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Medizin
Wenn Geschenke die Behandlung verbessern

Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft. Was zumindest ein Sprichwort besagt, könnte auch für die Medizin gelten. Forscher aus Princeton haben in China untersucht, ob Präsente dort die Qualität der ärztlichen Versorgung erhöhen.

Von Volkart Wildermuth | 23.12.2013
    "In China gehen die Patienten auch mit kleinen Problemen in die Klinik. Kleine Geschenke sind dabei durchaus üblich."
    Das zeigte eine Umfrage unter Ärzten, die die Wirtschaftswissenschaftlerin Janet Currie in Peking organisiert hatte. Die Direktorin des Zentrums für Gesundheit und Wohlbefinden der Universität Princeton witterte daraufhin die Chance, den Einfluss von Geschenken im Alltag zu überprüfen. Gemeinsam mit Forschern der Universität Peking schickte sie Studenten in 80 Kliniken im Großraum Peking wo sie sich bei mehr als 100 Ärzten mit milden Erkältungssymptomen vorstellten, die eigentlich nur Ruhe und ausreichend Flüssigkeitszufuhr erfordern. Erfahrungsgemäß verschreiben viele Ärzte trotzdem Antibiotika, die in diesem Fall wenig helfen. Janet Currie wollte wissen, was passiert, wenn die vorgeblichen Patienten vor der Behandlung ein kleines Geschenk überreichen.
    "Es war nur ein kleines Lesezeichen aus Papier, kaum etwas wert. Dabei sagten sie: 'Ich will ihnen das als Zeichen meiner Anerkennung geben'. Wenn ein Geschenk überreicht wurde, verschrieben die Ärzte seltener nutzlose Antibiotika. Außerdem waren sie zu diesen Patienten messbar freundlicher. Das Geschenk hatte wirklich einen Einfluss."
    Zudem nahmen sich die Ärzte mehr Zeit als sonst üblich für die generösen Patienten. Dieser Effekt übertrug sich sogar auf den nächsten Kranken, wenn der von dem großzügigen Patienten als enger Freund vorgestellt wurde. Das mussten dann allerdings die nächsten in der Warteschlange ausbaden.
    "Weil der Arzt sich schon etwas länger mit dem Patienten mit Geschenk beschäftigt hatte und vielleicht auch noch mit dessen Freund, hatte er für den folgenden Patienten weniger Zeit."
    Gerade Zeit ist im Klinikalltag eine begrenzte Ressource und offenbar genügen schon kleine Gaben um sie zu den eigenen Gunsten umzuverteilen. Ein Effekt, der sicher nicht auf China beschränkt ist, meint Janet Currie.
    "Ich glaube, die Leute wollen sich natürlicherweise revanchieren. Also in Deutschland würde ein Geschenk wohl seltsam wirken. Aber wenn sie freundlich zum Arzt sind, ihn wissen lassen, wie sehr sie seine Arbeit schätzen, dann würden sie wohl besser behandelt."
    Diesen Effekt kann man als Patient ausnutzen. Er wird ganz sicher auch von den Pharmaunternehmen eingesetzt. Große Geschenke und als Fortbildung getarnte Fernreisen sind inzwischen im medizinischen Sektor verpönt. Aber ein Kuli mit dem passenden Markennamen wird von Pharmavertretern immer noch gerne überreicht und gerne entgegengenommen.
    "Viele Ärzte sagen, es ist lächerlich zu glauben, dass diese kleinen Geschenke der Pharmaindustrie ihr Verhalten beeinflussen. Aber unser Experiment zeigt: Auch kleine Geschenke zeigen Wirkung."
    Für Ärzte und sicher auch für Journalisten heißt das: bewusst gegensteuern oder den Kuli erst gar nicht annehmen. Bleibt die Frage, ob nicht auch Weihnachtsgeschenke im Grund als eine verdeckte Form der Beeinflussung entlarvt werden müssen. Nein, meint Janet Currie, schließlich ist der Versuch der gegenseitigen Einflussnahme ein ganz normaler Bestandteil jeder Beziehung unter Menschen.
    "Die Moral des Ganzen lautet: Selbst ein kleines Geschenk zeigt, dass man jemanden schätzt und das regt eine positive Reaktion an. Also im Zweifelsfall ist ein kleines Geschenk immer eine gute Sache."