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Mehr Geld und trotzdem nichts zu verteilen

Der Staat nimmt mehr Geld ein und hat trotzdem keins übrig - das ist die Botschaft von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zur jüngsten Steuerschätzung. Die Prognose ergab im Vergleich zur Novemberschätzung ein Plus von fast 30 Milliarden Euro für Bund, Länder und Gemeinden bis Ende 2016.

Von Andreas Baum | 10.05.2012
    Die Steuereinnahmen steigen, was auch so vorhergesagt worden war, die Steuerschätzung aber besagt, dass selbst die optimistischen Prognosen aus dem November übertroffen werden. Für den gesamten Finanzplanungszeitraum bis 2016 wird der Trend leicht nach oben korrigiert. In diesem Jahr sind es 4,6 Milliarden Euro mehr, davon 2,3 Milliarden für den Bund. FDP-Chef Phillip Rösler glaubt deshalb, dass schon 2014 ein ausgeglichener Haushalt ohne neue Schulden möglich ist. Bisher strebt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble dies für den Bund bis 2016 an. Dies scheint nun wieder einmal zum Greifen nahe.

    "Das Ergebnis der Steuerschätzung spiegelt wider die insgesamt erfreuliche Entwicklung für unser Land, für alle Gebietskörperschaften, für Bund, Länder, und Gemeinden. Wir haben moderate Steuermehreinnahmen, das Ergebnis belegt, dass wir insgesamt den richtigen Mix in der Finanzpolitik aus Konsolidierung, Reduzierung der zu hohen Defizite und Wachstumsimpulsen haben."

    Ob die steigenden Steuereinnahmen wirklich eine Folge der Regierungspolitik sind oder ausschließlich konjunkturelle Gründe haben, darüber scheiden sich heute die Geister, genauso wie an der Frage, was nun mit dem zusätzlichen Geld geschehen soll. Wolfgang Schäuble sieht sich Begehrlichkeiten von allen Seiten ausgesetzt, geht es nach ihm, sollen jetzt hauptsächlich die Haushalte saniert werden, die spätestens seit der Finanzkrise in Schieflage sind.

    "Wir sind mit diesen Steuereinnahmen auf der Grundlage der wirtschaftlichen Entwicklung in der Lage, Schritt für Schritt die zu hohe Neuverschuldung schneller zurückzuführen, als das durch die Schuldenbremse des Grundgesetzes vorgegeben ist. Wir bleiben deutlich von den Mindestanforderungen des Grundgesetzes."

    Trotzdem: Das weltwirtschaftliche wie und europäische Umfeld bleibt schwierig. Solange nicht geklärt ist, wie die Krise für Griechenland ausgeht, sollten, das fordert die Opposition, sichere Rücklagen vorhanden sein. Gleichzeitig gibt es Forderungen nach Steuersenkungen. Obwohl Schäuble dies ungern tut, muss er nun teilweise einlenken.

    "Deswegen ist es richtig und auch möglich, die Auswirkungen der kalten Progression zu korrigieren, wir haben auch beschlossen, das Schritt für Schritt zu tun."

    Die von SPD und Grünen regierten Länder wollen das dazugehörige Gesetz wegen der damit verbundenen Mindereinnahmen allerdings im Bundesrat stoppen. Auch Städte und Gemeinden warnen davor, jetzt die Ausgabendisziplin zu vergessen, Steuerausfälle können sie sich noch weniger leisten als der Bund. Die Sozialdemokraten glauben Schäuble die guten Zahlen nicht ohne Weiteres. Die Regierung rechne sich reich, so der Befund von SPD-Fraktionsvize Joachim Poß. Und der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, warnt: Wolfgang Schäuble surfe auf der Welle der guten Weltkonjunktur.

    "Die Frage, die sich jetzt stellt ist, was passiert mit dem Geld? Für uns als SPD ist klar, dass wir erstens vorsichtig mit den Schätzungen umgehen wollen. Zum zweiten muss man sehen, dass der Bund immer noch eine extrem hohe Verschuldung hat. Wir fordern, dass die Steuermehreinnahmen zu 100 Prozent für die Tilgung der Schulden eingesetzt werden."
    Damit müssten zumindest Teile der Union eigentlich einverstanden sein, denn der Haushaltsexperte der CDU, Norbert Barthle, fordert dies ebenso. Und die Grünen halten die Mehreinnahmen für niedriger, als sie erscheinen. Ihre Haushaltsexpertin Priska Hinz rechnet der Koalition vor, es fehle ihr der Mut zu echten Reformen.