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Mehr Elefanten in der Serengeti

Es ist wahrscheinlich nicht zuletzt dem 1960 mit dem Oscar prämierten Dokumentarfilm "Serengeti darf nicht sterben" von Bernhard Grzimek zu verdanken, dass der wohl berühmteste aller Nationalparks in Afrika erhalten blieb. Damals wollten Politiker Teile des Parks in Tansania verlagern, ungeachtet der Lebensgewohnheiten der Wildtiere. Aber schon wenige Jahre später stand die Serengeti wieder vor dem Aus: Diesmal waren es Wilderer, die die Tierbestände zu vernichten drohten. Das Problem hat man inzwischen weitgehend in den Griff bekommen.

Von Dagmar Röhrlich | 28.11.2006
    Das Brüllen der Löwen trägt weit in der Nacht. Ihre Jagd war erfolgreich, sie haben ein Gnu gerissen. In der Serengeti machen die großen Raubkatzen heute leicht Beute. Vor 30 Jahren war das anders, damals hatten Wilderer die Oberhand:

    "Die ganz schlimmste Wilderei, das war Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre, als diese Wildereiwelle durch Afrika durchging, die vor allem sich zuerst auf die Elefanten und auf die Nashörner konzentrierte. So verloren wir dazumal fast alle Elefanten, da gab es noch eine Gruppe von etwa 300 Elefanten im Zentrum des Parks."

    Markus Borner, Referatsleiter Afrika bei der Zoologischen Gesellschaft in Frankfurt, arbeitet sozusagen als "Grzimek-Nachfolger" in der Serengeti. Neben der Trophäenjagd grassierte damals die Fleischwilderei für den eigenen Kochtopf und den Verkauf auf dem Markt, erzählt er. Abertausende von Gnus und Zebras wurden abgeschlachtet. Die Ursachen für den Niedergang waren Armut - und Politik:

    "Das ist mit Sicherheit die Grenzschließung zwischen Tansania und Kenia, die dazumal zu einem völligen Zusammenbruch des Tourismus und damit eben auch zu einem Zusammenbruch aller Einnahmen für den Nationalpark geführt hat."

    1977, vor der Grenzschließung, besuchten mehr als 100.000 Touristen die Serengeti. Dann kam fast niemand mehr. Damit fehlten die Einnahmen für den Schutz des Nationalparks. Die Zahl der Patrouillen sank auf weniger als 60 im Jahr, heute sind es 20 bis 30 pro Tag. Die Wilderer hatten freie Bahn. Die Frankfurter Zoologische Gesellschaft sprang ein, gab Geld, um den Kampf um die Serengeti zu beginnen.

    "Es ging am Anfang vor allem um bessere Ausrüstung. Einen großen Park wie den Serengeti-Park kann man nicht einfach zu Fuß beschützen, da braucht man schon Wagen. Wir haben dann auch unpopuläre Projekte gemacht, zum Beispiel einer Garage zum Unterhalt der Fahrzeuge eingerichtet, das ist eigentlich sehr schwierig in einer Naturschutzumwelt zu erklären, aber es ist sehr wichtig für die Serengeti, den ohne funktionierende Fahrzeuge kann man den Park nicht beschützen."

    Die Wildhüter wurden besser ausgebildet - und gut bezahlt. Inzwischen kommen Jahr für Jahr wieder mehr als 100.000 Touristen, um die Tiere der Serengeti zu sehen. Ihre Eintrittsgeldern spülen sechs Millionen Euro in die Kassen. Während die Hälfte der Einnahmen die weniger besuchten Nationalparks Tansanias subventioniert, wird die andere Hälfte zum Schutz der Serengeti eingesetzt:

    "Davon werden dann Löhne bezahlt, Benzin gekauft, Ausrüstung angeschafft. Auch die Leute ausgebildet und so weiter. Und das alles hat dazu geführt, dass die Wilderei heute ziemlich unter Kontrolle ist. Ganz unter Kontrolle wird sie wahrscheinlich nie kommen, auch weil die Leute, die in der Umgebung der Serengeti leben, ja auch sehr arm sind."

    Inzwischen leben hier wieder 4000 Elefanten. Die Trophäenjagd ist vorbei, und auch die Fleischwilderei hält sich in Grenzen. Das belegen Zählungen: Die Herden wachsen, man könnte sich sogar einen kontrollierten Abschuss leisten. Die derzeit größte Gefahr für die Serengeti sieht Markus Borner nicht in der Wilderei, sondern im Klimawandel. Denn zwei Millionen Tiere hängen während der Trockenzeit einzig und allein vom Mara-Fluss ab - und der droht künftig zu versiegen.