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Mehr als nur Lesen

Unterwegs, zu Hause, zwischendurch - Bilderbuch-Apps können überall und jederzeit genutzt werden. Die neue Lesetechnik steht bei Eltern und Kindern hoch im Kurs. Kein Wunder also, dass sich neben großen Verlagen auch junge Unternehmen auf den veränderten Markt einstellen.

Von Ines Dettmann und Thorsten Nötges | 25.05.2013
    So klingen Bilderbücher heute. Die nächste Generation des Vorlesens steht bereit, und es wird nicht mehr geblättert, sondern mit dem Finger aufs iPad getippt und gewischt. Apps für Kleinkinder gibt es sowohl von den klassischen Buchverlagen als auch von freien Entwicklern, die unabhängige Apps anbieten. Oetinger war der erste Verlag, der sich 2010 mit einer App zu den Olchis aus Schmuddelfing auf den Markt traute. Auch Carlsen brachte bald erste Apps mit der berühmten Bilderbuchfigur Conni heraus. Bastei Lübbe ist einer der großen Verlage, die in diesem Bereich mit Innovationen auftreten. Bilderbücher sind anders, als Bilderbuch-Apps, da ist sich Rita Bollig, Leiterin von Bastei Lübbe Entertainment sicher:

    "Der große Vorteil ist eben die Interaktivität, und dass man dann eben auch Lieder mitsingen kann, sich selbst aufnehmen kann, dass man Fotos von sich machen kann als Kind und das irgendwie hochladen kann. Man kann Apps auch sehr liebevoll gestalten und zu etwas Persönlichem machen. Man liest eine Geschichte und kann sich noch einmal eine eigene Welt dazu aufbauen."

    Laut Vorlesestudie der Stiftung Lesen aus dem letzten Jahr galten Tablet-PCs lange Zeit als Spielzeug junger Männer. Doch mittlerweile sind die Geräte weit verbreitet. In etwa 25 Prozent der untersuchten Haushalte gibt es Tablets, in etwa 81 Prozent Smartphones. Kinderbuch-Apps sind sehr bekannt, die Hälfte aller Eltern hat schon von ihnen gehört, knapp zehn Prozent nutzen sie schon. Und wer einmal Kinderbuch-Apps nutzt, bleibt meist auch dabei – die wenigsten probieren eine App aus und nutzen sie dann nur ein Mal.

    Das Angebot von Apps ist riesig. Der Markt ist schwer zu überblicken. Für Kinder gibt es: Vorlese-Apps, Wimmelbuch-Apps und Spiele-Apps mit Buchmotiven. Der Weg vom klassischen Bilderbuch zur App ist jedoch manchmal recht weit, weiß Rita Bollig:

    "Witzig ist zu sehen, dass die Apps, die in der Kategorie Bücher wirklich herausragend funktionieren, eben nicht von Verlagen kommen. Ich glaube, das liegt wirklich daran, dass sich Verlage immer noch oft an die Buchvorlagen halten, dass aber Buchvorlagen immer nur so mittelgut umzusetzen sind. Weil sie eben für ein anderes Medium geschaffen wurden, und man sich da wirklich angucken muss, wie kann ich das transformieren in so einem Medium wie der App, und dass Verlage auch immer noch das Bedürfnis haben, Geschichten zu erzählen."

    Die Stiftung Lesen kommt zu dem Schluss, dass Apps für Kleinkinder das Vorlesen selbstverständlicher machen. Apps lassen sich leicht in den Alltag von Familien integrieren – gerade auch in Situationen, in denen mit einem gedruckten Buch nur schlecht vorgelesen werden kann. Tablets sind sowohl in Haushalten mit formal niedriger wie auch formal hoher Bildung verbreitet. So können Bilderbuch-Apps das Vorlesen auch dort selbstverständlich machen, wo der Griff zum Buch nicht alltäglich ist.

