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Mehr Frauen in Unternehmensspitzen

In Norwegen gilt seit 2008 für knapp 500 Aktiengesellschaften eine 40-prozentige Frauenquote in Aufsichtsräten. Firmen, die dagegen verstoßen, drohen hohe Strafen. Auch in Frankreich denkt man nun laut über eine Frauenquote in börsennotierten und staatlichen Unternehmen nach.

Von Margit Hillmann | 13.08.2009
    Der Firmensitz des französischen Unternehmens "Women's Forum" in der mondänen Pariser Rue Royale: eine große blonde Frau, Ende 50, sitzt in einem hellen, modern eingerichteten Büro am Schreibtisch. Sie ist die Chefin des Unternehmens. Aude de Thuin ist eine erfolgreiche Geschäftsfrau. Sie hat Women's Forum vor knapp fünf Jahren gegründet und mit dem Organisieren von Kongressen in Europa, Asien und den USA zum Thema Frauen in Wirtschaft und Gesellschaft einen weltweiten Ruf erlangt. Sie setzt sich öffentlich immer wieder dafür ein, dass Frauen auch in den Chefetagen großer Wirtschaftsunternehmen ihren Platz bekommen. Doch ein Frauenquotengesetz, für das sich die französische Familienministerin ausgesprochen hat, hält Aude de Thuin bestenfalls für eine Notlösung.

    "Ich ziehe Kompetenz als Kriterium den Quoten vor. Ich wünschte mir, die Unternehmen würden sich selbst darüber bewusst werden, dass mehr Frauen in der Unternehmensführung ihrem eigenen wirtschaftlichen Interesse dienen. Aber da die Realität nicht so ideal aussieht, wird man sie leider mit einem Gesetz zwingen müssen. Allerdings bin ich gegen ein zeitlich unbegrenzt geltendes Gesetz, das sowieso ein Großteil der Unternehmen nicht einhalten wird."

    Die Unternehmerin wünscht sich eine Softversion, ein - wie sie es nennt - "provisorisches Quotengesetz", das den Druck auf die Unternehmen vorübergehend erhöht, ihnen aber gleichzeitig die Möglichkeit lässt, eine andere Personalpolitik vorzubereiten. Denn, ist Aude de Thuin überzeugt, es stünden gar nicht genug Frauen zur Verfügung, um innerhalb weniger Jahre 40 Prozent der Posten in den Verwaltungs- und Aufsichtsräten zu besetzen.

    Dieses, von Wirtschaftsvertretern und Unternehmern häufig vorgebrachte Argument, lässt Brigitte Grésy nicht gelten. Die Beamtin der Generaldirektion für Soziales, die den Bericht zur Situation der Frauen in der französischen Wirtschaft im Auftrag des Arbeitsministers erstellt hat, glaubt, dass französischen Unternehmen vor allem der ernsthafte Wille fehle.

    "Das Argument, es stünden nicht genügend Frauen zur Verfügung, kommt jedes Mal, wenn es um Frauenquoten geht. Als es um das Gleichstellungsgesetz in der französischen Politik ging, hat man uns auch gesagt, ihr werdet nicht genug Frauen finden, um die Quoten zu erfüllen. Es haben sich aber ohne Probleme Kandidatinnen gefunden - für die Kommunalwahlen, die Europawahlen und die französischen Regionalwahlen."

    Genauso wenig haltbar ist für Brigitte Grésy die häufig geäußerte Kritik, dass Frauenquoten auf Kosten der Kompetenz gingen.

    "Die Quotenregelung bevorzugt nicht schlechte Kandidatinnen zum Nachteil kompetenter Bewerber. Nach dem europäischen Quotenkonzept werden die Stellen mit Frauen gleicher Qualifikation besetzt, bis die Quote erreicht ist. Es ist die einzige Möglichkeit, die Männerclubs der Unternehmensspitzen zu zerschlagen, die nach wie vor die Jobs unter sich verteilen. Mit einer Logik, die einer strikten Quotenregelung sehr nahe kommt. Da sollten sich auch jene Frauen drüber im Klaren sein, die jetzt noch sagen: Ich will keine Alibifrau sein."

    Die Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen haben in Frankreich einen Frauenanteil von zehneinhalb Prozent. Nimmt man den Durchschnitt der 500 größten französischen Unternehmen, sind es nur noch acht Prozent, wobei über die Hälfte der 500 Unternehmen ganz ohne Frauen in den Aufsichtsgremien auskommt. Im Gegenzug machen die Frauen Dreiviertel der prekär Beschäftigten in Frankreich aus, obwohl sie im Durchschnitt besser ausgebildet sind als Männer. Ein Missverhältnis, das sich in Krisenzeiten mit hoher Arbeitslosigkeit noch verschärfen könnte. Dabei spräche die Wirtschaftskrise - da sind sich Quotenbefürworterin Brigitte Grésy und die Quoten-skeptische Unternehmerin Aude de Thuin einig - für mehr Frauen in den Unternehmensspitzen. Nicht weil sie die besseren Menschen sind, sondern weil sie vorsichtiger sind, sagt Aude de Thuin:

    "Unser Unternehmen hat dazu Studien in Auftrag gegeben. Alle Studien belegen, sobald mehr als drei Frauen in den Entscheidungsgremien der Unternehmen sitzen, verändern sich Unternehmenspolitik. Denn die Frauen gehen mit wirtschaftlichen Risiken sehr viel vorsichtiger um und agieren auch eher auf längere Sicht."

    Doch die französische Unternehmerin ist alles andere als sicher, dass die Entscheidungsträger der französischen Wirtschaft zum Umdenken bereit sind. Zumal nicht mal die Regierung - die sich jetzt für Frauenquoten in der freien Wirtschaft starkmacht - mit gutem Beispiel vorangehe, beschwert sich Aude de Thuin: Bei der letzten Regierungsumbildung Nicolas Sarkozys Ende Juni wurden von insgesamt 18 Ministerposten nur vier an Frauen vergeben.