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Mehr als eine Blogger-Konferenz

Veranstaltung.- In Berlin ist gestern die Mulitmedia-Konferenz re:publica zu Ende gegangen. In seiner vierten Auflage hat das Treffen auch Unternehmen und Vertreter der Politik angezogen.

Von Wolfgang Noelke | 17.04.2010
    Keiner der 2500 Teilnehmer war in der Lage, in den letzten drei Tagen alle 160 Veranstaltungen zu besuchen. Vernetzung wurde meist vor den Saaltüren praktiziert, wenn auch in den meisten Fällen nicht so extrem:

    "Es ist das erste Mal, dass ich auf der re:publica bin. Ich habe genau gar keinen Vortrag gesehen. Ich hatte einfach keine Zeit. Ich kam rein und habe tatsächlich Vernetzungsarbeit gemacht, mit Leuten gesprochen, bin angesprochen worden, habe Andere angesprochen"

    "Mich hat eher interessiert, was Social Media oder das Internet generell für Auswirkungen oder Einflüsse auf die Gesellschaftsbildung hat und was für soziale Faktoren in der Zukunft zu tragen kommen."

    Die Münchnerin Fousieh Balaghi-Mobayen kennt beide Kommunikationswelten: Die offene westliche, mit all den Möglichkeiten, ihre im Iran lebenden Verwandten trotz restriktiver Kommunikationssperren auch während der Unruhen zu erreichen:

    "Die Situation ist ja komplett eskaliert im Iran und die Telefonleitungen funktionierten nicht mehr. Also, für drei, vier Tage waren komplett die Leitungen gesperrt. Ich konnte meine Verwandten nicht erreichen. Und eigentlich hieß es auch, dass man nicht die Möglichkeit hat, über Facebook zu kommunizieren, weil die Seite gesperrt worden wäre, was aber nicht stimmte, weil auf irgendeine Art und Weise hatten die es dann doch geschafft, sich da irgendwie einzuhacken und ich konnte chatten, Mitteilungen schreiben und darum war ich sehr dankbar."

    In virtuellen Netzwerken kann man vermeintlich uninteressante Besucher solange wegklicken, bis man sich nur noch unter seines Gleichen befände, in einer Echokammer, in der man sich alle Entscheidungen von Suchmaschinen und Profilscannern abnehmen lassen könnte. Soweit kommt es jedoch nicht, sagt die Kommunikationswissenschaftlerin Prof. Miriam Meckel:

    "Wir haben ja jetzt schon die Situation, dass wir neben der digitalen Kommunikation die reale Kommunikation haben – und dadurch ergänzen sich ja auch sehr unterschiedliche Zusammenhänge. Das heißt, Sie bringen als Mensch natürlich die evolutionäre Zufallskomponente auch in die Kommunikation ins Netz hinein, ebenso wie einige algorithmisch-deterministische Kommunikationsformen oder Präferenzbildungen aus dem Netz, ja auch in unserem realen Leben eine Rolle spielen: Bücher kaufen wir zum großen Teil über Empfehlungen, die von Amazon kommen, die eben nicht durch evolutionäre Zufallskomponenten bestimmt sind, sondern algorithmisch berechnet werden. Bei iTunes und den Musikfolgen von Genius ist es dasselbe. Das heißt, jedes beeinflusst und befruchtet sich und ich glaube, dass wir einfach die Kombination brauchen. Dass man sich also nicht einfach vorstellt, man könne wirklich jede menschliche Lebensform und Entscheidungspräferenz irgendwann durch den Rechner vollziehen lassen. Dann kämen wir in dieses etwas schwierige deterministische Szenario, was eigentlich dem Menschenbild nicht entspricht und was auch keine Freiheit bietet."

    Deswegen seien Softwareentwickler sozialer Netzwerke gut beraten, den Zufall nicht wegzuprogrammieren, wie im Beispiel eines großen Bücherportals, das Frau Meckel die positive Bewertung eines Buches mit dem knappen Hinweis verweigerte: "This Object cannot be liked" - Dieses Objekt können Sie nicht mögen! Ein Beispiel dafür, dass Entwickler ihre Kunden nicht ernst nehmen. Künftige Geschäftsmodelle müssten garantieren, dass einzelne Personen jederzeit Eigentümer ihrer Daten bleiben und frei darüber entscheiden können, was mit diesen Daten geschieht:

    "Ich brauche die Daten und muss sie zur Verfügung stellen, um einige Dinge ermöglicht zu bekommen. Das ist für gewisse Geschäftsmodelle ja längst eine Grundlage, aber ich muss aber auch, wenn ich diese Beziehung nicht mehr haben will, berechtigt sein zu sagen, so, jetzt gebt mir meine Daten zurück und muss dann auch nachvollziehen können, dass die dann gelöscht werden, bei einem Unternehmen, bei einer Institution, bei einer Regierungsstelle oder so, um eben Herrin meiner eigenen Daten zu sein. Ich glaube, diesen Diskurs, den werden wir erleben, dass der sehr viel stärker geführt werden muss in Zukunft. Und das finde ich auch richtig so."

    Transparenz ist weiterhin eine der Hauptforderungen der re:publika- Teilnehmer. Bei einigen Unternehmern und bei der Bundesregierung scheint der Ruf angekommen zu sein. Sie sendeten hochrangige Fachleute zur Konferenz, die heute und morgen noch ihren Nachhall findet, in einer zweiten Veranstaltung namens "Hacks4Democrathy". Hier setzen Softwareentwickler das Gehörte gleich in die Tat um, beispielweise XML-Schnittstellen fürs E-Government.