Donnerstag, 25. April 2024

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Abkehr von Intel
Apple wechselt Hardwareplattform

Der von Apple-Chef Tim Cook angekündigte Hardwarewechsel sei folgerichtig, meinte Dlf-IT-Experte Jan Rähm. Mit der Abkehr von Intel hin zu einer eigenen Hardwareplattform habe Apple nicht nur die maximale Kontrolle, sondern auch die Chance auf einen extrem leistungsstarken Mac.

Jan Rähm im Gespräch mit Manfred Kloiber | 27.06.2020
Apple Chef Tim Cook bei einer Produktvorstellung im September 2018 in Cupertino
Der bisherige Kooperationspartner von Apple, Intel, habe in der Vergangenheit viele Probleme gehabt, sagte Jan Rähm im Dlf (imago stock&people/Karl Mondon)
Manfred Kloiber: Der Apple-Konzern wechselt abermals die Hardwareplattform seiner Computer. Das hat Apple-Chef Tim Cook auf der hausinternen Entwicklerkonferenz WWDC bekanntgegeben. Mein Kollegen Jan Rähm hat die WWDC beobachtet. Jan, geben Sie uns einen kurzen Überblick vor allem über den Eröffnungsvortrag.

Jan Rähm: Die Keynote zur WWDC ist traditionell ein "Tech-Fest", gibt Ausblicke und Einblicke zu den kommenden Betriebssystem-Versionen, neue Hardware für Profis. Doch in diesem Jahr zeigte Apple keine neue Hardware, zumindest keine, die man einfach so kaufen kann. Der Fokus lag auf der Software für iPhone, iPad, Watch und natürlich den Mac. Es gab erneut ein sehr starkes und sehr überzeugendes Bekenntnis zu Sicherheit und Privatsphäre. Außerdem, das sei noch hervorgehoben bevor wir uns dem Mac zuwenden, wurde eine Öffnung des Smart-Home-Systems Homekit verkündet sowie eine weitreichende Kooperation mit Google, Amazon und zahlreichen anderen Smart-Home-Geräte-Herstellern.
Homekit ist künftig Open Source – das und die weitreichende Kooperation könnte zu einem Durchbruch im Segment Smart Home werden. Doch die wichtigste Nachricht von allen: Apple wechselt künftig von der x86-Prozessor-Plattform und seinem Stammlieferanten Intel auf eine ganz eigene, ARM-basierte Plattform. Der Name: Apple Silicon.
Wikipedia-Seite auf einem ipad 
Wikipedia-Seite auf einem ipad (picture alliance/dpa/Foto: Peter Byrne)
20 Jahre Open Source - Wie die freie Software die Welt veränderte
Open Source-Software ist in der Regel kostenlos und ihr Quelltext kann von jedem gelesen und verändert werden. Das Prinzip hat viele Vorteile, birgt aber auch Risiken. Der Begriff wurde erstmals vor 20 Jahren verwendet. Das Konzept ist jedoch wesentlich älter – und entstand aus Faulheit.
Ein großer Sprung für den Mac
"Der Mac hat in seiner Geschichte drei große Übergänge erlebt. Den Wechsel zu PowerPC, den Übergang zu Mac OS X und den Wechsel zu Intel. Und jetzt ist es Zeit für einen großen Sprung nach vorn für den Mac. Denn heute ist der Tag, an dem wir ankündigen, dass der Mac den Wechsel vollzieht: auf unser eigenes Apple Silicon."
So Apple-Chef Tim Cook auf der diesjährigen Entwicklerkonferenz WWDC. Genau 15 Jahre ist es her, dass Apple seine Computer von der PowerPC-Plattform auf die marktbeherrschende x86-Architektur umgestellt hat - schon damals ein Paukenschlag. Jetzt wechselt der Hersteller erneut die Architektur und setzt damit auf selbst entwickelte Prozessoren auf Basis der ARM-Architektur. Was der Hersteller erwartet und was einer der Gründe für den Wechsel waren, beschreibt der Apple-Technologe Johny Srouji:
"Der Mac wird ein ganz neues Leistungsniveau erreichen. Wenn wir über Leistung sprechen, dann müssen wir auch über Strom sprechen. Desktops liefern die höchste Leistung, verbrauchen aber auch den meisten Strom. Notebooks gehen einen Kompromiss zwischen Leistung und geringerem Stromverbrauch ein. Normalerweise muss man, um mehr Leistung zu erhalten, mehr Strom verbrauchen. Aber eigentlich möchte man höchste Leistung bei niedrigstem Stromverbrauch – und genau da wollen wir den Mac hinführen."
