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Mehr Bewegung am Arbeitsplatz

Die Deutschen bewegen sich zu wenig, vor allem am Arbeitsplatz. Aber auch im Feierabend schnürt kaum einer die Laufschuhe. Nicht nur die Krankenkassen schlagen Alarm, ein Berliner Start-up sieht in der Motivation von Sportmuffeln bereits eine Marktlücke.

Von Philip Banse | 30.07.2013
    "Wenn jemand sagt, ich gehe heute früher, weil ich einen Yoga-Kurs mache, dann gibt es niemanden, der sagt: Ne, das passiert nicht."

    Schließlich gehört Bewegung im Betrieb zum Geschäftsmodell von Phillipe Bopps Firma MachtFit.de. Das Berliner Start-up will es Unternehmen und ihren Mitarbeitern erleichtern, Sport und Bewegung in den Alltag einzubauen. Das scheint auch dringend notwendig. Eine heute vorgestellte repräsentative Umfrage der Techniker Krankenkasse zeigt: Das Leben vieler Menschen ist weitgehend bewegungslos – vor allem am Arbeitsplatz. Laut der Umfrage sitzen die Deutschen im Schnitt sieben Stunden pro Tag, Berufstätige mitunter sogar mehr als neun Stunden. Tatsächlich seien die Deutschen aber noch statischer, sagt Meinungsforscher Manfred Güllner von Forsa, der die Umfrage für die Techniker Krankenkasse gemacht hat.

    "Wir wissen ja aus anderen Untersuchungen, wenn man differenziert abfragt und nicht nur grob einschätzen lässt, haben wir ja allein bei der Fernsehnutzung eine Zeit von über vier Stunden, wenn ich das Internet noch dazu rechne, komme ich auf weit über fünf Stunden. Also in Wahrheit ist die Sitzdauer noch größer, als die Befragten das hier angegeben haben."

    Tatsächlich würden sich zwei Drittel der Deutschen weniger als eine Stunde am Tag bewegen – der Gang zum Kopierer mit eingerechnet. Selbstständige würden Sport und Bewegung tendenziell schleifen lassen, Beamte dagegen bekämen beides sehr gut unter einen Hut. Die Umfrage offenbart auch: Deutschland bewegt sich regional sehr unterschiedlich. Kassenchef Jens Baas:

    "Man kann nämlich die feststellen, dass die Bewegung von Süddeutschland, nach Norddeutschland, nach Ostdeutschland immer weiter abnimmt. Das heißt der Süddeutsche bewegt sich noch relativ gerne, der Ostdeutsche schon gar nicht mehr. Das fanden wir relativ interessant."

    Eine Ursache für diesen von Süd nach Ost erlahmenden Bewegungsdrang lasse sich aus der Studie nicht herauslesen. Meinungsforscher Güllner witterte allerdings eine Erklärung, basierend auf anderen Untersuchungsergebnissen:

    "Die Bayern sind hochzufrieden. In Bayern, wo man keine Gebietsreform gemacht hat mit 2000 Gemeinden, die man da noch hat, hohe Zufriedenheit. Und umgekehrt wissen wir, dass in Ostdeutschland wir noch sehr viele haben, die sich als Verlierer der Einheit fühlen, das sind etwa ein Drittel der Ostdeutschen. Diesen Aspekt müsste man auch noch mal untersuchen: Inwieweit ist die allgemeine Lebenszufriedenheit ein Förderer für mehr Bewegung."

    Als wichtigste Gründe für die mangelnde Bewegung nennen die Befragten: Ich kann mich nicht aufraffen, ich habe körperliche Beschwerden oder schlicht zu wenig Zeit. Große Unternehmen wie Google und die Deutsche Telekom haben längst erkannt: Bewegung und Sport zahlt sich für alle aus. Große Firmen bieten Ihren Beschäftigten daher schon länger Fitnessräume, Duschen und Sportprogramme. Kleine und mittelständische Firmen könnten sich das nicht leisten, sagt Philippe Bopp von Machtfit.de. Mittelständler können beim Berliner Start-up für jeden Mitarbeiter Guthaben einzahlen, maximal 500 Euro pro Jahr. Damit können die Angestellten dann am Ort ihrer Wahl zertifizierte Sportangebote buchen - vom Yoga-Kurs bis zum persönlichen Trainer. Bewegung und Sport im Betrieb – das sei gar nicht so gefragt, sagt Philippe Bopp

    "Da gibt es einen einfachen Grund dafür: Wenn man sich überlegt, man teilt die Yogamatte mit dem Chef oder macht das mit den Kollegen, am nächsten Tag sitzt man mit Anzug und Krawatte im Meeting – das ist nicht jedermanns Sache."

    Doch auch wenn die Hürde sinkt – solche Angebote erreichen oft nur ohnehin Bewegungswillige. 50 Prozent der deutschen bewegen sich nur, wenn sie müssen, hat die Umfrage der Techniker Krankenkasse ergeben. Wie bringt man die auf Trab?

    "Ein starker Motivator ist das Thema Gruppenzwang",

    sagt der Chef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas.

    "Und das ist ein Hebel, den wir in Betrieben ganz gut nutzen können. Wenn wir eben nicht sagen, wir versuchen Dich zu überreden, heute Abend noch mal in unseren Kurs zu kommen, sondern indem wir sagen: Wir machen jetzt eine bewegte Pause in dem Betrieb – und zwar alle machen eine bewegte Pause. Oder wir machen eine Aktion, wo wir sagen: Diese Woche kommen alle mit dem Fahrrad – und zwar alle, bei denen das irgendwie drin ist. Oder alle steigen eine Station vorher aus. Das erzeugt einen gewissen Sozialdruck und der bringt einen dazu, so was mitzumachen."