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"Meine Kinder haben gezittert vor Kälte"

Zaatari ist das größte jordanische Lager für syrische Flüchtlinge. Mehr als 60.000 Menschen leben hier. Im irakischen Domez sind es 40.000 Flüchtlinge, unter ihnen auch viele Kurden. Alle hoffen auf Frieden in Syrien und eine baldige Rückkehr in ihre Heimat.

Von Ulrich Leidholdt | 24.02.2013
    Auf den ersten Blick erinnert das Gewusel an einen x-beliebigen Basar, einen arabischen Suq. Bude an Bude, Stand an Stand. Frauen prüfen Obst, Gemüse und Kleidung, Männer trinken Tee oder rauchen Wasserpfeife. Mohammed schenkt Kaffee auf einem roh gezimmerten Holztresen aus. Coffeshop-Besitzer Mohammed:

    "Ich kann nicht meckern. Das Geschäft läuft ganz gut. Kaffee, Cappuccino, Nescafé. Wir nehmen nicht viel, den Leuten geht's ja nicht so gut - 25 Cent der Becher. Das ist der erste Coffee-Shop in Zaatari, das Freiheitscafé. "

    Zaatari - nicht der Suq von Damaskus. Marktstraße nennen sie die planierte Fläche zwischen unzähligen Zelten. Zaatari, mitten in der jordanischen Wüste, neun Quadratkilometer Flüchtlingslager, 9000 Zelte und Container, Zwangsheimat für wohl 60.000 aus Syrien, soviel wie in Kaiserslautern oder Frankfurt/Oder leben. Nur dass das keine normalen Einwohner sind. Das wird im Gespräch mit Kaffeebudenbetreiber Mohammed schnell klar. Mohammed:

    "Ich war in Assads Knast. Sie haben mir die Fußnägel ausgerissen. Als ich raus war, bin ich hergekommen. "

    Der beinahe idyllische Eindruck der Marktstraße entsteht auch deshalb, weil gerade mal die Sonne scheint und es trocken bleibt. Das war in den Wochen bei Minusgraden, Dauerregen und sogar Schnee völlig anders. Mutter einer 10-köpfigen Familie:

    "Die Kälte, überflutete Zelte, das Wasser stand so hoch. Decken, Matratzen - alles nass. Zwei sind ertrunken. Meine Kinder haben gezittert vor Kälte. Es ist schlimm. Zwei Babys sind gestorben. Wasser im Zelt, furchtbar. Auf nen Krankenwagen wartest Du einen Tag. Da ist Dein Baby tot, bevor er da ist."

    Eine Decke pro Flüchtling schützt kaum vor Kälte und Wind. Öfen sind wegen der Feuergefahr nicht erlaubt. Dennoch brennt jeden zweiten Tag ein Zelt. Vor einem Container eine hundert Meter lange Schlange - alles Frauen. Kleidung soll hier verteilt werden. Mehrere Frauen:

    "Wir brauchen was Warmes. Es ist so kalt."
    "Zwei aus meiner Familie sind krank."
    "Überall Wasser, sogar in den Containern."
    "Wir sterben bei dieser Kälte, kriegen nichts und haben kein Geld."

    Die Hälfte im Lager Zaatari sind Kinder
    Vor sechs Monaten wurde Zaatari auf einem früheren Militärgelände aus der staubigen Wüste gestampft. Damals plagten über 40 Grad Hitze und ständige Sandstürme die Flüchtlinge. Heute müssen sie mit Nässe und Kälte das andere Extrem ertragen.

    "Das ist ein Flüchtlingslager - nicht perfekt, die Leute sind nicht glücklich "

    Weiß UN-Lager-Chef Andrew Harper:

    "Das Wichtigste ist doch, ihnen Sicherheit und halbwegs Würde zu geben mit leider beschränkten Mitteln.

    Manche sind verwundet sagt Melissa Fleming von der UN-Flüchtlingshilfe. Viele Kinder, oft allein - da ist jede Menge Hilfe nötig.

    Die Helfer aus verschiedenen Nationen geben alles - doch bei zuletzt 3000 Neuankömmlingen pro Tag stoßen sie an Grenzen muss Stefan Tahn vom deutschen THW zugeben:

    ""Wir versuchen unser Möglichstes. Im Moment so, dass Flüchtlingsströme schneller als wir arbeiten können."

