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Medienlandschaft
Podcast-Hype als Türenöffner für mehr Diversität?

Verschwörungstheorien über Beyoncé, afrozentrische Schulbildung, sexuelles Empowerment – darüber berichtet Brittany Luse in Podcasts des US-amerikanischen Medienunternehmens Gimlet Media. Sie sagt, jeder, der Mikrofon und Computer habe, könne heutzutage senden. Eine Chance für mehr Diversität?

Von Christoph Möller | 26.09.2017
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    Ein Smartphone - mehr braucht es nicht, um in die weite Welt der Podcasts einzutauchen. (unsplash.com / Álvaro Serrano)
    Brittany Luse moderiert zusammen mit ihrem Kumpel Eric Eddings den Podcast "The Nod".
    "From Gimlet Media, this is The Nod."
    "I'm Eric."
    "And I'm Brittany."
    "We're lifelong friends."
    "And for as long as we can remember we have been obsessed with the stories and the people who define what it means to be Black."
    "As Black with a capital B."
    "Seit wir denken können, brennen wir für die Leute und Geschichten, die bestimmen, was es heißt, Schwarz zu sein. Wir sind die größten Fans der Blackness. Und in dieser Show erzählen wir Geschichten über Blackness, die ihr so noch nicht so gehört habt."
    Es geht um afrozentrische Schulbildung, sexuelles Empowerment oder irre Verschwörungstheorien über Beyoncés Schwangerschaft.
    "Hold on. Beyoncé is not the queen of hip hop. First of all, number one: there is no queen of hip hop right now."
    Brittany Luse hat lange im Marketing gearbeitet. Seit zwei Jahren ist sie Moderatorin für Gimlet Media, ein Podcast-Netzwerk mit über 70 Mitarbeitern.
    "Innerhalb von nur einem Jahr bin ich von einer mittelmäßigen Marketing-Managerin zu einer ganz anständigen Podcast-Moderatorin geworden. Ich glaube, dafür ist der Hype um Podcasts verantwortlich. Der hat viele Türen geöffnet, um in die Industrie reinzukommen und aufzusteigen."
    Podcast über Identität
    Luse schwärmt von Podcasts als intimem Format, das ungewöhnliche Stimmen und Geschichten hörbar macht. Ähnlich wie "The Nod" sind "2 Dope Queens", mit ihrem komödiantischen Blick auf die Schwarze Community oder "Intersection", ein Podcast über Identität.
    "This is intersection, where all the ways we identify come together."
    Im Prinzip kann jeder, der ein Mikrofon und einen Computer hat, Podcasts aufnehmen. Wer dazu ein Netzwerk wie Gimlet hat, kann schnell viel Aufmerksamkeit bekommen, meint Luse.
    "Ich glaube, das sorgt für mehr Diversität in den Medien und hat mir ermöglicht, mit 'The Nod' erfolgreich zu sein. Und außerdem: Leute, die sich zum Beispiel für Geschichten über schwarze Kultur interessieren, finden die jetzt viel leichter. Es ist viel günstiger, einen Podcast zu machen, als etwa eine Fernsehshow."
    Gimlet unterstützt aktiv Minderheiten und die sogenannten People of color, die es sonst schwer haben, im Radio gehört zu werden. Im firmeneigenen Podcast "StartUp" spricht Gründer Alex Blumberg regelmäßig über den Versuch, nicht nur weiße Männer zu beschäftigen, sondern diverser zu sein.
    "Our full-time staff now includes 18 non-white people and 55 white people. So things have gotten a little bit better."
    Marginalisierte Gruppen haben es schwer
    Geringer Produktionsaufwand, kaum Kosten: Podcasts können Stimmen tatsächlich einfacher hörbar machen, meint Oliver Voß. Er forscht an der Universität Hildesheim zu Audiokultur und Hörkunst.
    "Ich sehe eine Möglichkeit, dass dort Stimmen Raum bekommen, den sie sonst nicht haben und dass sich andere dafür interessieren. Aber man muss auch aktuell sagen, das sind Nischen. Das heißt, es gibt dann dort nicht so viele Zuhörerinnen."
    Was ist mit deutschen Podcasts, die ähnlich wie "The Nod" Menschen eine Stimme geben, die im Mainstream-Radio nicht unbedingt vorkommen? Voß muss passen.
    "Wenn es jetzt um Podcasts geht, ich überlege. "
    Podcasts werden hierzulande in der Regel von etablierten Journalisten gemacht. Das einzige ernstzunehmende Podcast-Label in Deutschland, Viertausendhertz, besteht vor allem aus Männern. Marginalisierte Gruppen, Geflüchtete, Menschen mit Behinderung haben es gerade im Mainstream-Radio extrem schwer. Voß glaubt, das liegt auch an einem etablierten Stimmklang.
    "Wenn ich jeden Tag auf eine bestimmte Art und Weise sende, die Leute jeden Tag auf eine bestimmte Art und Weise hören und auch sogar ihre eigene Stimme dem anpassen, was sie hören."
    Dann wirken Dialekte, Soziolekte, leichte Sprachfehler und ungewöhnliche Themen unangenehm.
    "Und dann kommt diese Stimme eben nicht vor. Und damit eben auch bestimmte Probleme, die wir durchaus in der Gesellschaft haben nicht. Aber was man hoffen kann, ist, dass einfach viel, viel mehr Menschen sich hinsetzen und sagen, ja klar, ich sende auch."
    Zögerliche Diversität
    Podcast als demokratisierendes Medium in einer Medienlandschaft, die immer noch tendenziell patriarchal ist – zumindest ansatzweise kann das eine Chance sein. Doch wenn überhaupt ist gerade mal der Anfang gemacht. Audioangebote hierzulande, aber auch in den USA wirklich diverser zu machen, das würde viel schneller gehen, wenn die Chefs und Intendanten in den Sendern aktiver dafür einstehen würden, meint Brittany Luse.
    Sie sagt, allein Gimlet, dieses relativ kleine Unternehmen, auf diskriminierende Strukturen hinzuweisen und diverser zu machen, war extrem schwierig.
    "Es hat eine Menge 'Come-to-Jesus'-Gespräche gegeben, wie wir hier sagen. Direkte Konfrontationen, in denen die Leute offen miteinander reden. Kein anderes Unternehmen, für das ich gearbeitet habe, hat mehr für Diversität getan als Gimlet – und trotzdem ist es lange nicht genug."