    Bilderbuch-Apps stehen hoch im Kurs. Auch schon die Kleinsten verstehen schnell, wie die intuitive Steuerung von iPad und Co. funktioniert. Technische Geräte wecken anderes Interesse als herkömmliche Bilderbücher. Aber gerade das kann zu Konflikten führen. Denn: Wie setzt man als Eltern Grenzen? Wie lange dürfen Kinder am Computer spielen? Rita Bollig findet es wichtig, dass Eltern ihre eigene Position entwickeln:

    "Ich freu mich immer, wenn meine kleine Tochter wirklich sehr gut mit Apps umgehen kann und das tut sie auch. Wir lieben die 'Schlaf gut'-App. Ich finde, die ist auch sehr langsam erzählt, da kann man sich wunderschön reinfinden, da wird nachher das Licht ausgemacht und dann ist auch Schluss. Die andere Seite ist, dass Kinder dann natürlich zum Teil auch kein Zeitgefühl mehr haben und dann erst einmal gefesselt sind. Und dann kann es doch Geschrei geben, wenn man das iPad ausmacht. Das heißt, ich finde es schon wichtig, dass man sich überlegt, wie kann ich Zeit auch begrenzen? Wie kann ich dann auch eine Geschichte zu einem schönen Ende führen, dass es eben nicht so ist, dass das Kind immer und immer und immer weiter macht."

    Laut Stiftung Lesen stehen viele Eltern der neuen Lesetechnik sehr kritisch gegenüber. Sie bevorzugen das traditionelle Medium Buch, fürchten sich vor der neuen Technik oder lehnen Computer in den Händen von kleinen Kindern grundsätzlich ab.

    Trotzdem ist die "Schlaf gut"-App ein weltweiter Erfolg. Sie ist eine Besonderheit im Bereich Bilderbuch-App: seit mehreren Jahren auf dem Markt und immer noch ein Bestseller. Eine App als Gutenachtgeschichte für Kinder von ein bis vier Jahren.

    Wenn das im wahren Leben mal immer so einfach wäre. Kaum ist der Lichtschalter gedrückt, legen sich die Tiere brav hin, machen die Augen zu und fangen an zu schnarchen. Eins nach dem anderen: der Hund, das Schaf, die Ente, die Hühner, die Kuh. Die 2-D-Illustration und Animation von Heidi Wittlinger ist altersgerecht. Dass die Stimme des Erzählers Dieter Moor gehört, freut die Eltern sicher mehr, als die Kleinen.

    Was Apps den Bilderbüchern voraushaben, zeigt sich hier: Mit verschiedenen Update-Versionen schneit es zum Beispiel an die realen Jahreszeiten angepasst im Winter. Ein lustiger Nebeneffekt. Mehr nicht. Und noch etwas hat "Schlaf gut, kleines Schaf", geschafft: Weil die App so erfolgreich war, hat Ravensburger im letzten Jahr ein Bilderbuch aus der Geschichte gemacht. Hier kann man keine Lichtschalter drücken. Die Seiten sind so aufgeteilt, dass die Tiere auf der einen Seite wach sind und nach dem Umblättern schlafen. Allerdings wirkt die App hier einfach lebendiger, als das Bilderbuch. "Schlaf gut, kleines Schaf" ist eine liebevoll gestaltete Einsteiger-App, an der auch Eltern Spaß haben. Die Einschlafgarantie gibt es allerdings nicht als Update. Dafür müssen Eltern nach wie vor selbst sorgen.

    Der Buchmarkt funktioniert nach anderen Mechanismen, als der App-Markt. Bastei Lübbe reizt es, eine Vorreiterrolle auf diesem Gebiet einzunehmen, auch wenn der Verlag im Bereich Bilderbuch-Apps bisher nur mit einer kleinen Auswahl vertreten ist:

    "Wir sehen schon ein großes Potenzial in Apps. Wir glauben auch, dass sie ein Verlagsportfolio wunderbar abrunden. Wir glauben daran, dass man Inhalte in vielen Verwertungsformen auch für diverse Zielgruppen bearbeiten kann und das für einen Verlag dann auch zu einer schönen Erlössituation führen kann. Wir sehen aber auch, dass Apps ganz andere Voraussetzungen mit sich bringen als Bücher oder E-Books oder Hörbücher, und dass man sich da als Verlag noch mal neu positionieren muss, dass man vieles neu lernen muss, dass das aber wahnsinnig viel Spaß bringt. Man sieht ja auch, dass es in der Kategorie Bücher Apps gibt wie die "Schlaf gut"-App, die dann durchaus das Potenzial haben, sich 250.000 Mal zu verkaufen. Das heißt, es gibt da draußen Apps, die die Zielgruppe erreichen und mit denen man Geld verdienen kann."

