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Meeresforschung
Atemnot durch saures Wasser

Je mehr Kohlendioxid der Mensch in die Atmosphäre pumpt, desto saurer werden auch die Ozeane. Das sorgt bei Fischen für Atemnot, wie US-Ökologen herausgefunden haben. Aus dem sauren Wasser können die Tiere weniger Sauerstoff ziehen. Eine Folge: Sie schwimmen näher an die Oberfläche, wo die Fressfeinde lauern.

Von Monika Seynsche | 12.08.2015
    Fischerboot vor Warnemünde, Mecklenburg-Vorpommern
    Vögel und andere Fressfeinde jagen kleine Fische an der Oberfläche (imago)
    Seth Miller haben es kleine, silbrig glänzende Fischlein angetan, die zu Abermilliarden die Küstengewässer Nordamerikas bevölkern.
    Diese Fische seien zwar nicht von direkter wirtschaftlicher, aber von enormer ökologischer Bedeutung für die Flussmündungen, sagt der Ökologe vom Smithsonian Umweltforschungszentrum in Edgewater, Maryland. Sie sind wichtige Futterfische und dienen unzähligen anderen Lebewesen als Nahrungsgrundlage. Seth Miller und seine Kollegen wollten wissen, wie sich der Klimawandel auf zwei Arten der neuweltlichen Ährenfische auswirkt:
    "Wir haben uns zwei Faktoren angeschaut, die durch den Klimawandel verstärkt werden und die Fische unter Stress setzen. Zum einen wird das Wasser wärmer und kann dadurch weniger Sauerstoff speichern. Zum anderen enthält es mehr Kohlendioxid und hat dadurch einen geringeren pH-Wert. Es wird also saurer. Wir haben untersucht, wie diese beiden Stressfaktoren das Verhalten der Ährenfische beeinflussen."
    Mehr Sauerstoff an der Oberfläche
    Unter sauerstoffarmen Bedingungen neigen Ährenfische genauso wie andere Fische dazu, an die Oberfläche zu schwimmen, denn das Wasser dort oben enthält immer noch mehr Sauerstoff als das in größeren Tiefen. Die Forscher sammelten Fische in der größten Flussmündung der USA, der Chesapeake Bay im Nordosten des Landes, und setzten sie im Labor unterschiedlichen Sauerstoffkonzentrationen und pH-Werten aus.
    "Dabei entdeckten wir, dass die Versauerung die Fische anfälliger für Sauerstoffmangel macht. Die Fische schwammen schon bei höheren Sauerstoffkonzentrationen zur Oberfläche, als sie es bei weniger saurem Wasser taten. Und sie starben auch schon bei höheren Sauerstoffgehalten."
    Um herauszufinden, weshalb die Fische unter sauren Bedingungen schon bei höheren Sauerstoffgehalten starben, schauten sich die Forscher den Atemtrakt an. Die Ährenfische besitzen Kiemendeckel, durch deren Bewegung sie mehr Wasser und damit Sauerstoff zu ihren Kiemen transportieren können. Seth Miller und seine Kollegen entdeckten, dass die Fische im kohlendioxidreichen und damit sauren Wasser diese Kiemendeckel weniger stark bewegen, als unter normalen Bedingungen. So bekommen sie weniger Sauerstoff und ersticken leichter. Warum sie das tun, wissen die Forscher noch nicht, sagt Miller:
    "Es muss etwas mit den Sensoren in den Kiemen zu tun haben, die dem Fisch sagen: 'hier ist wenig Sauerstoff, du musst den Kiemendeckel stärker bewegen'. Möglicherweise stört das Kohlendioxid diese Kommunikation. Aber das ist reine Spekulation!"
    Die Fressfeinde warten schon
    Die Kombination von viel Kohlendioxid und wenig Sauerstoff im Wasser bringt die Fische aber auch noch aus einem anderen Grund in Gefahr. Sie schwimmen unter diesen Bedingungen näher an die Oberfläche. Und dort lauern Vögel und andere Fressfeinde auf die kleinen Fische. Durch die zunehmende Versauerung der Ozeane und den schwindenden Sauerstoffgehalt des wärmer werdenden Wassers könnten die Populationen der Neuweltlichen Ährenfische einbrechen und aus einem großen Teil ihres Lebensraumes verschwinden. Miller:
    "Das könnte eine dramatische Lawine auslösen. Denn diese Arten sind sehr wichtige Futterfische für fast alle anderen Lebewesen der Küstengewässer. Wenn es insgesamt weniger Ährenfische gibt und sie an weniger Stellen vorkommen, könnte das auf das gesamte Ökosystem zurückstrahlen und auch die Zahl ihrer Fressfeinde einbrechen lassen."