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Mehr Steuergerechtigkeit in der Kultur

Die EU fordert von Deutschland, den verminderten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent im Kunsthandel anzuheben. Finanzexperte Aloys Prinz betont, dass von dieser Änderung vor allem der gewerbliche Kunsthandel durch professionelle Händler betroffen sei. Ein "Eingriff in die Kulturhoheit" sei aber nicht erkennbar, so Prinz.

Aloys Prinz im Gespräch mit Michael Köhler | 03.04.2012
    Michael Köhler: Der Gesetzgeber hat im Umsatzsteuergesetz deutsche Theater, Orchester, Chöre, Museen und gleichartige Kultureinrichtungen von der Umsatzsteuer befreit, begünstigt Kultur also. Der ermäßigte Steuersatz von aktuell sieben Prozent ist im Kulturbereich etwa für Bücher oder "Darbietungen ausübender Künstler" vorgesehen.

    Kurz gesagt: Ein Dirigent, Sänger, Schauspieler gilt als ein solcher "ausübender Künstler", nicht jedoch ein Regisseur, Bühnenbildner, Beleuchter, Maskenbildner und so weiter. Nun verlangt Brüssel von Berlin, den verminderten Mehrwertsteuersatz für Kunsthandel bis Sommer aufzuheben beziehungsweise anzupassen und zu erhöhen.

    Verbandsvertreter und Kulturpolitiker wehren sich seit Wochen. Das sei ein Standortnachteil, es verteuere die Warenabgabe, der Künstler würde geschwächt. Monika Grütters etwa, Vorsitzende des Bundestagskulturausschusses, sagte in unserem Programm vor vier Wochen:

    "Ein Wesenszug deutscher Kulturpolitik ist die Förderung der Künstler, der Kreativen. Das ist ein Herzstück deutscher Kulturpolitik, wo zwei Instrumente ganz, ganz wichtig sind: einerseits die Künstlersozialkasse und andererseits eben der reduzierte Mehrwertsteuersatz. Insofern kann ich nur sagen, das ist schon, geht ins Mark der Kulturnation, wenn wir hier nachgeben müssten."

    Köhler: Sagt Bundestagskulturausschuss-Vorsitzende Monika Grütters.

    Ich habe darüber mit dem Münsteraner Finanzwissenschaftler Aloys Prinz gesprochen, der gerade zwei Bücher veröffentlicht hat - "Abgebrannt" heißt das eine, "Staatsverschuldung" das andere -, und ihn gefragt: Teilen Sie diese Einschätzung, dass die Künstler dadurch geschwächt werden, oder ist das eine längst fällige EU-Harmonisierung?

    Aloys Prinz: Nun hat sich ja Deutschland darauf eingelassen, Mitglied der EU zu sein, und damit verlieren wir auch gewisse Eigenständigkeiten im Umsatzsteuerrecht. Und damit einher geht eben das Problem, dass wir offensichtlich hier, was den Kunsthandel betrifft - wie gesagt, die Betonung liegt auf Kunsthandel durch professionelle Händler -, dass wir dort offensichtlich eine Regelung in Deutschland haben, die mit dem EU-Umsatzsteuerrecht nicht kompatibel ist, und das heißt, wir müssen das vermutlich ändern. Ich glaube nicht, dass wir da große Freiheitsgrade haben. Zumindest in diesem Punkt, was den Kunsthandel angeht, werden wir das wohl anpassen müssen, weil ansonsten eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof droht, der uns dann dazu zwingen wird, unter Umständen mit einer Geldstrafe, diese Regelung anzupassen.

    Köhler: Sie haben es schon in Ihrer Antwort deutlich betont: Es geht um den Kunsthandel, also um das gewerbliche Handeln, was ein Gewerbetreibender macht. Das ist ja irgendwo auch nachvollziehbar. Trotzdem hat der Künstlerbund und viele Vertreter, Bundesverband der Galerien, vor einer Verteuerung gewarnt, vor einer Verlagerung von Umsätzen gewarnt und vor einem Eingriff in die Kulturhoheit. Können Sie diese Einwände teilen?