    Was hat die App für die Nutzer, Leser und Vorleser über die Interaktivität hinaus für Potenziale? Bilderbuch-Apps sind oft von vornherein zweisprachig angelegt, viele Apps bieten sogar noch mehr Sprachfeatures an. Eine gute Voraussetzung für globale Erfolge in einer multimedialen Gesellschaft. Bastei Lübbe arbeitet darum an einem eigenen Konzept, das sich nicht an klassischen Bilderbüchern orientiert, sondern seine eigene Nische finden soll:

    "Ich glaube, uns ist es jetzt wirklich wichtig, auch mit der neuen App, die wir planen, uns auch einfach mal zu beweisen, dass wir Inhalte wirklich vom Inhalt her denken und die für die verschiedenen Verwertungsformen und für die verschiedenen Produkte auch optimal aufbereiten können. Also, dass man sich vielleicht auch mehr als ein Medienhaus sieht und alle Verwertungsformen auch relativ gleichberechtigt sieht und nicht mehr denkt, so, das Buch war früher das Leitmedium und da muss sich alles unterordnen, sondern sagt, der Inhalt ist jetzt sozusagen das Leitmedium und wir schauen einfach, wie sich die Produkte dann entwickeln."

    Der Inhalt sollte bei guten Bilderbüchern natürlich auch immer im Vordergrund stehen. Wie auch immer: Das Bilderbuch, egal ob aus Pappe oder Papier gehört dem Kind. Das Tablet gehört meistens den Eltern. Es ist im Anschaffungswert hoch und reagiert sensibler auf kindlichen Frust, Fettfinger oder Beißattacken. Darüber hinaus sind die Nutzungsbedingungen für Apps schwer zu durchblicken. Im Grunde bezahlt der Kunde eine Art Nutzungsrecht, die Apple, der Marktführer im App-Bereich, jederzeit widerrufen kann. Der Vorteil von Bilderbuch-Apps: Sie nehmen keinen Platz im Regal weg, beim Umzug muss man sie nicht schleppen und die Kinder sind gut unterhalten.

    Diese Bilderbuch-Apps haben uns auf jeden Fall gut gefallen. Sie sind für Kinder im klassischen Bilderbuchalter, von zwei bis sechs Jahren:

    "Emma macht Sachen" ist eine App für die ganz Kleinen. Jutta Bauers kleine Bärin Emma ist im Pappbilderbuch schon seit einigen Jahren unterwegs. In der roten Hose mit den weißen Punkten hat sie immer was zu tun: Sie lacht, sie spielt und sie weint. Jetzt ist das Bärenkind auch auf dem iPad unterwegs. Emma isst, probiert und stellt fest: Vieles schmeckt lecker, manches eben nicht.

    Die Sprecherin ist ein Mädchen. Das gibt der Bilderbuch-App einen besonderen Ton. Der Text reimt sich und hat Ohrwurmcharakter, wie es für kleine Kinder sein muss. Es gibt eine deutsche und eine englische Version. Der Seitenaufbau der Emma-App ist einfach gelöst. Durch Tippen bringt das Kind den Hintergrund, Möbel und schließlich die kleine Bärin selbst zum Vorschein. Das ist natürlich ein großer Spaß. Wenn man Emma mit Bohnen füttert oder sie sich zum Schlafen hinlegt, pupst sie zufrieden. Die Emma-App ist ab vier Jahren empfohlen. Thematisch ist die App aber eher für Kinder ab zwei Jahren geeignet. Mit 80 Animationen und 100 Sounds werden die Kinder nicht so schnell die Lust verlieren:

    Wimmelbücher sind seit Jahren der Hit für Kinder und Eltern. Mit Ralf Butschkow hat Bastei Lübbe das Prinzip für die Bilderbuch-App adaptiert. Das Pappbilderbuch ist im Baumhaus-Verlag erschienen. Die App ist für Kinder ab vier Jahren empfohlen. In diesem Fall kommen aber Kinder bis zehn Jahren voll auf ihre Kosten. Wie es geht, wird am Anfang gleich erklärt.

