Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Meister des lakonischen Humors

Heinz Erhardt ist wohl der Komiker, der wie kein anderer für die frühen Jahre der Bundesrepublik steht. Bis heute ist sein Name nicht verblasst; auch Leute, die nicht seine Fans sind, können oft aus dem Stegreif einen Spruch, ein Gedicht oder wenigstens einen Gedichtanfang aufsagen. Heinz Erhardt, in Lettland geboren, sprach mehrere Sprachen und war vielseitig talentiert, vor allem musikalisch - sogar eine Opernparodie hat er geschrieben - und wahrscheinlich hätte er seinem Image noch andere Seiten hinzugefügt, wenn nicht ein Schlaganfall seiner Arbeit schon 1971 ein Ende gesetzt hätte. Er starb 1979 in Hamburg.

Von Beatrix Novy | 20.02.2009
    "Ich wurde an einem 20. Februar als einziger Sohn meiner beiden Eltern geboren."

    Wenn Heinz Erhardt auf der Bühne stand, füllte er den Raum buchstäblich: Ein Schrank von einem Mann. In seiner Körperbeschaffenheit lag ein Schlüssel zu seiner Komik; komisch ist das Gefälle zwischen Erhabenem und Lächerlichem, und komisch ist es, auch heute noch, dabei zuzusehen, wie ein großer beleibter Mann mit sehr breiten Schultern in einem sehr korrekten dunklen Anzug ein selbstverfasstes Gedicht über eine Made vorträgt.

    "Hinter eines Baumes Rinde
    wohnt die Made mit dem Kinde
    Sie ist Witwe, denn der Gatte
    den sie hatte
    fiel vom Blatte"

    Wer aber Heinz Erhardt einmal in seiner ganzen Leibesfülle leichtfüßig tanzen gesehen hat, der weiß, dass er hoch musikalisch war. Tatsächlich war er am 20. Februar 1909 in Riga als Kind einer Musikerfamilie zur Welt gekommen: der Vater Theaterkapellmeister, der Großvater Musikagent mit einem weiten Geschäftsfeld in Russland und im Baltikum. Heinz Erhardt sollte die großväterliche Agentur eigentlich übernehmen, aber er spielte selbst zu gern Klavier, um die Vermittlung von Pianisten und anderen Künstlern zu seinem Geschäft zu machen. Mit einem selbst komponierten kleinen Lustspiel schaffte er es 1932 auf die Bühne des Rigaer Schauspielhauses, in Danzig trat er mit Gedichten und Chansons auf.

    Heinz Erhardt war schon Ehemann und Familienvater, als er 1938 den Sprung nach Berlin wagte und an Willi Schaeffers Kabarett der Komiker verpflichtet wurde. Es war der Durchbruch, gerade rechtzeitig: Den Krieg erlebte er weitgehend als einer der Künstler, die mit ihren Tournee-Einsätzen die Truppen bei Laune hielten.

    In Hamburg, beim NWDR, begann die Karriere, die den Namen Heinz Erhardt für immer mit der jungen Bundesrepublik verknüpfte:

    "Der Berg"

    Seine aus Sprachspielen und einem ungewöhnlichen Sinn für Nonsens verfertigten Gedichte fügten sich perfekt zur Mimik ihres Erfinders; Heinz Erhardt, privat ein fast schüchtern-zurückhaltender Mensch, spielte seine Texte hingebungsvoll.

    "würden sämtliche Berge der ganzen Welt zusammengetragen
    und übereinandergestellt
    und wäre zu Füßen dieses Massivs"

    und sein großes Gesicht nahm einen unwiderstehlich naiven Ausdruck an, wenn er eine Pointe lakonisch abtropfen ließ

    "stürzte der Berg in dieses Meer -
    das würd' spritzen."

    Der sanfte unaggressive Humor, der so gut zur eisernen Harmlosigkeit der jungen Republik passte, öffnete ihm alle Türen.

    "Im zarten Alter von 42 Jahren entdeckte mich der deutsche Film, der seitdem langsam dahinsiecht."

    Natürlich siechte der deutsche Film, weil die Nazis seine intelligentesten Köpfe verjagt hatten. Über Regisseure, die auch nur ihr Handwerk verstanden, verfügte er allenfalls begrenzt. "Der müde Theodor", "Immer die Radfahrer", "Der Haustyrann" - keiner von Heinz Erhardts vielen Filmen war ein Meisterwerk, und das wusste er.

    "Ziemliche Scheiße", "

    notierte er öfter in seinem Tagebuch. Aber ob besser oder schlechter: Alle wurden sie gezeigt, als Anfang der 80er-Jahre das Kultphänomen Heinz-Erhardt-Film auftauchte, ausgerechnet in den bisher der Filmkunst gewidmeten Programmkinos, vor einem jungen Publikum. Dieses Publikum glaubte selbst, sich parodistisch an der Kulinarik des Lächerlich-Altbackenen zu ergötzen. Aber der Filmtheoretiker Dietrich Leder hat es später anders interpretiert.

    " "Anfang der 80er Jahre schloss eine Generation, die jahrelang ihre Mütter und besonders Väter befehdet hatte, mit der älteren Generation ihren Frieden."

    Diesen Aussöhnungsprozess ermöglichte demnach Heinz Erhardt durch seine Rollen: Er war der sanfte, vom Podest vertriebene Vater, Ehemann oder Bald-Ehemann, leicht trottelig, mit selbstherrlichen Anwandlungen.

    "Ha, das sind Ferien! See, Berge, auf die man nicht hinauf muss ... Ich bin aber verheiratet! - O je. Na, da kann man nix machen."

    Heinz Erhardt bleibt beliebt. Mag sein, dass gerade seine Filme für die immer neu nachwachsende Fangemeinde ein freundlicher Gruß aus einer längst vergangenen, überschaubaren Epoche sind.