    Was das heißt, wird beim Rundgang deutlich. Fertigbauten sollen als Schule dienen. Immerhin sind die Hälfte im Lager Kinder. Doch das unerträgliche Wetter ließ verzweifelte Flüchtlinge zur Selbsthilfe greifen - sie besetzten die Schule.
    "Regen, Schnee, die Zelte überflutet. Deshalb sind wir hier in der Schule. Wir haben Kinder, aber keine Heizung - und keine Rechte. Es werden schon Sachen verteilt, aber nicht hier, sondern bei den Containern von den Saudis. Hier in der Schule gibt's nichts."

    Container lösen allmählich viel zu dünne Sommerzelte ab. Inzwischen sprechen sie in Zaatari von der Altstadt, wo die Zelte stehen und der Neustadt mit stabileren Containern, schachbrettartig in Reih und Glied. Sandwälle und die vom THW angelegte Drainage sollen Überflutungen künftig verhindern.

    Keine Solidarität unter den Flüchtlingen
    Es gibt Gemeinschaftsküchen, Wasch- und Sanitärräume. Alle versuchen sich irgendwie zu arrangieren mit dem tristen Lagerleben. Überall wird gehämmert und geschraubt - sie haben Werkzeug, Bleche und Holz aufgetrieben, bieten ihre Dienste als Friseur und Bäcker an, verkaufen Zigaretten, Falafelbällchen oder Knafe, die teuflisch süße arabische Spezialität. Ein Gemüsehändler:

    "Das Geschäft läuft einigermaßen, sagt dieser Gemüsehändler. Alles kostet mehr als in Syrien. Die Sachen sind aus Jordanien, die Preise sehr hoch - sie nutzen unsere Lage aus. Deshalb können sich nur sehr wenige im Lager das leisten."

    Da bricht aus manchem dann die blanke Verzweiflung raus. Flüchtling:

    "Um Gottes Willen, wo sollen wir hin? Wir wären lieber tot als hier bleiben zu müssen."

    Städter und Landbevölkerung. Zaatari ist ein Mix quer durch die syrische Gesellschaft. Eine Schicksalsgemeinschaft, aber durchaus nicht solidarisch. Eine Mutter:

    "Kälte, kein Gas zum Kochen und Heizen - und dann müssen wir noch aufpassen, dass unsere Decken nicht geklaut werden. Wir müssen beim Zelt bleiben und können nichts tun."

    Immer wieder gibt es Streit und Tumulte, jordanische Polizei reagiert mit Tränengas und Warnschüssen. Stefan Tahn:

    "Bei Verteilaktionen meinen die Leute, dass das nicht gerecht läuft - manchmal kleine Unruhen. Keine gewachsenen Strukturen, Nachbarn, die man nicht kennt: Jeder versucht sich zu sichern, da funktioniert Community schon mal nicht. Herrscht Vandalismus und Diebstahl. Leute nehmen sich aus gemeinsamen Einrichtungen Dinge raus und benutzen sie für sich selbst."

    Da haben Gasflaschen wieder Beine bekommen zeigt THW-Mann Tahn wie zum Beweis auf zwei Flüchtlinge, die die begehrten Dinger aus einer Gemeinschaftsküche mitgehen ließen. Andrew Harper:

    "Die Bedingungen sind hart, keine Frage - ein Lager mitten in der Wüste - keine angenehme Umgebung sagt UN-Vertreter Andrew Harper. Wir bemühen uns, aber noch mal: Das ist ein Flüchtlingslager. Unsere Mittel sind begrenzt. Wer uns vorwirft, das sei aber schlimm, dem sage ich: tut lieber was und helft uns!"

    Flucht aus der Hölle in die Hölle nennen viele ihre ihren Weg von Syrien ins jordanische Lager Zaatari. Die falsche Entscheidung also? Nein, eher die falsche Frage. Einige Frauen:

    "Wir sind ja vor Bomben und Mord geflohen."
    "Wir mussten herkommen, hatten keine Wahl."
    "Eine Horrorflucht im Bombenhagel."
    "Wir mussten einfach weg."''

    Lieber gestern als heute würden sie raus aus dem Lager - aber auch zurück? Eine Mutter:

    ""Wir wären in einer Stunde weg - aber wir können das ja nicht zwingen. Erst wenn das Regime weg ist, können wir zurück."