Und das geht nicht mehr mit universell einsetzbaren Prozessoren, wie sie eben Noch-Marktführer Intel herstellt. Ein Grund: Die Strukturen auf den Prozessor-Chips sind so klein geworden, dass elektrische Ladungen nicht mehr den vorgesehenen Weg nehmen. Christian Mayr entwickelt an der Technischen Universität Dresden Prozessoren und ist Professor für Hochparallele VLSI-Systeme und Neuromikroelektronik. Er erklärt:
"Leckströme ist da das Stichwort. Das heißt, ich will für eine gegebene Sache, die ich auf dem Prozessor tun will, irgendein Programm, was da abläuft, möglichst wenig Transistoren dafür haben, möglichst wenig Schaltelemente, weil jedes von denen in modernen Technologien zunehmend leckt. Das heißt, die ziehen die ganze Zeit Strom, sobald ich eine Betriebsspannung anlege. Und die Sache ist einfach, das Intel auf eine Architektur setzt CISC, Complex Instruction Set Computing, die in der Regel mehr Transistoren braucht, um eine gegebene Arbeit abzuarbeiten, als dass so eine RISC Architektur und so ein ARM zum Beispiel macht."
RISC beschreibt eine Architektur mit einem reduzierten Umfang an Befehlen, wodurch der Prozessor effizienter und mit weniger Transistoren entworfen werden kann. RISC-CPUs erfordern jedoch komplexere Software. So kann beim x86-Prozessor der Compiler, also der Übersetzer von Programm- zu Maschinencode vergleichsweise einfach sein, da der Prozessor komplexe Operationen selbst erledigt.
Stuttgart, 19.02.2020: Mit dem neuen Supercomputer Hawk am Höchstleistungsrechenzentrum Stuttgart HLRS erhält die Universität Stuttgart den schnellsten Rechner Deutschlands. 
Supercomputer Hawk - Deutschlands schnellster Rechner geht ans Netz
Der Superrechner Hawk besteht aus 11.000 AMD-Prozessoren, ist untergebracht in 44 Rechenzentrumsregalen und schafft 27 Billiarden Rechenoperationen in der Sekunde. Dadurch ergeben sich neue Möglichkeiten bei Simulationen, Datenanalyse und Maschinenlernen – nicht zuletzt für die Automobilindustrie.
Mehr Leistung, weniger Stromverbrauch
Beim RISC-Prozessor wie dem ARM dagegen muss der Compiler komplexe Befehle in einzelne Grundschritte zerlegen. Im Ergebnis aber werden dadurch Compiler und Prozessor deutlich effizienter. Auch das Lizenzmodell spiele laut Mayr eine Rolle. Intel verkaufe fertige CPUs, ARM hingegen eine Lizenz auf die Architektur. So könne Apple selbst das Design bestimmen, statt wie bisher Wünsche an den Hersteller äußern zu müssen. Fernab vom Massen- und Verbrauchermarkt sei der Wechsel von x86 zu ARM gar nicht so überraschend, beschreibt Christian Mayr die derzeitigen Trends in der Branche. Christian Mayr:
"Da machen alle möglichen Buden jetzt eigentlich genau das gleiche, Privatindustrie, das die sich eben Prozessoren maßschneidern, weil es eben diese allgemeinen Prozessoren, deren Zeit ist so ein bisschen am Abflauen aufgrund technologischer Beschränkungen. Ich würde Apple da nur als ein Zeichen dafür sehen, dass jetzt auch mal eine sehr große Bude praktisch die Zeichen der Zeit erkannt hat."
Rähm: Intel hatte keinen guten Lauf
Kloiber: Die Zeichen der Zeit erkannt – Jan, ist der Apple-Wechsel auf ARM das Ende des x86-Prozessor und der Beginn des Niedergangs von Intel?
