Freitag, 19. April 2024

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Mein Klassiker
Christoph Sonntag: "Wie wenn dir ein Engele uff die Zong brunst"

Christoph Sonntag ist als Kabarettist für seinen schwäbischen Zungenschlag bekannt. Auch seine Klassiker stammen aus dem Ländle: Bei Gaisburger Marsch und einem Porsche 911 überwältigen ihn "Gefühle, die wo man nicht beschreiben kann".

Aufgezeichnet von Helga Spannhake | 12.01.2016
    Der Kabarettist Christoph Sonntag bei einem Bühnenauftritt
    Der Kabarettist Christoph Sonntag (picture-alliance/ dpa)
    Mein Name ist Christoph Sonntag. Ich bin Kabarettist. Ich arbeite vor allem im wilden Süden der Republik und mein Klassiker ist, dass ich mich nicht entscheiden kann. Ich habe zwei Klassiker, den Porsche 911 und den Gaisburger Marsch.
    Klassiker Nr. 1: Gaisburger Marsch
    Es ist ein unheimlich schmackhafter, sehr würziger Eintopf, der durch die Kombination von Zwiebel, Fleisch, aber auch Kartoffelschnitz und Spätzle einfach eine Melange im Mund macht, das ist, wie wenn dir ein Engele uff die Zong brunst. Auf Hochdeutsch: Wie wenn dir ein engelsgleiches Wesen auf die Zunge uriniert, also Leut, das geht ja nur auf Schwäbisch, oder.
    Es ist so, wenn ich in ein schwäbisches Lokal gehe und ich habe vor, ich esse einen Fisch oder einen Gemüseteller und einen Salat und ich sehe auf der Karte Gaisburger Marsch, dann bin ich fällig.
    Meine Kinder sagen, das ist ein typisches Wintergericht, das man nur einmal machen darf im Jahr, wenn es minus 20 Grad hat, weil sie es einfach nicht mehr sehen können, weil ich es wahrscheinlich zu oft für sie gekocht habe. Ich mache das regelmäßig, so alle sechs Wochen produziert Papa einen Gaisburger Marsch, in einem Riesentopf, den dann wirklich kaum einer mitisst. Und ich esse ihn dann halt zur Hälfte allein, den Rest frier ich ein und mache ihn mir dann nach der Show warm. Ich bin wirklich fanatisch nach dem Essen, ich gebe es zu und ich habe die Familie verprellt. Also, sie weiß gar nicht mehr, ob es ihnen schmeckt. Sie können es einfach nicht mehr sehen.
    Ich bin ein Koch, der, wie es heißt, Schmackhaftes produziert, das auch erstaunlich schnell hinkriegt, aber die Küche kann man nachher nicht angucken. Ich kriege da immer Ärger, wenn ich dann an Arbeiten bin, dann merke ich nicht, dass eine Soße runterläuft oder dass irgendwie noch Schalen auf dem Boden liegen. Man muss danach eigentlich mit dem Kärcher-Hochdruckreiniger ran.
    Klassiker Nr. 2: der Porsche 911
    Also, ich meine natürlich den alten, der damals als ich ein sechs-, siebenjähriger Junge war, Anfang der 70er-Jahre, der ab und zu auf der Straße stand. Es ist, wenn ein schwäbischer Junge offene Augen und Verstand hat, dann läuft er irgendwann an diesem Auto vorbei, streichelt über den Lack und denkt, wenn ich mal ganz groß bin, dann fahr ich dich mal.
    Ich gönne mir den Luxus, das ich mir manchmal im Sommer, zwei, drei Monate ein offenen Cabrio miete und dann denke ich einfach, ist das herrlich.
    Es ist so, als Kabarettist hat man immer dann zu tun, wenn andere schon im Freibad liegen, gerade im Sommer. Du fährst dann zum Auftritt von Stuttgart nach Konstanz runter und du freust dich ja auf die Menschen, aber es brennt die Sonne und alle anderen baden. Und so ein offenes Auto, das dann auch so durch den Windschutz so geschützt ist, dass du sogar richtig schnell fahren kannst. Du kannst sogar mit deiner Mama telefonieren. Die spürt gar nicht, dass du in einem offenen Auto bist. Und dann sitzt du in diesem Auto und die Sonne bratzelt dir auf die Stirn und du hast auch deinen Sonnenbrand gekriegt und du bist trotzdem zur Arbeit gefahren. Des sind Gefühle, die wo man nicht beschreiben kann.
    Gleichzeitig ist es auch ein Widerspruch zu meinem ökologischen Grundgedanken. Ich war wirklich anfangs, als sich die Grünen gebildet haben, da war ich fürs Umweltmagazin "Natur" tätig. Ich habe damals einen Aufkleber auf dem Auto "100 wegem Wald" und habe es auch eisern durchgezogen. Ich bin eisern 100 gefahren und habe mich überholen lassen und habe gedacht, das muss ich dem Wald zuliebe tun.