    Auch Mohammed, der Besitzer des Café Freiheit auf Zaataris Marktstraße weiß keine andere Alternative, hat allein seine Hoffnung:

    "Wenn das Regime fällt, bin ich sofort zurück."

    Flüchtlingslager Domez im Irak
    Frauen, Kinder, kaum Männer. Geduldig warten sie im Vorzelt der improvisierten Krankenstation. Wir sind in Domez, dem einzigen Lager für syrische Flüchtlinge im Irak. Wardus mit ihren beiden Kindern ist Dauergast bei den Ärzten:

    "In Syrien kann man nicht mehr leben. Nichts zu essen. Deshalb sind wir hier. Nicht einfach, klar, vor allem mit Wasser. Ich laufe den ganzen Tag mit einem Eimer rum, um was zu organisieren. Aber trotzdem besser als Syrien."

    Wardus kämpft mit den Tränen. Sie könne das Leben im Lager ja aushalten, aber ihre Kinder, die seien ständig krank. Ein

    Die meisten sind erkältet, berichtet dieser Arzt im Dauereinsatz. Grippe, Schnupfen, Halsschmerzen oder Lungenentzündung.

    Er ist aus Syrien, war bei der Armee. Vier weitere Ärzte von dort und einer aus dem Irak behandeln 40.000 Flüchtlinge im Lager 30 Kilometer entfernt von der Grenze. Anders als in Jordanien können die Leute hier nach draußen, es gibt keinen Zaun ums Camp. Fast alle Flüchtlinge gehören zur kurdischen Minderheit in Syrien. An Krücken wartet ein alter Mann auf seine Behandlung. Ein alter Mann:

    "Bin aus Aleppo. Habe den Krieg erlebt. Mit Waffen. Bin fünf Monate hier - habe ein Zelt mit Toilette und Küche. Kurdistan ist gut. Aber wenn die Probleme in Syrien weg sind, ich will zurück. Nur Gott weiß wann - dauert zu lange."

    Irakisch-Kurdistan hat seine Grenze geöffnet, erzählt Salim Said, Journalist vom hiesigen Fernsehen. Syrien hindert die Leute nicht an der Flucht, sie können problemlos rüber.

    Spenden aus Deutschland für die Flüchtlinge
    Zehn Kilometer weiter ist die Messehalle im benachbarten Dohuk zum Warenlager umfunktioniert. Hier stapeln sich Lebensmittel, Kleidung, Kocher, Heizstrahler und Spielzeug für Flüchtlingskinder. Drei Tonnen neue Hilfe werden grad vom LKW abgeladen. Gesammelt von Schülern, Eltern und Lehrern der Deutschen Schule in der Provinzhauptstadt Erbil mit Leiter Jürgen Ender:

    "Idee entstand, weil viele kurdische Flüchtlinge hier sind. Da haben wir eine Sammlung veranstaltet und sind jetzt mit einem LKW und zehn Lehrern hergefahren, um die Spende zu übergeben."

    Schulsekretärin Sheelan Schowani kann sich gut in die Lage der Flüchtlinge hinein versetzen.

    "Kennen das als Kurden. Waren 1991 selbst Flüchtlinge in der Türkei und im Iran. Wissen wie das ist mit Kindern, wenn man nichts dabei hat. Schön, wenn ein Land dann die Arme aufmacht und hilft."
    Bei seinem Kollegium rannte der Schulleiter mit der Spendenaktion offene Türen ein. Ricarda Lohsträtter, eine Lehrerin:

    "Haben mit Schülern gesprochen. Es gab einen Elternbrief. Kurden wissen aus dem TV vom Problem. Spenden auch privat. Es kam viel zusammen, wie man sieht."

    Jürgen Ender:
    "Ist kein Problem gewesen. Wir haben einen Elternrundbrief rausgegeben und haben Spenden um die 3,5 Tonnen bekommen."

    Sheelan Schowani:
    "Reis, Zucker, Öl, Klamotten. Neue und alte. Lager braucht Milch für Kinder und Windeln - haben dafür die Geldspenden verwendet."

