Freitag, 19. April 2024

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Medienforscher erwartet nach Verkauf keinen Kurswechsel bei "Frankfurter Rundschau"

Der Medienforscher Horst Röper wertet den Eigentümerwechsel bei der "Frankfurter Rundschau" als weiteren Schritt zur Konzentration publizistischer Macht in Deutschland. Das Kölner Verlagshaus DuMont Schauberg werde mit der Übernahme der Mehrheit an der FR in der Hitparade der großen Verlage weiter aufsteigen, sagte Röper. Der Geschäftsführer des Dortmunder Formatt-Instituts erwartet indes nicht, dass DuMont die linksliberale Ausrichtung des Blattes in Frage stellen wird.

Moderation: Christine Heuer | 19.07.2006
    Christine Heuer: Fragen jetzt an den Medienforscher Horst Röper, den Chef des Dortmunder Formatt-Instituts. Guten Morgen, Herr Röper!

    Horst Röper: Ich grüße Sie!

    Heuer: Haben Sie heute früh selbst schon die FR gelesen?

    Röper: Nein, die FR kommt als zweites, erst einmal kommt die Lokalzeitung.

    Heuer: Die "Frankfurter Rundschau" galt bislang als linksliberal. Wird das unter Neven DuMont anders werden?

    Röper: Nein, ich denke nicht, denn diese Richtung der Zeitung ist ja festgeschrieben. Die Karl-Gerold-Stiftung wird ja Teilhaber der FR bleiben, mit zehn Prozent zwar nur, aber immerhin. Und in der Satzung der Stiftung ist festgeschrieben, dass sie eben eine linksliberale überregionale Zeitung herausgeben muss. Und an dieser Marktpositionierung wird auch DuMont nichts ändern, denn für eine konservative Zeitung gäbe es in Deutschland, glaube ich, erst recht keinen Platz mehr. Davon gibt es ja genug.

    Heuer: Die Karl-Gerold-Stiftung, das sollten wir vielleicht dazu sagen, war früher alleinige Besitzerin der "Frankfurter Rundschau". Diese zehn Prozent, die die Stiftung noch hält, garantieren die tatsächlich, dass sich für den Leser, wenn ich Sie recht verstehe, gar nichts ändern wird?

    Röper: Also gar nichts, so weit würde ich nicht gehen. Aber in den Grundlinien kann sich nichts ändern, obwohl das vielleicht sogar für die "Frankfurter Rundschau" eine Alternative gewesen wäre, nämlich die Veränderung hin zu einer Regionalzeitung. Eine Deutschlandausgabe eben aufzulegen, bedeutet viel redaktionellen Aufwand, hohe Kosten, insbesondere bei solch einer relativ niedrigen Auflage, wie sie die FR eben bundesweit nur hat.

    Heuer: Dann haben wir es, Herr Röper, auch nicht mit einem Gewinn oder einem Verlust der Meinungsvielfalt in Deutschland zu tun?

    Röper: Doch, das würde ich anders einschätzen. Obwohl wir uns natürlich schon seit geraumer Zeit mit dem Gedanken angefreundet haben, dass eben eine eigenständige verlegerische Struktur bei der FR verloren gehen wird. Und dass DuMont nun übernimmt, kommt ja nicht überraschend. Aber DuMont ist eben auch heute schon das fünftgrößte Zeitungshaus in der Bundesrepublik, wenn man es an Auflage misst, wird nun noch höher klettern in der Hitparade der Großen. Und mit diesem Zukauf ist natürlich schon wieder ein deutlicher Machtzuwachs verbunden. Die publizistische Macht dieser großen Verlagsgruppen in der Bundesrepublik ist schon beträchtlich, und man muss eben halt befürchten, dass sie weiter wächst.

    Heuer: Und welche Folgen hätte das, Herr Röper, wenn diese Konzentration weiter zunimmt?

    Röper: Nun, dass wir immer stärker abhängig werden von der Auswahl Einzelner. Gerade dem Verleger DuMont, Alfred Neven DuMont, ist ja immer wieder vorgeworfen worden, dass er zwar auf der einen Seite viel für seine Redaktion tut, das heißt in Besonderheit, er zahlt ganz gut, auf der anderen Seite aber auch ständig in die Redaktion hineinregiert und Einfluss nimmt, auf die Aussagen in der Zeitung. Umso mehr Zeitungen ihm gehören, umso mehr muss man befürchten, dass er eben Einfluss nimmt auf solche Aussagen. Und wir Zeitungsleser werden abhängiger von den Entscheidungen Einzelner, wirklich Einzelner, weil das Heer, das es einmal gegeben hat, von Verlegern, so ja nicht mehr steht, die Vielfalt also gefährdet ist.

    Heuer: Also, dass sie gut bezahlt werden, das dürfte den Redakteuren bei der "Frankfurter Rundschau" neu sein. Wie werden sich diese denn verhalten, wenn Neven DuMont, tatsächlich versucht, wie Sie es andeuten, da in die Auswahl der Themen zum Beispiel reinzuredigieren?

    Röper: Also, ich denke, da diese Redaktion das überhaupt nicht gewohnt ist, wird man sich zu wehren wissen. Das geht auch auf der Basis eben von Absprachen zwischen Verlag und Redaktion. Und ich hoffe, man wird da Linie behalten. Allerdings wird das der Redaktion auch nur so lange gelingen, wie denn auch nur in etwa die Auflagenzahlen stimmen. Sprechen die Auflagenzahlen gegen die Redaktion, wird natürlich auch der Stand der Redaktion immer schwieriger. Es geht auch nicht so sehr darum, dass der einzelne Redakteur gutes Geld verdient, sondern manche Verleger sind eben immerhin doch bereit, für die Redaktion größere Etats zur Verfügung zu stellen, also beispielsweise Auslandskorrespondenten zu unterhalten und anderes mehr. Zu diesen Verlegern gehörte zumindest früher eben auch Neven Dumont.

    Heuer: Wir werden sehen. Horst Röper, Medienforscher, Geschäftsführer beim Formatt-Institut in Dortmund. Danke für das Gespräch.