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Medizin
Genforscher tüfteln an Herzinfarkt-Impfung

Als "Crispr-Cas" bezeichnen Mediziner und Biologen eine Art Werkzeugkasten zur Manipulation von Genen. Letztere lassen sich damit gezielt zerschneiden und sogar reparieren. So könnte auch eigentlich Unmögliches möglich werden - zum Beispiel eine Impfung gegen den Herzinfarkt.

Von Michael Lange | 04.09.2015
    Computergrafik eines Herzinfarkts
    Die Idee hinter der Impfung: Ein bestimmtes Gen, das das Herzinfarkt-Risiko erhöht, könnte mithilfe der CRISPR-Cas-Methode einfach ausgeschaltet werden. (imago / Science Photo Library)
    "Hier ein 1,5 Milliliter Eppi. Da kommt jetzt der Forward und der Reverse Primer rein."
    Jana Block ist Masterstudentin an der Universität Freiburg. Bei einem Praktikum hat sie gelernt, wie das neue Gentechnik-Verfahren CRISPR-Cas funktioniert.
    "Dann brauchen wir noch unser Cas 9-Plasmid. Und dann kann man auch gleich in die Zellkultur gehen."
    Am Institut für Zell- und Gentherapie der Universität Freiburg gehört CRISPR-Cas zum Handwerkszeug – wie in vielen Labors. Der Leiter des Instituts, Toni Cathomen, sagt der Methode eine große Zukunft voraus.
    "Man muss da wirklich von einer CRISPR-Revolution sprechen. Weil sich die Technologie so schnell verbreitet hat und jedes Labor sie einsetzen kann, und genetische Veränderungen in vielen verschiedenen Organismen herbeiführen kann."
    Und die Methode ist extrem einfach – wie die Funktion "suche – ersetze" im Computer. Das erzeugt in Forscherköpfen ständig neue Ideen. So soll das ausgestorbene Wollhaarmammut aus Elefantenzellen neu geschaffen werden - und Mücken der Art Anopheles gambiae sollen dank CRISPR-Cas keine Malaria mehr übertragen.
    Der Trick: ein störendes Gen einfach ausschalten
    Sehr weitreichend ist auch das Projekt des Stammzellenforschers Kiran Musunuru vom Harvard Stem Cell Institute in Boston. Er plant eine Impfung gegen den Herzinfarkt. Dabei will er einen Schutzmechanismus kopieren, den einige Menschen von Geburt an besitzen.
    "Drei Prozent aller Menschen tragen eine bestimmte Mutation in ihrem Erbgut. Sie betrifft das Gen PCSK 9. Es ist bei ihnen inaktiv. Dadurch sinkt ihr Cholesterinspiegel von Natur aus um 30 bis 40 Prozent. Das ist die gleiche Wirkung wie bei einer täglichen Einnahme des Medikaments Statin – und das ohne Nebenwirkungen. Als Folge sinkt das Herzinfarkt-Risiko um 80 bis 90 Prozent. Das ist eine Art Hauptgewinn in der genetischen Lotterie."
    Das Gen PCSK 9 half unseren Vorfahren, Hungerzeiten zu überstehen, indem es die Cholesterinaufnahme blockierte und den Cholesterinspiegel hoch hielt. In der Wohlstandsgesellschaft von heute ist diese Funktion sinnlos geworden. Sie erhöht lediglich das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen. Deshalb will Kiran Musunuru das Gen bei Herzinfarkt-Kandidaten ausschalten. Das soll sie schützen. Statt der natürlichen Mutation will er eine künstliche Mutation erzeugen.
    Und da kommt Crispr-Cas ins Spiel. Der genetische Werkzeugkasten soll das Gen PCSK 9 im Körper erkennen und zerschneiden. Dazu wollen Kiran Musunuru und seine Mitarbeiter das CRISPR-Cas-System mit Viren in die Leber einschleusen – eine Form der Gentherapie.
    "Das ist so ähnlich wie mit einer Lenkrakete. Sie müssen nur die Programmierung ändern und die Rakete fliegt dorthin, wohin Sie wollen. Genau so lässt sich CRISPR-Cas programmieren. Die genetische Schere gelangt genau an den einprogrammierten Ort. Dieser geniale Mechanismus revolutioniert schon jetzt die Biomedizin."
    Erfolgreich an Mäusen erprobt
    Kiran Musunuru hat das System bereits getestet – an sogenannten Chimären. Das sind Mäuse, deren Leber aus menschlichen Zellen besteht. Das CRISPR-Cas-System hat er auf das PCSK-9-Gen des Menschen programmiert, dann in Viren verpackt und die Chimären damit infiziert. Und tatsächlich wurde das PCSK-9-Gen in den menschlichen Leberzellen der Mäuse ausgeschaltet. Der Cholesterin-Spiegel im Blut der Tiere sank um mehr als 30 Prozent.
    In wenigen Jahren – so hofft Kiran Musunuru – könnte CRISPR-Cas bei Patienten mit erhöhtem Herzinfarkt-Risiko zum Einsatz kommen.
    "Das ist im Grunde die gleiche Wirkung wie bei einer Impfung. Eine Spritze reicht, der Cholesterinspiegel sinkt und damit das Herzinfarkt-Risiko."
    Programmtipp: Mehr zu diesem Thema am Sonntag, 6. September, um 16.30 Uhr in "Wissenschaft im Brennpunkt"