    Es wird nicht nur eine Geschichte erzählt, sondern die Kinder müssen Fehler in den Bildern suchen. Und das sind eine ganze Menge. Insgesamt 130 Stück. Um Lisa herum ist die Welt nämlich verrückt geworden: Ein Schneemann steht im Backofen, im Einkaufswagen schwappt ein See und ein Betonmischer streckt ihr die Zunge raus. Manchmal sind die Fehler allerdings richtig schwer zu finden. Darum gibt es eine Schummel Funktion: Die Kinder können sich die Fehler anzeigen lassen, wenn sie gar nicht weiterwissen. Dazu gibt es jede Menge Geräusche.

    Ganz ambitionierte Kinder können sich die Geschichte auch auf Englisch und Chinesisch vorlesen lassen. Alle drei Sprachversionen sind in der Bilderbuch-App verfügbar. Und der Suchspaß ist unendlich: Die gefundenen Fehler können für andere Familienmitglieder wieder unsichtbar gemacht werden. Diese App ist mehr als ein Bilderbuch: Eine gute Mischung aus Rätselspaß und Geschichte vorlesen. Genau richtig für Autofahrten, Arzttermine und andere langweilige Wartezeiten.

    Auch "Der kleine Pirat" ist ein Bilderbuchklassiker. Die Geschichte ist von Kirsten Boie, die Bilder sind von Silke Brix. Jetzt ist der kleine Pirat als Bilderbuch-App auf dem Markt: ein interaktives Spiel- und Leseabenteuer. Empfohlen für Kinder ab vier Jahren. Allerdings erfordert die Navigation doch einiges an Fingerspitzengefühl. Von der ursprünglichen Bilderbuchfassung bleibt nicht mehr viel übrig, außer dem kleinen Piraten selbst:

    Der kleine Pirat braucht unbedingt Hilfe: Das Piratenleben ist hart und keiner mag ihn. Also will er ein Fest feiern und jedem eine Muschelkette schenken. Und diese Muscheln sollen die Kinder mit ihm sammeln. Fünf Spiele mit zehn verschiedenen Schwierigkeitsgraden müssen die Kinder bestehen. Für alle Spiele bekommen sie Muscheln. Am Ende feiern alle zusammen ein Piratenfest.

    Dazu gibt es jede Menge Sounds. Mit einem Audiorekorder kann man seine Stimme aufnehmen und sich so die Geschichte selbst vorlesen. Die App "Der kleine Pirat" gibt es auf Englisch und Deutsch. Eine schöne Vermischung von Buch- und Spielewelt.

    Der neue Markt ruft auch unbekannte Entwickler und junge Unternehmen auf den Plan. Auch freie Entwicklerstudios wie das Kölner Start-up Ahoiii versuchen sich auf dem Markt. Ihre Bilderbuch-App mit dem Namen "Fiete" richtet sich an Kleinkinder zwischen ein und vier Jahren. Die Geschichte um den kleinen Matrosen Fiete ist schnell erzählt: Die Kinder helfen Fiete im Alltag. Ein Kutter muss beladen, Äpfel gepflückt oder Spiegeleier auf Vulkanen gebraten werden. Auf spielerische Art werden das motorische Geschick und die Kombinationsfähigkeit der Kleinen gefördert:

    Das handgezeichnete Angebot für Kleinkinder kombiniert 18 Szenen aus Fietes Alltag mit einer angenehmen Geräuschkulisse. Es gibt keine Werbung, keine externen Links oder anderen Dinge, die aus dem Spiel hinausführen, ablenken oder kostenpflichtig sind. Die Szenen sind einfach so angelegt, dass Eltern und Kinder gemeinsam die Welt des kleinen Seemanns entdecken.

