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Piloten-Gewerkschafter Spürk
Air-Berlin-Arbeitsplätze erhalten, egal unter welchem Bieter

Die Stellen nach dem Verkauf der insolventen Airline im Land und auf anständigem Tarifniveau halten - das sei für die Air-Berlin-Beschäftigten das Wichtigste, sagte der Pilot und Gewerkschafter Robert Spürk im Dlf. Unter der Flagge welches Bieters oder welcher Bieter, sei da zweitrangig.

Robert Spürk im Gespräch mit Katja Scherer | 15.09.2017
    Ein Flugzeug von Air Berlin im Landeanflug auf den Flughafen Berlin-Tegel.
    Bei Air Berlin ist gerade so manches in der Schwebe. Auch die Verkaufs-Entscheidung über die insolvente Airline lässt noch auf sich warten - bis nach der Bundestagswahl. (AFP / Odd ANDERSEN)
    Katja Scherer: Die Piloten von Air Berlin haben in den vergangenen Tagen für Aufregung gesorgt. Am Dienstag und Mittwoch meldeten sich bis zu 200 Piloten auf einmal krank, sodass zahlreiche Flüge gestrichen werden mussten. Ich spreche nun mit Robert Spürk, Pilot bei Air Berlin und vor allem auch Vorstandsmitglied der Pilotenvereinigung Cockpit. Herr Spürk, jetzt nach Ablauf der Bieterfrist, wie ist Ihre Stimmung?
    Robert Spürk: Meine persönliche Stimmung ist angespannt wie in den letzten Tagen. Aber ich denke, jetzt werden wir hoffentlich dann in Kürze Klarheit darüber haben, wie die Lage für unsere Arbeitsplätze aussieht.
    Berichtete Zahlen falsch: 100 Piloten-Ausfälle, nicht 200
    Scherer: Blicken wir zurück auf die letzten Tage. Sie selbst waren ja in Urlaub diese Woche. Vielen Ihrer Kollegen wurde vorgeworfen, wild zu streiken. Hat sich das gelohnt?
    Spürk: Zum einen muss ich mal Ihre Zahlen korrigieren. Die Presse zitiert hier regelmäßig den Arbeitgeber, der von 200 Piloten, die sich kurzfristig krank melden, spricht. Das ist falsch. Wir kennen die Statistiken, wir können ja alle im Air-Berlin-Konzern online abrufen. Über den üblichen Krankenstand der Piloten hinaus haben sich in etwa 100 Kollegen krank gemeldet. Das ist nicht schön, das ist auch nicht richtig und wir haben als Vereinigung Cockpit Stellung bezogen, wie übrigens der Regierende Bürgermeister eben in Ihrem Beitrag auch, dass die Kollegen einen kühlen Kopf bewahren sollen. Aber es ist falsch, dass eine große Anzahl von Kollegen den Flugbetrieb lahmgelegt hätten.
    Scherer: Branchenexperten sagen, dass Piloten im Vergleich zum Boden- und Kabinenpersonal im Zweifelsfall deutlich einfacher neue Jobs finden. Ist das Jammern auf hohem Niveau bei den Piloten?
    Spürk: Nein. Wie gesagt: Zum einen wird nicht gejammert. Zum anderen sind wir uns durchaus bewusst, dass Flugzeuge von Piloten geflogen werden, dass aber dazu natürlich eine Verwaltung gehört, und wir reden hier von Leuten, die seit Jahren und Jahrzehnten mit uns in der gleichen Firma für die gleichen Ziele gearbeitet haben. Wir haben ein Sparprogramm nach dem anderen gemeinsam ertragen und die Piloten sind weit davon entfernt, sich von den Boden- oder Kabinenmitarbeitern zu distanzieren.
    Jobs in Deutschland erhalten und auf "anständigem Tarifniveau"
    Scherer: Mit Blick auf die Optionen jetzt nach dem Bieterverfahren – welcher Bieter ist denn Ihr Favorit?
    Spürk: Ich denke, es steht uns nicht zu, einen Favoriten zu nennen. Für uns sind drei Dinge wichtig: Zum einen der Erhalt von Arbeitsplätzen. Das sagte ja Herr Müller eben auch und das sagen im Übrigen alle, mit denen Sie sprechen. Auch unser Vorstandsvorsitzender Herr Winkelmann wiederholt das ja ein ums andere Mal. Zum zweiten wollen wir selbstverständlich die Arbeitsplätze an den Standorten erhalten. Dazu gehört selbstverständlich auch die Zentrale in Berlin. Nun spreche ich aber fürs Cockpit und für uns ist wichtig, dass diese Arbeitsplätze, da wir sehr mobile Arbeiter sind, in Deutschland bleiben und darüber hinaus von Deutschland aus selbstverständlich auch zu einem anständigen Tarifniveau weiter betrieben werden.
    Scherer: Was wäre für Sie die schlechtere Option, wenn Air Berlin zusammen bleibt, oder wenn es in Teilen verkauft wird?
    Spürk: Das möchte ich so ungern bewerten. Wenn wir eine Firma haben, die im Ganzen bleibt – da wurde ja auch von der Politik schon öfters gesagt, das Modell sei gescheitert –, dann hätte man zumindest nicht das Problem, als Gewerkschaft Lösungen finden zu müssen, welcher Mitarbeiter denn nun zu welchem Flugzeug gehört und wohin wandert. Das sind die Fragestellungen, die jetzt die Mitarbeiter umtreibt, wenn wir von zwei, drei Bewerbern sprechen: Wer behält dann welchen Arbeitsplatz und wo wird er nachher sein?
    Eine Verkaufsentscheidung erst nach der Wahl sei unbegründet
    Scherer: Eine endgültige Entscheidung zum Verkauf von Air Berlin soll jetzt am 25. September und nicht wie zunächst geplant am 21. September fallen, also erst nach der Bundestagswahl. Wie bewerten Sie diese Entscheidung?
    Spürk: Sehr kritisch. Ich denke, da gibt es keinen sachlichen Grund für, einen Termin, der lange feststand, auf ein Datum nach einer politischen Wahl, nach einer wegweisenden Wahl zu schieben. Sie haben mitbekommen, dass das Wirtschaftsministerium und das Verkehrsministerium beide sehr schnell reagiert haben, als die Insolvenz bekanntgegeben wurde. Natürlich wird kein Politiker sagen, dass er Einfluss nimmt, aber wir hätten uns schon gewünscht, dass ein Prozess und eine Entscheidung begleitet werden, und selbstverständlich hat auch die Bundespolitik daran Interesse zu haben, dass Arbeitsplätze in Deutschland bleiben, wenn dafür 150 Millionen Euro bereitgestellt werden.
    Scherer: Air-Berlin-Pilot und Gewerkschaftsmitglied Robert Spürk war das im Gespräch. Vielen Dank.
    Spürk: Danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.