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Meeresbiologe
Pinguine im Halbschlaf

Königspinguine verbringen viel Zeit mit der Suche nach Futter. Doch müssen sich die Tiere auch ausruhen und das geschieht an Land. Aber wie können sie schlafen, wenn sie wegen Fressfeinden immer in Alarmbereitschaft sein müssen? Die Biologin Tessa von Walsum hat riesige Kolonien der Meeresvögel besucht und herausgefunden, wie sie fluchtbereit trotz Schlaf bleiben.

Von Michael Stang | 07.07.2016
    Zwei schlafende Königspinguine
    Gleichzeitig in Alarmbereitschaft und im Schlaf? (imago /Photoshot)
    Königspinguine verbringen einen Großteil ihres Lebens im Meer auf der steten Suche nach Futter. Manchmal kommen sie auch an Land und ruhen sich dort aus. Auf den französischen Crozet-Inseln zwischen Südafrika und der Antarktis gibt es riesige Kolonien der Meeresvögel. Dort hat Tessa van Walsum bis Mai ganze fünf Monate versucht herauszufinden, wann und wie Pinguine schlafen.
    "Anfangs hatten wir die Idee, die Tiere direkt im Wasser zu erforschen. Wir wussten, dass manche Pinguine ganze Wochen im Wasser verbringen und wir wollten sehen, ob und wie sie dort schlafen. Aber, wie so oft in der Wissenschaft - das hat nicht funktioniert."
    Also musste die Biologin von der Universität von Roehampton umplanen. Deshalb entschied sie sich, schlafende Pinguine an Land zu untersuchen.
    "Pinguine haben keine festen Schlafzeiten. Die kommen manchmal an Land und schlafen irgendwann. Diese Kolonien sind immer in Bewegung und es ist sehr laut. Manchmal waren das 12.000 Vögel. Ich bin dort also immer auf allen Vieren langgekrochen, habe mir einen schlafenden Pinguin gesucht, vor ihm dann Kamera und Lautsprecher platziert und bin langsam weggeschlichen."
    Pinguine sind auf sich allein gestellt und können sich nicht wie beispielsweise die sozial in Gruppen lebenden Erdmännchen auf Wachen verlassen. Daher müssen die Vögel auch im Schlaf in Alarmbereitschaft sein, so die These. Um das zu testen, spielte Tessa van Walsum den Pinguinen bestimmte Geräusche vor, um die Reaktionen der Vögel zu testen. Zunächst waren Töne von anderen Pinguinen zu hören. Auf diese reagierten die meist schlafenden Versuchstiere kaum.
    "Überwiegend habe ich dann Geräusche von Raubtiere verwendet und zwar von bekannten und unbekannten Feinden. Zu den Unbekannten zählten etwa das Brüllen eines Tigers oder das Bellen eines Hundes. Zu den bekannten Geräuschen gehörte das Schreien von großen Raubmöwen oder Sturmvögeln, vor denen sich die Pinguine in Acht nehmen müssen, damit sie nicht gefressen werden."
    Laute von Raubtieren lösten Fluchtreflex aus
    Jedes Geräusch spielte Tessa van Walsum 15 Sekunden lang ab, bei rund 1.600 Pinguinen. Danach konnte sie vier Reaktionscodes festlegen – von nahezu keiner Reaktion bis hin zum sofortigen Fluchtversuch. Alarm beziehungsweise einen Fluchtreflex lösten die Laute von Raubtieren aus, allerdings nur die bekannteren Fressfeinde wie Orcas oder Raubvögel. Tiger und Hunde waren keine akustische Bedrohung. Fluchtreflexe lösten auch die Geräusche von See-Elefanten aus. Diese Tiere fressen zwar keine Pinguine, aber mit ihren massigen Körpern können sie die Pinguine an Land schnell erdrücken.
    "Uns ist aufgefallen, dass sich die Reaktionen stark unterschieden, je nachdem ob die Tiere wach waren oder aus dem Schlaf hochgeschreckt wurden. Wache Vögel blickten sich um und verließen den Ort in Ruhe, während aus dem Schlaf gerissene Pinguine hochschreckten und so schnell wie möglich flohen."
    Denn schlafende Pinguine haben keine Zeit, um sich noch umzuschauen. Daher ist eine schnelle Flucht die beste Strategie, so Tessa van Walsum. Erstaunt hätte sie aber eine andere Beobachtung.
    "Es gab keine Unterscheide hinsichtlich der Reaktionszeit zwischen wachen und schlafenden Pinguinen. Das bestätigt unsere These, dass bei Pinguinen immer nur eine Gehirnhälfte schläft, während die andere die Umgebung scannt. Damit ist der Vogel immer in Alarmbereitschaft und entscheidet, ob eine Reaktion auf ein Geräusch notwendig ist oder nicht."
    Demnächst will sie die Versuche mit älteren Pinguinküken wiederholen, um etwaige Lernprozesse zu verstehen. Daher will sie Ende des Jahres wieder zu den Crozet-Inseln zurückkehren und dann vielleicht auch Pinguine im offenen Meer beobachten und schauen, ob die Vögel auch schwimmend ein Nickerchen einlegen.