    Eine Bilderbuch-App mit Ton, aber ohne Sprache, die Kinder rein intuitiv bedienen können. "Fiete" ist eine tolle und zu Recht auch schon preisgekrönte App. Für kleine und große Genießer, die genug Fantasie für eigene Texte haben. Für die Entwicklung der "Fiete"-App hat sich ein Team von zwei Designern und einem Programmierer zusammengeschlossen. Alle hatten Erfahrungen mit den digitalen Medien gesammelt. Der Bereich Bilderbuch-Apps interessierte sie als junge Eltern besonders, sagt Programmierer Karz von Bonin:

    "Am Anfang war wirklich die Idee, ein ganz ganz einfaches Spiel für kleine Kinder zu machen. Und so ist dann eben Fiete entstanden, dass wir gedacht haben, wir brauchen dann einfach eine Figur für die emotionale Bindung mit der Möglichkeit, dass diese Figur einfach emotionale Geschichten erzählen kann."

    Ein kleines Entwicklerstudio heißt in dem Fall: Eine gute Idee, ein gemeinsames Ziel, aber auch einen Arbeitsalltag zum Geld verdienen. Die Bilderbuch-App war ein Freizeit- und Feierabendprojekt, bei dem auch die Familie mithelfen musste, erinnert sich Designer Wolfgang Schmitz:

    "Also die App muss ja durchgetestet sein, ob es da irgendwelche Bugs gibt, ob sie irgendwo abstürzt. Kinder sind da sehr dankbare Tester, weil die drücken natürlich überall und mit allen Fingern und so weiter. Und dann sieht man: Oh, da ist ein blauer Bildschirm."

    Als die Bilderbuch-App dann fertig war, musste sie sich aber auch verkaufen. Das unabhängige Studio Ahoiii hat zunächst vor allem auf gut vernetzte Freunde und Mundpropaganda gesetzt, denn das ideale Werbekonzept für Apps kennt auch Wolfgang Schmitz noch nicht:

    "Marketing, das heißt die Sichtbarkeit, das ist so der Knackpunkt bei Apps. Im App Store gibt es unglaublich viele Apps und man muss irgendwie dafür sorgen, dass man auch selbst sichtbar ist. Das kostet natürlich zum Teil Geld. Und es sind kleine Beträge, die diese Apps kosten, deshalb braucht man schon eine ganze Weile, damit die Kosten quasi wieder drin sind, bevor man da Geld verdient."

    Die Konkurrenz im App Store ist riesig, die Verkaufspreise liegen bei ein paar Euro, und die Gewinnmargen sind vergleichsweise klein, weil Apple prinzipiell 30 Prozent von jedem Kauf als Gebühren nimmt. Warum hat das Kölner Unternehmen Ahoiii also eine Bilderbuch-App gemacht? Karz von Bonin weiß, warum "Fiete" kein Bilderbuch geworden ist:

    "Eine App kann alles, was ein Bilderbuch kann, oder vieles. Und eine App bietet uns natürlich viel mehr Interaktion. Wir kommen natürlich auch alle aus diesem interaktiven Feld, durch die Internetanwendungen, da war für uns ganz klar: Das muss eine App werden, mit der wir spielerisch auch ganz andere Ideen transportieren können."

    Das Kölner Studio Ahoiii sieht die Bilderbuch-App nicht als Ersatz von Büchern, sondern eher als Ergänzung. Ob Bilderbuch-Apps weniger buchaffine Familien zum Vorlesen bringen, kann auch hier niemand beantworten. Designer Wolfgang Schmitz sieht die Vorbildfunktion der Eltern als besonders wichtig an:

    "Wir begeistern unser Kind zu Hause auch dadurch für Bücher, dass wir ihm vorlesen. Und da sind Eltern auch angehalten, das zu fördern, also auch den Zugang zu Büchern zu geben und da eine digitale Entsprechung zu haben, und da vielleicht auch noch mal einen Push in die richtige Richtung zu geben, mit hoher Qualität, das finde ich da nicht falsch."


