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Medizin
Biomarker könnten vor entstehendem Typ-2-Diabetes warnen

Die Volkskrankheit Diabetes betrifft in Deutschland rund sechs Millionen Menschen, Tendenz steigend. Nur bei jedem zehnten Zuckerkranken steckt eine erbliche Veranlagung dahinter. Die anderen Erkrankungen ließen sich zumindest aufhalten, vielleicht sogar ganz verhindern, wenn die Betroffenen früh davon wüssten. Einen einfachen Test auf diese sogenannte Prädiabetes gibt es bisher nicht - eine Lücke, die Münchner Forscher schließen wollen.

Von Hellmuth Nordwig | 26.11.2014
    Am Helmholtz-Zentrum München bereitet ein Roboter Proben mit Blutserum auf. Sie sollen in einem Massenspektrometer untersucht werden - mit das Empfindlichste, was die chemische Analytik zu bieten hat. Das Gerät misst, wie viel von bestimmten Stoffwechselprodukten im Blut enthalten ist. Der Anteil dieser Moleküle soll Auskunft über Krankheiten geben.
    "Diese Moleküle sind auch in gesunden Menschen vertreten. Jedoch finden hier Veränderungen in den Konzentrationen statt, die charakteristisch für eine Erkrankung sind", berichtet der Leiter des Analyselabors am Helmholtz-Zentrum, Professor Jerzy Adamski.
    Er hat Probanden unter die Lupe genommen, bei denen der Stoffwechsel bereits in Richtung eines Typ-2-Diabetes verändert war. Das hatte eine begleitende ärztliche Untersuchung ergeben. Adamski konnte drei Stoffwechselprodukte identifizieren, deren Menge bei diesen Blutproben fast immer aus der Norm fiel.
    "Spannend war es, als wir das bei Proben von Individuen, von denen wir nicht wussten, ob sie erkrankt sind oder nicht, auch untersucht haben. Das sind inzwischen schon mehrere tausend Individuen, die wir da getestet haben, und diese Muster wiederholen sich."
    Indikatoren untersuchen
    Es geht um eine Aminosäure, einen Bestandteil von Zellmembranen und um ein Molekül des Energiestoffwechsels. Weicht die Konzentration dieser drei Substanzen gemeinsam ab, so ist dieses Muster ein Hinweis auf den sogenannten Prädiabetes, eine Vorstufe der Zuckerkrankheit. Doch diese drei Moleküle sind nicht die Ursache dafür, dass später Diabetes entsteht. Es sind Indikatoren, sogenannte Biomarker, deren Konzentrationsveränderung charakteristisch für diesen Zustand ist. Klinische Labors könnten auch diese Substanzen in einem sogenannten Assay mit testen, wenn sie ein Röhrchen mit einer Blutprobe untersuchen. Massenspektrometer sind dort häufig anzutreffen.
    "Wenn wir eine Reihe von Stoffwechselmolekülen benennen, die dann zu messen sind, rechnen wir damit, dass 10 Mikroliter Serum genommen werden müssen für diesen Assay. Normalerweise sind das zwei Milliliter, so ein Röhrchen. Es würde also dicke reichen, um das neben anderen klinisch-chemischen Messungen anzubieten."
    Die sollen Prädiabetes sogar zuverlässiger feststellen, als es jetzt möglich ist. Derzeit ist der sogenannte orale Glukosetoleranztest Standard. Dafür muss ein Patient etwa zwei Stunden beim Arzt verbringen, der in dieser Zeit wiederholt den Blutzuckerspiegel misst. Ein einmaliger Test auf die drei Stoffwechselprodukte wäre viel einfacher. Ohne großen Aufwand könnten etwa Übergewichtige erfahren, ob ihnen Diabetes droht - und dann zum Beispiel mehr Sport treiben, um etwas dagegen zu unternehmen. Dr. Reinhold Gellner, Diabetologe am Universitätsklinikum Münster:
    "Wenn es uns gelingt, die Leute so zu motivieren, dann haben wir häufig innerhalb kurzer Zeit den Effekt, dass der Diabetes mellitus wieder verschwindet. Das wissen viele gar nicht: Gerade zu Beginn des Typ-2-Diabetes, beim Erwachsenen-, Altersdiabetes, wie wir früher gesagt haben, wenn es uns da gelingt, das Körpergewicht zu reduzieren, dann haben wir nach kurzer Zeit - zwei, drei Monate - oft die Situation, dass der Diabetes mellitus wieder weg ist. Ich denke, dass die natürlichen Maßnahmen wie Gewicht und Ernährung im Vordergrund stehen sollten. Aber wir wissen, dass es bei vielen Menschen nicht funktioniert."
    Richtige Ernährung und mehr Bewegung
    In den USA bekommen Menschen mit Prädiabetes daher vorbeugend das Medikament Metformin. Ob es die Entwicklung hin zum Diabetes aufhalten kann, dazu gibt es jedoch noch keine Langzeitstudien. Die Ernährung umzustellen und sich mehr zu bewegen, hilft jedoch nachweislich. Ihr Forschungsergebnis wollen die Münchner Wissenschaftler jetzt zu einem praxistauglichen Test ausbauen. Dazu müssen sie noch zeigen, dass äußere Faktoren wie Rauchen oder Alkohol die Messwerte nicht verfälschen; und sie wollen das Verfahren noch einfacher und kostengünstiger gestalten. Wenn das klappt, kann zukünftig jeder so früh von seinem Diabetesrisiko erfahren, dass es noch möglich ist gegenzusteuern.