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Mehr Schaden als Nutzen?

Vom Schaden für den Innovationsstandort Deutschland reden die einen, einen Angriff auf Landwirtschaft und Lebensmittel befürchten die anderen. Seit heute steht in Karlsruhe das Gentechnikgesetz auf dem Prüfstand.

Von Susanne Arlt | 23.06.2010
    Vor fünf Jahren hatte das Land Sachsen-Anhalt gegen das Gentechnikgesetz geklagt. Der damalige Wirtschaftsminister Horst Rehberger sah darin ein Gentechnikverhinderungsgesetz. Der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen würde unverhältnismäßig erschwert, wetterte der FDP-Politiker. 2002 hatte er seinem Land eine Biotechnologieoffensive verordnet. Sie sollte Sachsen-Anhalt zum führenden Standort für Biotechnologie ausbauen. Dazu der heutige CDU-Wirtschaftsminister Reiner Haseloff, der die hohe Förderungsquote grüner Gentechnik längst auf ein Mittelmaß reduziert hat.

    "Ich selber würde sicherlich aus heutiger Sicht diesen Antrag so nicht stellen. Aber inzwischen habe ich gemerkt, dass eigentlich alle Beteiligten ein Interesse haben, dass zum bundesdeutschen Gentechnikgesetz an bestimmten Stellen Rechtsklarheit herbeigeführt wird. Dass auch die Branche an bestimmten Stellen Planungssicherheit bekommt bis hin auch zum Fördergeschäft."

    Die 143 Seiten dicke Klageschrift wurde von einer Wirtschaftskanzlei erstellt, die auch schon für den Agrarproduktehersteller Monsanto tätig war. Monsanto ist einer der größten Hersteller von genetisch verändertem Saatgut. Der juristische Streit dreht sich vor allem um eine besondere Haftungsbestimmung. Demnach müssen Gentechnik-Landwirte für die wirtschaftlichen Schäden ihrer Nachbarn aufkommen, wenn auf deren Ackerflächen genveränderte Pollen landen. Dabei spielt es jedoch keine Rolle, ob die Gentechnik-Landwirte auch wirklich die Verursacher sind. Diese Bestimmung wollen wir kippen, sagt Uwe Schrader, Mitglied der sachsen-anhaltischen FDP. Denn diese Regelung verlagere das Haftungsrisiko einseitig auf den Landwirt, der gentechnisch verändertes Saatgut anpflanzt. Das aber verstoße gegen die Berufsfreiheit, glaubt Schrader. Doch wesentlich problematischer findet der Befürworter grüner Gentechnik das sogenannte Standortregister. Dort muss jeder Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen flurstückgenau aufgelistet werden. Zugang zu diesem Register hat jeder. Damit werde gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht verstoßen, sagt Schrader und fügt an: Politisch motivierter Feldzerstörung werde damit doch Tür und Tor geöffnet.

    "Es ist tatsächlich so gewesen, dass mit der flurstückgenauen Darstellung Feldzerstörern, kriminellen Straftätern der Weg gewiesen wurde direkt zum Feld, um die Zerstörung durchzuführen. Und es kommt ein anderer Aspekt hinzu. Wenn Sie das Flurstück im öffentlichen Register haben, ist es relativ einfach über jedes Grundbuchamt die Eigentumsverhältnisse rauszubekommen."

    Dies alles schrecke Landwirte und würde doch dazu führen, dass sie künftig gar nicht mehr zum Anbau genveränderter Pflanzen bereit seien, glaubt Uwe Schrader. Naturschützer hingegen fürchten eine schleichende Kontamination durch genetisch veränderte Pflanzen. Sollte das Bundesverfassungsgericht die strengen Auflagen streichen, würde dies mit einer Lizenz zur Kontamination einhergehen, glaubt Oliver Wendenkampf, Landesgeschäftsführer des BUND in Sachsen-Anhalt. Er pocht darauf, dass der Anbau genveränderter Pflanzen kennzeichnungspflichtig bleibt.

    "Wenn dieses Gesetz in dieser Passage kippt, erfährt niemand mehr, ob das jetzt ein Gentechnikprodukt ist oder nicht. Und man kann noch nicht einmal nachprüfen, wenn die Gentechnikindustrie sagt, wir haben jetzt in Deutschland in diesem Jahr so und soviel Tausend Hektar Fläche mit Gentechnik angebaut und deswegen ist das in der Tat ein Frontalangriff, dann wird Gentechnikanbau im Geheimen stattfinden, und das kann nicht Sinn der Sache sein."

    In der mündlichen Verhandlung sollen nach Angaben des Gerichts Kritiker wie Befürworter der Grünen Gentechnik zu Wort kommen. Wann Karlsruhe ein Urteil fällen wird, ist noch unklar.