    Junglehrerin Ricarda Lohrsträtter und Schulsekretärin Schovani machen sich anschließend im Lager erstmals ein eigenes Bild von den Zuständen dort und folgen im Krankenzelt gebannt den Worten des syrischen Arztes:

    "Viele meiner Patienten reden über ihr Schicksal, die Bombardements der Armee, den Verlust der Arbeit, fehlende Lebensmittel, staatliche Drohungen, wenn Du über das Kurdenproblem redest oder die Angst vorm Gefängnis. Ich selbst stand als Soldat vor der Alternative, gegen Kurden vorzugehen oder abzuhauen."

    Die kurdische Regionalregierung, die das Lager Domez zusammen mit der Flüchtlingshilfe der Vereinten Nationen UNHCR betreibt, gibt jedem im Lager wöchentlich 31 Dollar für Einkäufe zur Selbstversorgung. Man beobachte die Lage ganz genau sagt uns der kurdische Präsidentenberater Hemin Hawrani:

    "Es gibt mehr als zwei Millionen Kurden in Syrien und hier über 75.000 Flüchtlinge. Wenn es da schlimmer wird, kommen noch mehr. Es braucht eine schnelle Lösung, aber das ist Sache des syrischen Volkes."

    Im Lager gäbe es trotz 40.000 auf engstem Raum erstaunlich wenig Probleme. Im nahen Dohuk schon, weiß Journalist Said. Dort nutzten Geschäftemacher die Zwangslage der Flüchtlinge aus:

    "Arbeitgeber beschäftigen viele aus dem Lager, weil die unbedingt was verdienen müssen und viel billiger sind als irakische Kurden. Das schafft natürlich böses Blut."

    Da tragen auch kurdische Blutsbande nicht ewig ahnt die junge Mutter Wardus.

    "Ich möchte so schnell wie möglich wieder zurück nach Syrien, wenn es dort ruhig ist - darauf hoffe ich."

    Kuden sind in der Türkei, im Libanon und in Jordanien nicht willkommen
    Dilgas sieht blass aus und wirkt schüchtern auf seinem Plastikstuhl vor einem schmucklosen Haus in Erbil. Vor Monaten kam er aus dem syrischen Kurdengebiet um Qamishli. In Erbil fühlt er sich sicher, auch hier ist Kurdengebiet, aber irakisches. Ein syrisch-kurdischer Politiker, vor Jahren ins irakische Exil geflohen, gab Dilgas Quartier. Jetzt ist auch er Flüchtling. Oder Deserteur. Denn er kehrte nicht nur seinem Land, sondern auch Assads Armee den Rücken.

    Er habe nur die Wahl gehabt, Menschen zu töten oder zu desertieren sagt Dilgas. Er wolle aber nicht auf seine Brüder schießen und alle Syrer seien seine Brüder. Sieben Monate musste er es in der Armee aushalten. Stationiert war er zuletzt in Damaskus:
    "Ich wollte abhauen. Meine Familie hat mir Geld gegeben.
    Beim Newroz-Fest habe ich meinem Vorgesetzten gesagt, Du kriegst Geld, wenn Du mir Heimaturlaub gibst. Ich möchte mit meiner Familie feiern. Er hat's gemacht und zu Hause habe ich mich entschlossen, nicht zurückzugehen, sondern in den Irak."

    Andere Kameraden haben nicht so viel Glück oder nicht die Möglichkeiten wie Dilgas:

    "Viele wollen weg. Ich weiß das, weil ich noch Kontakte zu meiner Einheit habe. Wenn sie freihaben, telefonieren wir. Ihre Angst ist groß, sie haben oft keine Chance. In der Armee gibt's eine Masse Geheimdienstspitzel. Wenn die mitkriegen, dass Du abhauen willst, töten sie Dich. Freunde sagten mir letztens noch, sie sammelten Geld für Offiziere, damit die ihnen ein paar Tage Urlaub geben, in denen sie dann aus Syrien fliehen können."

    Der 28-jährige Dilgas ist allein in den Nordirak gekommen. Mit umgerechnet 3000 Dollar hat er seine Vorgesetzten bestochen, um aus der Armee rauszukommen, aber auch um nicht auf Landsleute schießen zu müssen:

    "Ich habe immer und immer wieder gezahlt, damit ich nicht zu Einsätzen abkommandiert werde, bei denen ich auf die Bevölkerung oder die Opposition schießen muss. Meine Familie hat mir da sehr geholfen. Wer kein Geld aufbringen kann, der muss an solchen Einsetzen teilnehmen. Wer sich weigert, wird erschossen."

