Dienstag, 16. April 2024

Archiv

Medien und Tübingens OB Boris Palmer
Übers schwäbische Stöckchen gesprungen

Berliner Zeitung, Tagesspiegel, Berliner Morgenpost, taz: Alle sprangen schon über ein Stöckchen, das ihnen Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer hingehalten hatte, meint Arno Orzessek in seiner Glosse. Der grüne Gelegenheits-Sarrazin ecke fast täglich an - und genieße die mediale Empörung.

Von Arno Orzessek | 12.12.2018
    Boris Palmer (Bündnis 90/Die Grünen), Oberbürgermeister der Stadt Tübingen, am 22.11.2018 bei einer Pressekonferenz zur Vorstellung des Buches "Geht's noch, Deutschland?" von Claus Strunz in Berlin, fotografiert durch eine Glasscheibe.
    Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Bündnis 90/Die Grünen) postet viel und polarisiert noch mehr (dpa / Gregor Fischer)
    Kurze Frage mal an die Bescheidwisser unter uns: Kennen Sie einen Bürgermeister einer deutschen Stadt unter 100.000 Einwohnern, der bundesweit bekannt ist... und nicht Boris Palmer heißt?
    Es würde uns sehr wundern! Zumal sich die Antwort nicht googeln lässt.
    Im Übrigen gönnen wir dem Oberbürgermeister von Tübingen sein Alleinstellungsmerkmal. Schon allein, weil er es so engagiert verteidigt. Und zwar nicht nur in der Rolle als Gelegenheits-Sarrazin der Grünen.
    Ein auswärtiger Schwabenlümmel in Berlin
    Jüngst zum Beispiel, kurz vor Nikolaus. Da gab OB Palmer der Funke-Mediengruppe ein Interview, in dem er, liebe Freunde der Hochsprache, die deutsche Hauptstadt mit kräftigem Strahl angepisst hat:
    "Wenn ich dort ankomme, denke ich immer: Vorsicht, Sie verlassen den funktionierenden Teil Deutschlands."
    Mal davon abgesehen, dass sich Palmer respektvoll selbst siezt, muss man sagen: So bekommst du natürlich große Presse in Berlin! Wo die Leute zwar ihre eigene Stadt gern anpissen, bis der Dampf die Sonne verdunkelt, aber wehe!, selbiges untersteht sich ein auswärtiger Schwabenlümmel.
    Berliner Zeitung, Tagesspiegel, Berliner Morgenpost, taz: Alle sprangen über das Stöckchen, das ihnen Palmer hingehalten hatte.
    Die digitale Handschrift eines irren Genies
    Dabei gehört der 1,0 Abiturient und studierte Mathematiker zu den Superschlauen, die sogar Dummheiten perfekt beherrschen, bis hin zum totalen Plemplem.
    Wessen Dachstübchen von vulgärer Leere überquillt, der würde am Tag der Bayernwahl sicher nicht darauf kommen, via Facebook den Rücktritt von Kanzlerin Merkel und CSU-Chef Seehofer zu verkünden. Und erst recht nicht, das Kürzel DPA für Deutsche Presse-Agentur darunter setzen, und schon gar nicht daneben auch noch das Kürzel BP für Boris Palmer.
    Kenner erkannten in der Aktion sofort die digitale Handschrift eines irren Genies. DPA gehörte indessen nicht zu den Kennern. Palmer musste unter genialischen Wortverrenkungen den Post zurückziehen und bezog von Politikern und Medien tüchtig Dresche.
    "Posten bis es Ärger gibt"
    Glaube nur niemand, dergleichen würde Palmer mürbe machen. Von wegen! So sind die Palmers nicht.
    Bitte sehr, Vater Palmer, der Obstbauer, das war kein anderer als der "Remstal*-Rebell"! Näheres googeln Sie bitte später. Hier nur so viel: Wenn man die besten Gene von Martin Luther und Don Quichotte kreuzen würde, dann käme der Remstal*-Rebell alias Helmut Palmer heraus.
    Der parteilose Held hat einst in Baden-Würrtemberg 250 Bürgermeisterwahlen versemmelt, ohne ins Guiness-Buch der Rekorde zu kommen. Dafür aber wegen Renitenz mehrfach ins Gefängnis, wohin er sich stets erhobenen Hauptes begab.
    Und dass der Apfel nicht weit vom Stamm fällt, muss man bei Obstbauern nicht groß erklären. Boris Palmer jedenfalls hat Hartmuts Bambule-Sucht umfänglich geerbt. "Posten bis es Ärger gibt" - das ist laut einer aktuellen Erkenntnis des SWR der Sinn von Palmers Öffentlichkeitsarbeit bei Facebook.
    Auf Attacke folgt Empörung
    Im Sommer war es zum Beispiel so: Da warf OB Palmer den Seenotrettern im Mittelmeer "Menschenrechtsfundamentalismus" vor – und postete deren Verteidigern sarkastisch ins Gesicht:
    "Und wenn wir eines Tages in ganz Europa von Rechtsextremen regiert werden und damit 0,1 Prozent aller Afrikaner vor dem Elend gerettet haben - scheißegal! Hier geht es schließlich um unsere Moral!"
    Und was tat das Schwäbische Tagblatt? Es attackierte Palmer, den grünen Gelegenheits-Sarrazin, mit maximaler Empörung. Wie auch später, als Palmer auf Tübingens nächtlichen Straßen gegenüber einem Studenten den Hilfssheriff mimte.
    Hey Leute, kann man ja so machen! Aber man muss kein Psychologe sein, um zu sehen: Palmer, dessen Tag nicht rund ist, wenn er nirgends aneckt, der genießt das alles.
    Nehmen wir Folgendes für wahr: Ein schönes Quantum öffentlichen Ärgers schätzt der Sohn des Remstal*-Rebellen allemal mehr als einen Stapel biederer Bundesverdienstkreuze.
    *In einer früheren Version dieses Textes war Remstal falsch geschrieben. Wir haben das korrigiert.