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Medizin
Transfusion des ganz besonderen Saftes

Der Weg zu einer erfolgreichen Bluttransfusion war lang und holprig. Einen entscheidenden Schritt unternahm der belgische Arzt Albert Hustin vor 100 Jahren in Brüssel. Er schaffte es, die Gerinnung zu stoppen und so Blut haltbar zu machen.

Von Kay Müllges | 27.03.2014
    Ein Beutel mit gespendetem Blut beim Blutspendedienst.
    Um Blut haltbar zu machen, muss die Gerinnung gestoppt werden. ( dpa-Zentralbild / Patrick Pleul)
    Schon kurz nachdem der britische Arzt William Harvey 1628 den Blutkreislauf entdeckt hatte, begannen experimentierfreudige Kollegen, seine Erkenntnisse in Tierversuchen zu überprüfen. Mit äußerst wechselhaftem Erfolg. Bis Bluttransfusionen ein sicherer Bestandteil klinischer Praxis werden konnten, galt es zahlreiche Hindernisse zu überwinden. Zum Beispiel machte den Forschern eine lebenswichtige Eigenschaft des Blutes zu schaffen, so Birgit Gathof, die Leiterin des Instituts für Transfusionsmedizin an der Universitätsklinik Köln:
    "Blut gerinnt innerhalb von wenigen Minuten. Das merken Sie selbst, wenn Sie sich in den Finger schneiden, nach fünf bis zehn Minuten ist das wieder verschlossen. Und das würde natürlich auch passieren, wenn wir das Blut in Gefäße entnehmen."
    Die Zitronensäure macht's
    Deshalb war es unmöglich, Spenderblut zu sammeln, zu lagern und erst bei Bedarf dem jeweiligen Patienten zu transfundieren. Doch das änderte sich am 27. März 1914. An diesem Tag führte der belgische Arzt Albert Hustin am Hopital Saint Jean in Brüssel die erste indirekte Bluttransfusion durch. Er verabreichte einem Patienten erfolgreich Blut aus einer Flasche. Den wertvollen Körpersaft hatte er zuvor mit einer Mischung aus Glucose und Sodiumcitrat versetzt und damit eine einfache Lösung für das Problem der schnellen Gerinnung gefunden.
    "Man kann das dadurch verhindern, dass man Kalzium, einen Bestandteil der Gerinnungskaskade, aus dem System bindet. Und das passiert zum Beispiel durch das Hinzufügen von sogenannten Stabilisatoren, die die Kalziumionen abfangen, zum Beispiel durch Citrat."
    Erst mit dieser Entdeckung ließ sich Blut dauerhaft konservieren und eine risikofreie Transfusion durchführen. Denn bis dahin waren Spender und Patient immer direkt miteinander verbunden, indem man die Schlagadern mit langen Kanülen zusammen führte. Stets war es schwierig, abzuschätzen, wie viel Blut der Spender abgegeben hatte. Bisweilen ließ der durchführende Chirurg ihn deshalb eine Zigarette rauchen. Fiel sie ihm aus der Hand, war es an der Zeit, die Übertragung zu beenden.
    Die erste Bluttransfusion bei einem Menschen hatte der französische Arzt und Mathematiker Jean Baptiste Denis bereits 1667 durchgeführt. Allerdings nicht als lebensrettende Maßnahme - vielmehr wollte er einen notorisch prügelnden Ehemann durch das Blut eines friedlichen Kälbchens besänftigen. Man glaubte damals, Blut trage Charaktereigenschaften. Denis hielt das Experiment in seinem Tagebuch fest.
    Mittelalterliche Vorstellung vom Blut-Saft
    "Der Patient beklagte sich über große Schmerzen in den Nieren, dass er im Magen ein Gefühl des Unwohlseins verspüre und sich gleich übergeben werde, wenn wir ihn nicht freiließen. Während wir die Wunde schlossen, spie er all den Speck und das Fett, das er vor einer halben Stunde genossen hatte, wieder aus und urinierte becherweise Flüssigkeit, die so schwarz war, als wäre sie mit Kaminruß vermischt."
    Denis wertete das als gutes Zeichen, denn ganz offensichtlich verließen den Patienten die aggressiven Substanzen. Heute wissen wir, dass der Mann an einer schweren Transfusionsreaktion litt und nur mit Glück überlebte. Tierblut enthält Proteine, die sich mit dem menschlichen Blut nicht vertragen. Der Organismus reagiert rasch und dramatisch: Er mobilisiert Antikörper, um die Angreiferzellen zu zerstören. Millionen von roten Blutkörperchen sterben ab und das oxydierte Hämoglobin färbt den Urin schwarz. Aus demselben Grund verlief auch die Blutübertragung von Mensch zu Mensch oft tödlich. Birgit Gathof:
    "Menschen der Blutgruppe 0 haben Antikörper gegen die Blutgruppenmerkmale der Blutgruppen A und B entwickelt und deswegen können Menschen der Blutgruppe 0 zum Beispiel nur Blut von anderen Menschen der Blutgruppe 0 erhalten."
    Automatisiertes Analysesystem
    Das Blutgruppensystem des Menschen wurde erst Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts entdeckt. Heute ist das Blutspenden zumindest in den Industrieländern sicher und wohlorganisiert. Beim größten Blutspendedienst des Deutschen Roten Kreuzes in Hagen prüft ein Roboter die Spenden auf die jeweilige Blutgruppe, den Rhesusfaktor und mögliche Krankheitserreger. Er kann gleichzeitig vier Platten mit Proben aufnehmen. Daher sein Name: Quadriga. Der Automat schlägt nicht nur Alarm, wenn er einen Erreger entdeckt. Er meldet sich sogar, wenn ihm die Reagenzflüssigkeit auszugehen droht.