    Prinz: Nun sind das eine ganze Reihe von Komplexen, die man nacheinander am besten abhandelt. Zunächst einmal: Eingriff in die Kulturhoheit kann ich da eigentlich nicht erkennen. Es geht um den Kunsthandel und nicht, was jetzt als Kultur gilt, und es geht auch nicht darum, ob Kultur öffentlich subventioniert werden soll oder kann und so weiter. Das wären schon Eingriffe in die Kulturhoheit. Aber es geht doch nur um die Umsatzsteuer, und insofern sehe ich da auch keinen Eingriff in die Kulturhoheit.

    Köhler: Die Bundestagskulturausschuss-Vorsitzende Monika Grütters hat in unserem Programm den Brüsseler Vorstoß ebenfalls abgelehnt. Künstlerförderung, sagt sie, laufe bei uns wesentlich über Mehrwertsteuerminderung. Das sei ein kulturpolitisches wichtiges Instrument. Ist es das auch aus Ihrer Sicht, oder gäbe es andere mögliche Wege?

    Prinz: Zunächst einmal halte ich die Umsatzsteuer für denkbar schlecht geeignet, um bestimmte Bereiche zu fördern, weil man nie genau weiß, wo der Vorteil denn landet, ob er wirklich denn bei den Künstlern landet, oder ob er bei den Verbrauchern landet. Zum Beispiel ist es ja so, dass eben die Besteuerung sich schon umsatzsteuerrechtlich danach unterscheidet, ob ein Erwerb im Kunsthandel, oder direkt vom Künstler erfolgt. Wenn man direkt ein Kunstwerk vom Künstler erwirbt, hängt es davon ab, ob der Künstler Kleinunternehmer ist, oder ganz normaler Unternehmer ist, und wenn er Kleinunternehmer ist, ist der Steuersatz null, beziehungsweise er ist umsatzsteuerlich nicht relevant, er ist befreit. Das ist doch schon mal eine Regelung, die auch allgemein gilt und die auch Sinn macht.

    Wenn man aber den Kunsthandel einbezieht - und es geht ja nur um den Kunsthandel -, da gibt es doch große Probleme, und zwar zum Beispiel, dass auch jetzt schon der Erwerb zeitgenössischer Kunstgegenstände, die mit neuartigen Ausdrucksmitteln oder Techniken hergestellt wurden, ...

    Köhler: Sie spielen auf Fotographie an.

    Prinz: Zum Beispiel. - ..., dass die schon zu 19 Prozent besteuert werden müssen, jetzt schon in Deutschland. Und ich habe nicht gehört, dass da der Markt für diesen Teil der Kunst zusammengebrochen sei - im Gegenteil. Ich kann das einfach nicht erkennen, dass hier so große Probleme entstehen sollen. Natürlich ist es eine Änderung und jede Änderung, die vor allem mit einer Steuererhöhung einhergeht für den Bereich, erfordert Anpassungsreaktionen der Beteiligten.

    Köhler: Ich spreche mit Ihnen nicht, weil Sie Kulturpolitiker sind, sondern Finanzwissenschaftler und mehrere Bücher, gerade wieder ein neues, über Staatsverschuldung vorgelegt haben oder Schuldenkollaps. Große Frage zum Schluss: Kann man durch so eine Maßnahme, wie beispielsweise den Mehrwertsteuersatz für Kunsthandel raufzusetzen, für mehr Steuergerechtigkeit sorgen, also soziale Balance herstellen und Abbau von Staatsschulden, oder ist das ein bisschen viel verlangt?

    Prinz: Also das ist auch wieder auf der anderen Seite zu viel verlangt. Ich denke, hier geht es nur darum, um zunächst einmal eine Anpassung an EU-Recht, die rechtliche Aspekte hat, die vom Ökonomischen her gesehen wahrscheinlich von den Steuermehreinnahmen nicht sonderlich ins Gewicht fallen wird, insofern eher der Gleichmäßigkeit der Besteuerung dient und wenn Sie so wollen aber auch der Steuergerechtigkeit dient, obwohl ich das Wort lieber nicht in den Mund nehmen würde in diesem Zusammenhang. Das ist einfach dafür nicht bedeutend genug.

    Köhler: Sagt der Münsteraner Finanzwissenschaftler Aloys Prinz, der gerade vor wenigen Tagen ein neues Buch über Staatsverschuldung vorgelegt hat.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.