Rähm: Sagen wir es so: Intel hat in den letzten Jahren keinen wirklich guten Lauf. Erst die ernsten Sicherheitslücken in seinen Prozessoren und dann konnte Konkurrent AMD in letzter Zeit mit deutlich effizienteren und leistungsfähigeren Prozessoren punkten. Das Ende des x86 ist aber sicher noch nicht da, auch weil mit Intel und AMD zwei Schwergewichte auf die Plattform setzen und universell einsetzbare Prozessoren bleiben auch weiterhin wichtig.
Aber spezialisierte CPUs drängen vor. Waren sie einst eher schwachbrüstigen Geräten vorbehalten, kommen Prozessoren auf Basis der ARM-Technologie zunehmend in Hochleistungsbereichen zum Einsatz, künftig eben in Apples mobilen und stationären Rechnern. Aber auch in Rechenzentren und Supercomputern werden solche CPUs zunehmend eingesetzt.
"Wechsel ist folgerichtig"
Kloiber: Wie ist der Wechsel strategisch für Apple zu bewerten?
Rähm: Der Wechsel ist folgerichtig und war schon seit geraumer Zeit erwartet worden. Für Apple ist es eine große Chance. Bei seinen mobilen Geräten hat der Hersteller schon seit rund zehn Jahren eigenentwickelte Prozessoren im Einsatz und man konnte die Evolution sehr gut verfolgen. Vom noch vergleichsweise einfachen Hauptprozessor A4 im iPhone 4 bis hin zum aktuellen A12 der als A12Z, der den Tablet-Computer iPad auf Augenhöhe bringt mit aktuellen Notebooks.
Und Apple belässt es nicht beim Hauptprozessor. Der Hersteller koppelt seine eigene hocheffiziente und höchst angepasste Grafikeinheit, Sicherheitschip wie den T2 und weitere spezialisierte und höchst effiziente Zusatzprozessoren, für einzelne Aufgaben. Auf diese Weise könnte der Mac zu einem der leistungsfähigsten Rechner im Endkundenmarkt werden. Und Apple zudem unabhängig von Chip-Herstellern, egal, wie sie heißen.
Rähm: Apple bekommt mit dem Wechsel maximale Kontrolle
Kloiber: Lohnt sich das für den Hersteller, eigene Entwicklungsabteilungen für die Hardware zu betreiben, die er nur selbst nutzt? Wird Apple künftig selbst zum Chip-Lieferanten für andere Hersteller?
Rähm: Mit Letzterem ist eher nicht zu rechnen. Aber es lohnt sich natürlich für Apple. Der Konzern ist dafür berühmt-berüchtigt, ein sehr gutes Verhältnis aus Umsatz und Gewinn zu genieren. Mit dem Wechsel jetzt bekommt Apple maximale Kontrolle und kann die Ausgaben für CPUs mit großer Sicherheit sogar senken. Denkbar wäre sogar noch, dass der Hersteller in Zukunft sogar den Lizenzgebühren für die ARM-Plattform aus dem Weg gehen könnte. Mit RISC-V entwickelt sich zunehmend eine leistungsfähige lizenzkostenfreie Open-Source-CPU-Architektur. Ich bin gespannt, ob Apple diesen Weg irgendwann einschlagen wird.
Intel-Macs und Apple-Silicon-Macs wird es eine Zeit lang parallel geben
Kloiber: Zum Schluss: Was bedeutet der Wechsel für Entwickler und Kunden?
Rähm: Entwickler werden ihre Mac-Programme künftig auch für ARM optimieren müssen. Aber Apple stellt alles Notwendige dafür zur Verfügung – sprich: Dokumentation, Entwicklungsumgebung und Hardware-Entwicklungskit. Zudem wird es wie beim Wechsel 2015 von PowerPC zu x86 eine Software geben, die x86-Programme auch auf ARM-Macs zum Laufen bringt.
Vor allem aber: Künftig kann Software für iPhones und iPads nahtlos auf Macs verwendet werden, was viele Entwickler erstmals auf den Mac bringen wird. Aber noch ist keine Eile: Apple hat angekündigt, auch künftig noch Intel-basierte Macs zu veröffentlichen. Daher, und damit sind wir bei Kunden, Intel-Macs und Apple-Silicon-Macs werden eine Zeit lang parallel zu haben sein. Apple verspricht zudem, Intel-Macs für längere Zeit zu unterstützen.