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"Meine Eltern hatten all diese Vorurteile"

Zu Zeiten der Apartheid waren Beziehungen zwischen Schwarzen und Weißen in Südafrika verboten. 1985 wurden die Rassengesetze aufgehoben, doch Paare müssen auch heute mit Vorurteilen ihrer Verwandten und Freunde leben.

Von Leonie March | 02.01.2010
    Die Hauptstraße von Brixton, einem Viertel von Johannesburg: Schwarze Südafrikaner und Einwanderer aus Asien gehen hier ihren Geschäften nach. Weißen begegnet man eher im angrenzenden Melville oder abends in Klubs - wie dem Kulturzentrum Nsako. Dessen Besitzer Sifiso Ntuli, ein schlanker 47-Jähriger mit kariertem Hemd und schwarzer Hose, schließt gerade die Tür auf. An einem ähnlichen Ort habe ich meine Freundin Ashley kennengelernt, erzählt er mit einem Lächeln:

    "1996 treffe ich in einem Klub, in dem sie Reggae und afrikanische Musik spielen, einen Freund in Begleitung einer Frau namens Ashley Heron. Ich unterhalte mich mit ihr, ein wirklich interessantes Gespräch. Inzwischen haben wir zwei Kinder, einen Jungen und ein Mädchen, eine Bilderbuchfamilie. Ashley und ich stammen zwar aus unterschiedlichen Kulturen, haben verschiedene Hautfarben, aber in vielerlei Hinsicht sind wir uns sehr ähnlich; zum Beispiel darin, was wir vom Leben erwarten und wie wir aufgewachsen sind. Es geht also darum, mit wem man sich versteht, und nicht, ob man schwarz oder weiß, Deutscher oder Südafrikaner ist."

    Zwei Straßen weiter lebt das Paar mit seinen Kindern. Ashley, eine dunkelhaarige schlanke Frau, tritt mit einer Tasse Kaffee in den kleinen Garten vor ihrem Haus. Es war Liebe auf den ersten Blick, sagt sie.

    "Zwei Wochen, nachdem ich Sifiso kennengelernt hatte, habe ich es meiner Mutter am Telefon erzählt. Ich sagte, dass es jemanden gebe, und sie freute sich richtig. Doch dann fragte sie, wie er heißt und ich antwortete Sifiso. Meine Mutter sagte eine Weile gar nichts und fragte schließlich, ob er schwarz sei. Ich bejahte und sie flippte vollkommen aus. Wir haben danach eine furchtbare Zeit durchgemacht. Meine Eltern hatten all diese Vorurteile: dass er nur mein Geld will, dass er nicht treu sein würde und dieser ganze Mist. Es war ein schmerzhafter Prozess. Meine Mutter hat mich zum Beispiel nicht besucht, während ich mit meinem Sohn schwanger war. Mein erstes Kind. Das war schon seltsam."

    Erst nach der Geburt, damals sind Sifiso und Ashley schon über vier Jahre ein Paar, lernen die Eltern den Partner ihrer Tochter kennen. Das Verhältnis verbessert sich langsam. Ashleys Eltern beginnen die Beziehung zu akzeptieren. Inzwischen sind sie stolze Großeltern, sagt die 42-Jährige, und respektieren Sifiso als Mann an ihrer Seite.

    Diese Erfahrung ist kein Einzelfall. Fast alle Paare stoßen innerhalb der Familie des weißen Partners auf Ablehnung. Meistens ändert sich das erst mit der Heirat oder der Geburt der Kinder, betont Psychologin Emily Mapula Mojapelo-Batka, die ihre Doktorarbeit über Mischehen und -beziehungen in Südafrika geschrieben hat und selbst seit über 20 Jahren mit einem Weißen zusammen lebt.

    "Erstmal leistet die Familie Widerstand, manchmal geht das so weit, dass jemand enterbt wird. Ähnliche Reaktionen gibt es auch in den traditionellen schwarzen Familien, die noch an die Macht der Ahnen glauben. Sie sind überzeugt, dass ihre Vorfahren die Beziehung nicht gutheißen, den weißen Partner nicht anerkennen. Das hat nach ihrem Glauben schwerwiegende Folgen, denn wer die Ahnen verärgert, wird in seinem Leben nur noch Pech und Misserfolg haben. Dagegen steht bei der Ablehnung weißer Familien der Verlust des gesellschaftlichen Status im Vordergrund."

    Was sollen wir bloß unseren Freunden sagen? - Das sei eine der größten Sorgen ihrer Eltern gewesen, betont auch Ashley. In Sifisos Familie habe sie sich dagegen direkt herzlich aufgenommen gefühlt.

    "Wenn ich zum Beispiel zu einem seiner Familientreffen gehe, dann fasziniert das die Leute. Sie wollen mich kennenlernen und mit mir sprechen. Wenn ich dagegen Sifiso zu einer ähnlichen Veranstaltung mitnehme, meiden uns die Leute entweder oder sie wollen direkt über Politik diskutieren und entschuldigen sich geradezu für die Vergangenheit."

    Auch gut 15 Jahre nach den ersten demokratischen Wahlen in Südafrika wirken die bleierne Zeit der Apartheid und die geschürten Vorbehalte gegen die anderen Bevölkerungsgruppen noch spürbar nach. Die Mehrheit der Bevölkerung bewegt sich weiterhin in den bekannten Kreisen mit derselben Hautfarbe. Nelson Mandelas Traum einer Regenbogennation existiert nur in den größeren Städten und innerhalb der Mittelschicht, meint Emily Mapula Mojapelo-Batka.

    "In meiner Studie haben mir einige Paare erzählt, dass sie sich in einer kosmopolitischen Umgebung, wie Sandton in Johannesburg am wohlsten fühlen. Denn hier fallen sie nicht auf. Keiner starrt sie an. In ländlichen Gegenden dagegen müssen sie sich abfällige Bemerkungen anhören."

    Auch Sifiso Ntuli und Ashley Heron haben damit ihre Erfahrungen gemacht - während der Ferien und in Johannesburg. Ignoranten - das ist das einzige Wort, das sie für diese Landsleute übrig haben. Manchmal allerdings machen die Vorbehalte den Alltag schwer, erzählt Sifiso. Das Paar musste lange nach einem Haus suchen. Viele Vermieter erfanden abenteuerliche Entschuldigungen, sobald sie die beiden zu Gesicht bekamen. Auch in Brixton war der Anfang nicht einfach.

    "Einmal, da waren wir gerade eingezogen und hatten noch keine Kinder, sind wir abends ausgegangen. Als wir spät in der Nacht wieder nach Hause kamen, hatte jemand die Garage mit einem dicken Vorhängeschloss versehen. Ein echter Sabotageakt. Solche Dinge sind öfter passiert, aber wir haben uns nicht einschüchtern lassen. Wir wohnen jetzt seit über zwölf Jahren in diesem Haus und wir lieben es."

    Unsere Kinder, fügt Ashley hinzu, mussten zum Glück noch keine Erfahrung mit Ablehnung und Ausgrenzung machen. Sie kennen die Apartheid nur aus Erzählungen, gehen mit Kindern aller Hautfarben in die Schule. Mischehen könnten also schon in dieser Generation zu etwas ganz Normalem werden.

    "Ich glaube daran, sofern wir sie nicht mit unseren Unsicherheiten belasten. Mal sehen, was passiert, wenn meine Kinder erstmal 13 oder 14 sind. Aber ich denke schon, dass Beziehungen wie unsere dann viel normaler sein werden."