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Medienfusion in der Schweiz
Sorgen um den Wettbewerb und Arbeitsplätze

Die deutsche Axel Springer AG und eines der größten Schweizerischen Verlagshäuser, die Ringier AG, betreiben ihre Zeitschriftenaktivitäten in der Schweiz künftig gemeinsam. Die Verlagsmanager freuen sich auf Synergieeffekte, Journalisten haben da gemischte Gefühle. Sie befürchten Einsparungen und Personalabbau.

Von Thomas Wagner | 08.08.2015
    Klar, die publizistischen Flaggschiffe des Axel-Springer-Verlages kennt sie natürlich. "Die Bild. Die Welt." Und die Flaggschiffe der Schweizerischen Ringier AG ebenso. "Blick, Schweizer Illustrierte - und vielleicht noch 'Beobachter'." Nathalie Weber ist Zentralsekretärin des größten Schweizer Journalistenverbandes "Impressum". Mit den beiden Verlagshäusern Axel Springer in Deutschland und Ringier in der Schweiz beschäftigt sie sich derzeit täglich. Beide Unternehmen haben in dieser Woche von der Schweizerischen Wettbewerbskommission Weko "grünes Licht" für die Fusion ihrer bislang eigenständigen Schweizer Zeitschriftenverlage bekommen.
    Das neue Unternehmen "Ringier Axel Springer Schweiz" soll zukünftig einen Jahresumsatz von 300 Millionen Schweizer Franken erwirtschaften, in etwa 300 Millionen Euro. 600 Mitarbeiter sollen in den Büros des Gemeinschaftsunternehmens mit Sitz in Zürich arbeiten. Bislang bringen beide Verlagshäuser in Eigenregie Zeitschriften auf dem Schweizer Markt herausgegeben, waren dort somit Konkurrenten. Nun tun sich die Konkurrenten zusammen. Und genau dem sieht Nathalie Weber skeptisch entgegen: "Der eine Bereich ist die Medienvielfalt: Die fortschreitende Konzentration ist auch hier wieder Thema: Wenn sich zwei Verlage im Zeitschriftenbereich zusammenlegen, sind dann ja auch immer die Inhalte zusammengelegt worden. Dann werden Ressorts übergreifen arbeiten. Man liest dann im Magazin A dasselbe wie im Magazin B."
    Daneben sieht Nathalie Weber auch Probleme auch auf viele freien Journalisten der Schweiz zukommen: Für sie fallen potenzielle Abnehmer ihrer Beiträge weg, wenn zwei große Zeitschriftenverlage zu einem einzigen fusioniert werden. Zu befürchten ist, das dabei sogar einzelne Titel, die bislang noch die gleichen Zielgruppen abdecken, vom Markt verschwinden. Das habe sich, so Nathalia Weber, bereits in den Monaten vor dem "grünen Licht" der Schweizer Wettbewerbshüter gezeigt.
    "Beispielsweise waren es zwei Magazine, die eingestellt wurden. Es war der 'Beobachter Natur' von Springer und die Zeitschrift 'Edelweiss'. Und in beiden Fällen gab es Entlassungen. Und wir gehen davon aus, dass das so eine Art 'Aufräumaktion' innerhalb der Partner war mit Blick auf die spätere Zusammenarbeit."
    Ringier und Springer lehnen dazu jede Stellungnahme ab. Man wolle, so ein Ringier-Sprecher, die formelle Zustellung der kartellrechtlichen Genehmigung abwarten. Für Gabriele Siegert, Professorin für Publizistikwissenschaften der Universität Zürich, ist die Strategie, die hinter der Fusion steht, aber klar erkennbar - vor allem in Zeiten stagnierender oder sinkender Auflage bei Print-Produkten: "Das Mediengeschäft ist ein Skalen-Effektegeschäft. Das heißt: Es kommt auf Größe an. Sie können mehr Gewinn erzielen, wenn Sie auf der Kostenseite stark reduzieren können und dafür die Outpout-Seite vergrößern können. Weil: Die Kosten für die Recherche bleiben gleich - egal, ob Sie die jetzt ein paar Tausend Mal produzieren oder eine Million Mal produzieren."
    Für die Medienwissenschaftlerin erscheint aber ein anderer Punkt bemerkenswert: Zwar nutzen die Partner Ringier und Axel Springer bei ihrem neuen Joint-Venture Synergie-Effekte, setzen aber ausdrücklich trotz sinkender Auflagen und trotz Konkurrenz durch Online-Angebote auf Zukunft gedruckter Zeitschriften. "Natürlich ist Print ein auslaufendes Geschäft, wenn man sich das so in einem Zeitraum von sagen wir 30 Jahren vorstellen. Aber in Bezug auf das Werbegeschäft ist es einfach noch so, dass die Preise für Print immer noch deutlich besser sind, Sie können immer noch bessere Umsätze machen mit den Print-Titeln, als das online funktioniert."
    Die Medienwissenschaftlerin von der Uni Zürich zeigt sich allerdings nicht allzu überrascht darüber, dass die Wettbewerbskommission keine Einwände gegen die Fusion von Springer und Ringier auf dem Schweizer Zeitschriftenmarkt hat – trotz der großen Marktmacht, die das Unternehmen schon bald haben wird. Dahinter verberge sich ein grundsätzliches Problem bei Verlagsfusionen: Fast immer seien die Kriterien dessen, was im Medienbereich erlaubt ist und was nicht, unscharf formuliert. "Haben Sie verbindliche Grenzwerte, wo Sie sagen können: Ab diesem Wert an Zuschaueranteil oder Marktanteil muss man so etwas untersagen? Oder ab dem Wert können wir's genehmigen mit Auflagen?"
    Weil solche verbindlichen Grenzwerte fehlen, wird in Zukunft mit weiteren Medienfusionen zu rechnen sein - nicht nur in der Schweiz.