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Mehr Streiks in Portugal
VW-Mitarbeiter wehren sich gegen Wochenendarbeit

VW setzt in Portugal auf das Werk Autoeuropa. Dort wird das neue Modell T-Roc produziert. Die Arbeiter wehren sich allerdings gegen die Forderung, auch samstags arbeiten zu müssen. In Portugal ist das kein Einzelfall.

Von Tilo Wagner | 02.02.2018
    Schild "VW Autoeuropa" an einer grauen Wand eines Fabrikgebäudes.
    Das VW-Werk südlich von Lissabon trägt ein Prozent der portugiesischen Wirtschaftsleistung (dpa/picture alliance/Ralf Hirschberger)
    Wenn es im VW-Werk Autoeuropa nicht rund läuft, rückt das Thema schnell in den Mittelpunkt der portugiesischen Öffentlichkeit. Die populärste politische Talkshow "Prós e Contras" hat dem Konflikt im Volkswagenwerk nun schon wieder eine ganze Sendung gewidmet. Die Aufregung ist verständlich: Denn das Werk trägt ein Prozent der portugiesischen Wirtschaftsleistung. 5.700 Mitarbeiter sind hier, südlich von Lissabon tätig, so viele wie in keinem anderen portugiesischen Werk.
    Autoeuropa stehe zudem für eine erfolgreiche Kooperation zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, sagt Manuel Carvalho da Silva. 25 Jahre lang stand er an der Spitze des kommunistisch beeinflussten, größten portugiesischen Gewerkschaftsdachverbandes CGTP.
    Auch andere Unternehmen und Behörden betroffen
    Die Auseinandersetzung im VW-Werk, so Silva, stehe jedoch auch für eine allgemeine Entwicklung in Portugal:
    "Es gibt einige große Unternehmen, die die Rechte der Arbeitnehmer einschränken wollen. Sie beziehen sich auch auf die Arbeitsmarktreformen, die unter internationalem Druck in den Krisenjahren durchgesetzt wurden. Und gleichzeitig bewirkt der aktuelle Wirtschaftsaufschwung, dass die Menschen besser leben wollen, mit mehr Gehalt, mehr Rechten, mehr Ausbildungsmöglichkeiten und einer besseren Gesundheitsversorgung."
    Dass Tarifkonflikte in Portugal häufiger werden, ist die direkte Folge. Der Druck kommt dabei auch von Beschäftigten der öffentlichen Verwaltung: Lehrer, Krankenschwestern und Justizbeamte haben zu Streiks aufgerufen. Seit Jahren warten die staatlichen Angestellten auf eine Gehaltserhöhung, automatische Beförderungen gibt es seit 2010 nicht mehr.
    Seit zwei Jahren regieren die Sozialisten. Sie haben bereits eine Reihe von Verbesserungen umgesetzt. Die Gehalts- und Rentenkürzungen aus den Krisenjahren wurden vollständig zurückgenommen, der Mindestlohn ist seit 2015 von 505 auf jetzt 580 Euro angehoben worden und gleichzeitig wurde die Arbeitszeit im öffentlichen Dienst von 40 auf 35 Stunden gesenkt.
    Streikende Arbeiter des öffentlichen Dienstes schwenken Fahnen auf einer Demonstration in Lissabon am 18.11.2016
    Eine Demonstration von Angestellten des öffentlichen Dienstes im November 2016. Seit Jahren warten die staatlichen Angestellten auf eine Gehaltserhöhung, und seit 2010 gibt es keine automatischen Beförderungen mehr. (DPA / Nuno Fox)
    Eigenartige portugiesische Sparpolitik
    Da die Regierung gleichzeitig das Haushaltsdefizit spürbar senken will, müssen die gestiegen Kosten im Personalbereich allerdings anderswo aufgefangen werden: Der Finanzminister kürzte öffentliche Investitionen und zog große Teile der Budgets einzelner Ministerien ein. Darunter leide jedoch die Bevölkerung, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Pedro Braz Teixeira:
    "Die Regierung hat eine eigenartige Strategie verfolgt: Die Gehälter im öffentlichen Dienst wurden erhöht und mit einer Sparpolitik der Behörden gegenfinanziert. Die Leistung, die der öffentliche Dienst erbringen soll, wird also schlechter und die Öffentlichkeit leidet unter dem Sparzwang in den Ministerien."
    Mehr Druck und mehr Streiks?
    Der Druck der Gewerkschaften auf die Regierung könnte in den kommenden Monaten noch zunehmen. Dahinter vermutet der ehemalige Gewerkschaftsführer Silva auch eine politische Agenda. Die Kommunisten stützen zusammen mit zwei weiteren kleineren Linksparteien die sozialistische Minderheitsregierung. Politisch scheint sich das nicht auszuzahlen. Sie haben bei den Kommunalwahlen im vergangenen Herbst eine deutliche Niederlage hinnehmen müssen:
    "Es ist möglich, dass die Kommunistische Partei nach der Wahlschlappe nun auf eine andere Strategie setzt. Sie will zwar weiterhin zu dem Linksbündnis stehen, aber gleichzeitig die eigene Position deutlicher machen. Denn die Kommunisten und die anderen Linksparteien fürchten, dass sie in der aktuellen politischen Konstellation bei den Wählern ihr Profil verlieren könnten."