Montag, 22. April 2024

Archiv


Meine Putzfrau

Der französische Autor Christian Oster, der in seinem Heimatland sieben Romane und einige Kinderbücher veröffentlicht hat und dafür zahlreiche Preise entgegennahm, ist ein wahrer Fantast. Das meiste an der Handlung seiner Bücher spielt sich in der Fantasie seiner Figuren ab. In Meine große Wohnung , dem ersten vor zwei Jahren ins Deutsche übersetzten Roman, lässt er einen Mann eine ganze Wohnung für eine Frau einrichten. Und malt die gemeinsame Zukunft aus. Nur: Die beiden kennen sich noch nicht einmal!

Oliver Seppelfricke | 18.08.2003
    Im neuen Roman Meine Putzfrau passiert etwas ähnliches. Das Schicksal führt zwei Menschen zusammen, doch sträubt sich der eine, die Träume sind Alpträume, und komischerweise wird dadurch erst alles möglich. Die Handlung entsteht quasi aus ihrer Verweigerung heraus, ein Buch so absurd wie komisch. Meine Putzfrau war in Frankreich ein großer Erfolg. Das Buch wurde verfilmt, Anfang dieses Jahres kam der Streifen in die Kinos und fand mehr als eine Million Besucher. Auch an der Kinokasse ein Hit!

    Was passiert in dem 190-seitigen Buch, das wieder deutlich die Handschrift Oster trägt? Nun, nicht viel. Auch das typisch für diesen Autor. Ein Ich-Erzählerkurz vor den 50, versucht wieder Ordnung in sein Leben zu bringen. Seine Frau hat ihn gerade verlassen. /Er ist kurz vor dem Ende der Trauerphase.

    Und so nimmt er sich eine Putzfrau. Zunächst um Ordnung in seiner Wohnung zu schaffen. Eine Ordnung im Äußeren. Denn seine Gefühle zu ordnen fällt ihm schwer. Da ist es mit der Wohnung schon leichter. Einmal die Woche kommt also Laura, die Putzfrau. Sie ist Anfang 20. Beim ersten Treffen merkt er, dass sie lügt. Dass sie diesen Job, den sie angeblich liebt, noch nie gemacht hat. Doch genau das ist es, was ihn fasziniert. Laura ist im Grund genauso verwirrt und unordentlich (in ihrem Leben) wie er (in dem seinen). Und das verbindet ihn mit ihr. Denn nach der Trennung vor sechs Monaten kam für unseren namenlosen Ich-Erzähler der totale soziale Rückzug. Der Weg in die Einsamkeit, in die Isolation, ins Schweigen. Nur noch zum Einkaufen ging er aus, sprach kaum noch mit jemandem. Da tut es also gut, dass eine Putzfrau kommt, nicht nur der Wohnung, sondern auch ihm! Zunächst kommt sie nur einmal die Woche, montags.

    Doch da er, der eine Halbtagsstelle in einem Büro hat, sich den Rest der Woche nicht so alleine fühlen möchte, kommt sie bald schon auch freitags. Und dann kommt noch mehr. Doch die Initiative geht nicht von ihm aus! Es ist Laura, "einfach, aber nicht ohne Reize", wie unser Erzähler vermerkt, die die ersten Schritte macht. Sie, deren Mutter krank ist und bald stirbt, will nicht alleine sein. Doch er will sich von seiner Trennung erst erholen. Will auf ihr Ansinnen, bei ihm einzuziehen, da ihr Freund sie gerade rangeschmissen habe, eigentlich "nein" sagen. Sagt dann aber, ja", und so sitzen die beiden, die sich eigentlich nicht viel zu sagen haben oder wollen, zuerst auf dem Sofa vor dem Fernseher, blättern in Zeitschriften, und landen dann irgendwann im Bett. Erst einmal, dann immer öfter. Komisch und tragisch zugleich.

    Denn es ist genau diese Spannung, aus der Oster das Potential für sein heiter-trauriges Gefühlsdrama bezieht: Gerade indem sich unser Erzähler seiner Putzfrau verweigern will, gerade indem er sein Verhältnis herunterspielen will zu einer belanglosen Nebensächlichkeit, verfällt er ihr, bis dass er anfängt, sie zu lieben. Eine Liebe aus der Not heraus. Doch was ist Liebe? Was ist Not? Was ist Leiden?

    Es sind solche Fragen, die die Lektüre von Osters Büchern so lohnend machen. Über der Anstrengung, die Kontrolle über sich selbst und das Verhältnis zu behalten, verliert unser Erzähler genau diese Kontrolle, er landet im Chaos. Zunächst zieht seine Putzfrau bei ihm ein, dann fahren sie gemeinsam in Ferien (die eigentlich mehr eine Flucht sind vor der gemeinsamen Verantwortung), und dann verliert er sie so beiläufig, wie er sie gefunden hatte: Aus einer Laune heraus landet sie in den Armen eines anderen, und ihm bleibt nur die Einsicht in die ganz normale Absurdität des Lebens. Es war alles so einfach, eigentlich hat sie nur ihn gewollt, doch dann kam jemand anderes...

    Es gibt in diesem Buch, das eine Art Augustinische Seelenerkundung ist, allerdings ohne jede Moral, allerhand umwerfend komische Stellen. Die zum Beispiel, wo er, als sie mit einem Besen in das Wohnzimmer kommt, auch etwas in der Hand halten möchte, um an einem Freitagmorgen, wo jeder "normale" Mensch arbeitet, nicht untätig auszusehen. Das Telefon hat er gerade weggelegt, weil er den Anruf, den er in Erwartung ihres Eintretens absichtlich gemacht hatte, zu früh beendet hatte, jetzt steht er ohne alles da, ein Mann in seiner ganzen verzweifelten Nacktheit, ohne rechte Tätigkeit, die ihn erfüllt, ohne rechte Freunde, die nach ihm sehen, ohne eine Frau. Hinreißend traurig, komisch und wahrzugleich.

    Und genau das ist Christian Osters Erfolgsrezept: Seine Prosa kommt spröde, aber umwerfend komisch daher, sie ist seelenerforschend genau und nachsichtig zugleich, sie trifft auf nichts anderes als auf die Hilflosigkeit des Menschen, sie ist wie eine Art Buster Keaton des Romans. So sind wir eben, wir Menschen, sagt uns das kleine Buch auf angenehm eindringliche Weise, und über unsere Schwächen lachen und weinen wir doch noch immer am liebsten, wenn sie anderen passieren...

    Nur eines, das muss man ganz klar sagen, ist dieses Werk nicht: Es ist kein "Glanzstück des erotischen Romans", wie uns das Verlagsmarketing weismachen will. Eher ist es dessen komplette Parodie! Als solche aber meisterlich gelungen!