktionen sind sehr stark. Also, wir hatten schon Jungs die aufgesprungen sind und gesagt haben: 'Warum müssen wir uns diesen Schrott angucken. Das geht doch hier nur um Mädchenprobleme.' Mädchen, die dann aufsprangen und sagen: 'Wieso? Gut, dass ihr euch das mal anguckt. So fühlen wir uns, weil wir ständig unter Druck sind, für euch so schön zu sein.' Dann wieder von Jungs die Reaktion: 'Ja, aber wir wollen auch schlanke Mädchen, wir wollen ja auch schöne Mädchen', und da eben geben wir das Gesprächsangebot."
    Diskussionen innerhalb der Schulklasse zu starten ist ein notweniges und wichtiges Mittel im Kampf gegen das Schönheitsideal der Werbung. Eltern können ihre Kinder nur bedingt durch Gespräche schützen: Ihr Einfluss auf das Selbstbild der Kinder fällt deutlich geringer aus, als der Einfluss der Außenwelt, wie dem Magermodel an der Litfaßsäule, der Barby mit Gurkenmaske und eben dem Freundeskreis in der Schule. Deswegen möchte Pinkstinks alle ansprechen, sowohl Mädchen als auch Jungen.
    "Es ist ganz klar so, dass Jungs heute viel mehr unter dem Druck stehen, n Waschbrettbauch zu haben, zu trainieren und dass es auch absolut in die Essstörung und in eine Ablehnung des Körpers kommen kann. Und trotzdem sind die Zahlen noch sehr, sehr viel geringer, als bei Mädchen. Und deshalb sorgen wir uns erstmal um die Mädchen und laden aber auch die Jungen ein, darüber nachzudenken."
    Die Theaterarbeit versteht Pinkstinks als Pilotprojekt. Ab nächsten Sommer möchte Theaterpädagogin Blanca Fernandez zu interessierten Schulen reisen und ihre Erfahrungen in Seminaren an andere Pädagogen weitergeben. Das Stück sollen Jugendliche in ganz Deutschland sehen. Denn das Thema wird immer drängender. Der Markt hat neuerdings die Kleinkinder entdeckt: Vom Topmodel-Ausmalbuch bis zu Schönheitssalons für Fünfjährige mit Kindergeburtstagspartys und gemeinsamer Pediküre.