    Aus der Vorlesestudie der Stiftung Lesen geht auch hervor, dass Tablets und Apps das Buch nicht ablösen werden. Sie werden ergänzend genutzt. Denn Eltern differenzieren bewusst: die App für unterwegs, das Buch zum gemütlichen Kuscheln. Viele sehen in Apps auch zusätzliches Motivationspotenzial und eine spannende Erweiterung zum Buch, so die Studie. Allerdings sind auch viele lesebegeisterte Eltern zurückhaltend, ihren Kindern mit Apps vorzulesen. Bei wem wir jetzt Interesse geweckt haben, der kann sich im App Store die Gratis-App der Initiative Lesestart herunterladen. Zusammen mit dem Carlsen Verlag haben sie eine App entwickelt, in der es in bester Pixi-Manier nur ums Lesen geht und die so gleichzeitig ans Buch und die App heranführt.

    Unterwegs, zu Hause, zwischendurch – Bilderbuch-Apps können überall und jederzeit genutzt werden. Vorausgesetzt: Der Akku ist aufgeladen. Ein klassisches Bilderbuch hat nie Ladehemmung, höchstens mal abgeknickte Seiten. Und ein Tablet oder ein Smartphone sind teure Geräte, die es zwar in vielen Haushalten gibt, die aber nie zum Zwecke des Vorlesens angeschafft worden sind. Das Kind kann selten frei über die Geräte verfügen, während die Bilderbücher im Regal ihm alleine gehören. Bleibt am Ende von einer Bilderbuch-App also mehr als der technische Reiz und eine intuitive Wischerei auf dem Bildschirm, die nicht einmal mehr zielgerichtet sein muss? Interaktive Bilderbücher gibt es schon lange, zum Beispiel mit Klappen und Löchern, zum Drehen und Wenden, zum Schieben oder zum Finger durchstecken. Bei der Bilderbuch-App fehlen fast alle haptischen Reize, denn jede App hat dasselbe Format.

    Bilderbücher sind eben Bilderbücher. Ohne sie geht es eigentlich nicht und warum sollten nicht auch die jüngsten Leser das alte Medium Buch erst einmal selbst in die Hand nehmen? Seitenblättern ist eine Kulturtechnik, die nicht so schnell aussterben wird. Es lohnt sich also, sie möglichst früh zu erlernen. Mit Technik vertraut werden die Kinder früh genug.

    Bilderbuch-Apps für Kinder von zwei bis zehn Jahren:

    Jutta Bauer: Emma. Carlsen Verlag GmbH. Erhältlich für iPhone und iPad. Ca. 1,79 Euro (ab zwei Jahren).

    Kirsten Boie/ Silke Brix: Der kleine Pirat. Oetinger Verlag GmbH. Erhältlich für verschiedene Systeme. Ca. 4,69 Euro (ab vier Jahren)

    Ralf Butschkow: Wimmelbuch. Bastei Lübbe GmbH & Co KG. Erhältlich für iPad. Ca. 2,69 Euro (ab vier Jahren).

    Lesestart-App. Carlsen Verlag GmbH. Erhältlich für verschiedene Systeme. Kostenfreier Download (ab zwei Jahren).

    Wolfgang Schmitz: Fiete. Ahoiii. Erhältlich für iPhone und iPad. Ca. 2,69 Euro (ab zwei Jahren).

    Heidi Wittlinger & good beans: Schlaf gut, kleines Schaf. Das Einschlafbuch. Shape Minds and Moving Images GmbH. Erhältlich für verschiedene Systeme. Ca. 3,59 Euro (ab zwei Jahren).

    Bilderbücher:
    Jutta Bauer: Emma isst. Carlsen Verlag 2009. 5,99 Euro (ab 18 Monaten).

    Kirsten Boie/ Silke Brix: Der kleine Pirat. Oetinger Verlag 2012. 12,95 Euro (ab fünf Jahren).

    Ralf Butschkow: Da stimmt doch was nicht. Baumhaus Verlag 2012. 5,99 EUR (ab 4 Jahren).

    Heidi Wittlinger: Schlaf gut, kleines Schaf. Das Einschlafbuch. Ravensburger 2012. 9,95 Euro (ab 18 Monaten).