    Dilgas' Familie ist im nordöstlichen Zipfel Syriens geblieben, im Kurdengebiet, aus dem sich die syrische Armee zurückgezogen hat und wo auch die Freie Syrische Armee nicht präsent ist. Mit ihren Rebellen kann Dilgas wenig anfangen, kämpfen will er weder für Assads Truppen noch für die Opposition:

    "Ich wollte einfach nur raus aus der Armee. Die Rebellen sind gar nicht überall im Land aktiv. Bei uns zu Hause in Qamishli gibt es keine Freie Syrische Armee. Ich hatte keinen Kontakt zu Aufständischen, wollte nur weg von den Kämpfen und in den Irak."

    Zaradasht hatte einen Laden in Damaskus. Seit August sind er und seine Familie im Nordirak untergekommen. Im Kurdengebiet. Auch Zaradasht ist Kurde, syrischer Kurde. Angst vor Bomben und der näher rückende Bürgerkrieg machten das Leben in Damaskus unmöglich. Erst floh der 40-jährige mit Frau und Kindern nach Qamishly im Nordosten, der heimlichen Hauptstadt der Kurden in Syrien. Da war es ruhiger, aber schließlich schien ihm der Nordirak doch sicherer. Zaradasht:

    "Das war schon eine bewusste Entscheidung - in der Türkei, im Libanon und in Jordanien scheinen wir nicht so willkommen. Hier in Kurdistan sagen sie: Das ist Euer Land, kein Problem. Die gleiche Nation, die gleichen Leute - hier sind wir willkommen und haben mehr Freiheiten. In den anderen Ländern müssten wir ins Lager, dürften nicht arbeiten. Hier hilft die Regierung, gibt uns Arbeit. Wir persönlich wollen keinen Stress machen, brauchen keine Unterstützung."

    Zaradasht ist bei Akram untergekommen, einem kurdischen Politiker, der vor Jahren nach Folter und Haft aus Syrien fliehen musste. Ein Dach über dem Kopf, das war anfangs das Hauptproblem, bis der Freund half. Jobs findet Zaradasht leichter:

    "Ich komme ganz gut selbst klar, will keine fremde Hilfe. Jetzt habe ich eine Teilzeitstelle als Elektriker. Manchmal arbeite ich auch als Verkäufer. Für die Familie reicht's. Wir wollen wie ganz normale Menschen hier in Erbil leben."

    Zaradasht überrascht mit seinen Vorstellungen eines künftigen Syrien - waren Kurden unter Assad doch Bürger zweiter Klasse:

    "Mein Traum ist ein Land für alle. Vor dem Bürgerkrieg wusste doch niemand, ob Du Alawit, Araber oder Kurde bist. Damit gab's kein Problem. Heute schauen die Leute: Bist Du Sunnit, Allawit oder Kurde. Wir wollen wieder ohne Problem zusammenleben. Aber auch unsere Kinder in kurdische Schulen schicken können. Sie sollen unsere Sprache lernen. Wir wollen Demokratie wie in England oder den USA und hoffen auf gleiche Rechte für uns Kurden. "

    Sein Freund Akram, der kurdische Exilpolitiker mischt sich ein, wirkt pessimistischer - oder realistischer:

    "Syrien bleibt nicht, wie es war, sondern wird in drei, vier oder mehr Teilstaaten zerfallen - etwa für Alawiten, Sunniten und Kurden. Assad treibt die Spaltung voran mit konfessionellen Morden. Schiiten und Sunniten wollen nicht mehr in einem Staat leben. Die Kurden haben keine Chance, ihre Zukunft selbst zu bestimmen. Das verhindern schon die Türkei und die USA."

    Tatsächlich ist der alte Traum eines eigenen Kurdenstaats ein Alarmzeichen für Nachbarstaaten mit eigenen kurdischen Minderheiten, also Türkei, Iran und Irak. Bagdad immerhin garantiert ihnen weitgehende Autonomie.

    Flüchtling Zaradasht will auf jeden Fall zurück in seine Heimat - allerdings unter klaren Voraussetzungen:
    "Assad muss weg. Wir brauchen eine neue Führung. Bleiben er und sein Regime, können wir da nicht leben. Schließlich habe ich ja deshalb Haus und Laden aufgegeben. Wenn man wieder in Syrien leben kann, gehen wir zurück, aber nur wenn Assad nicht mehr da ist."