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Mehr als nur ein Fußballspiel

Fußball hat sehr viel mit Politik zu tun. Das wird besonders deutlich, wenn heute beim WM-Qualifikationsspiel Kroatien und Serbien aufeinandertreffen: Ins Stadion in Zagreb dürfen nur Kroaten - zu groß ist die Angst vor Ausschreitungen. Das Verhältnis beider Länder ist angespannt.

Von Tim Gerrit Köhler | 22.03.2013
    Es war nur ein Foto, das die Emotionen hochkochen ließ: Ein Junge und ein Mädchen küssen sich. Das Besondere: Der Junge ist in eine serbische Fahne gehüllt, das Mädchen in eine kroatische. Dieses Bild aus dem Internet sorgte vor knapp zwei Wochen für Aufsehen. Nationalisten in Serbien und Kroatien waren außer sich. Von einer "Schande" war die Rede, von "Verrat".

    Die Empörung, die das Foto auslöste, wirft ein Schlaglicht auf die Stimmung vor dem WM-Qualifikationsspiel. Denn das Verhältnis beider Länder ist schwer belastet. Die Kroaten sind besorgt über die Regierung in Belgrad, die keine Gelegenheit auslässt, um nationalistische Töne zu spucken. Den Serben wiederum missfällt der Freispruch für Ante Gotovina in Den Haag.

    Der kroatische Ex-General ist in den Augen Serbiens ein Kriegsverbrecher. Umso mehr schmerzten sie die Jubelfeiern, mit denen er nach dem Urteil im November in seiner Heimat als Volksheld empfangen wurde. Doch genau das spielt vielen Politikern in die Hände, sagt Maja Micic. Sie leitet die Youth Initiative for Human Rights, eine Nichtregierungsorganisation in Belgrad:

    "Hier in Serbien gibt es niemanden aus der politischen Elite, der die Stimmung beruhigen würde. Im Gegenteil, sie benutzen sie, um ihre eigene Agenda voranzutreiben, um zu zeigen, dass es immer noch Hass gibt."

    In Serbien seien Politik und Fußball eng verknüpft, sagt Micic. Und das werde sich auch wieder beim Spiel in Kroatien zeigen.

    "Die sogenannten Fans werden jede Chance nutzen, um Chaos zu verbreiten, um gewalttätig zu werden, um dem Nationalismus zu huldigen. Und wer weiß, was danach passiert, wenn die Situation dort außer Kontrolle gerät?"

    Um das zu verhindern, dürfen nur Kroaten ins Maksimir-Stadion in Zagreb. Wer eine der knapp 40.000 Karten kaufen wollte, musste seinen Personalausweis vorlegen. Hooligans sollen schon an den Grenzübergängen gestoppt werden. Der kroatische Sportjournalist Zvonko Alac glaubt deshalb nicht, dass es zu Ausschreitungen kommen wird:

    "Ich denke, dass es ein viel größeres Sicherheitsrisiko gibt, wenn Hajduk Split gegen Dinamo Zagreb spielt, denn bei dieser Partie jetzt wird es ja keine organisierten Fans geben, weder aus Serbien noch aus Kroatien. Und wenn doch welche kommen sollten, dann werden es wohl nur kleine Grüppchen sein, die nicht weiter auffallen."

    Dennoch: Auch in Kroatien ist das Spiel schon seit vielen Tagen Thema Nummer eins. Schlagzeilen machte vor allem der Präsident des Hauptstadtclubs Dinamo Zagreb, Zdravko Mamic. Er war gegenüber dem Sportminister ausfallend geworden, der der serbischen Minderheit angehört. Er bezeichnete ihn unter anderem als "Kroatenhasser". Die Regierung bemühte sich rasch zu beruhigen. Präsident und Premier verurteilten die Äußerungen. Mamic wurde sogar vorübergehend festgenommen.

    Doch auch ein Vorfall vom vergangenen Sonntag heizte die Stimmung an: Kroatische Jugendliche hatten acht Seminaristen eines serbisch-orthodoxen Klosters angegriffen und einige von ihnen verletzt. Die Nerven liegen also blank - auch sportlich, denn für Serbien geht es um alles oder nichts. Nur mit einem Sieg kann das Land noch auf eine WM-Teilnahme hoffen.

    Doch die Kroaten gehen als haushohe Favoriten in die Partie. Ihr Cheftrainer Igor Stimac wünscht sich vor allem eines: ein Fußballspiel - und keine politische Demonstration.

    "Ich habe schon viele Botschaften an unsere Fans gerichtet, aber die wichtigste ist: Ihr helft uns am besten, wenn ihr eure Liebe und Unterstützung für Kroatien zeigt - und nicht Hass für den Gegner."