Von echten Lebensmitteln und gutem Geschmack

Von Susanne Nessler · 04.04.2006
Saftiges Obst, frisches Gemüse, festes Fleisch und ursprünglich gereifter Käse. Schon bei den ersten Zeilen läuft einen das Wasser im Mund zusammen. Dazu tun die höchst sinnliche Beschreibungen der essbaren Dinge ihr Übriges. Kirschen in purpurrot, leicht knackig beim Anbiss, der Apfel, der eine aromatische Aura entfaltet und das Brot mit Seele.
Essen als Erlebnis, dieses Buch ist ein Genuss. Und das gleich doppelt: beim Lesen ist man hingerissen von den wunderbar einfühlsamen Beschreibungen zahlreicher Nahrungsmittel, die vom Essen als großartiges Erlebnis zu erzählen wissen. Dazu ist das Buch gespickt mit vielen feinen Rezepten, so dass sich der Genuss in der eignen Küche fortsetzen lässt.

Ursula Heinzelmann weiß wo von sie schreibt. Essen und vor allem das Zubereiten von Essen und die richtigen Zutaten aussuchen, ist ihre große Passion. Seit vielen Jahren. Sie ist Sommeliére und Gastronomin, schreibt für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung und das Slow Food Magazin. Genuss weiß sie sehr geschickt in Worte zu packen.

Das schwierigste heute ist wirklich "echtes" Gemüse, Brot oder gute Milch erst einmal zu finden. Die Suche nach Nahrungsmittel, die nicht tausende von Kilometer per Schiff und Flugzeug nach Deutschland gekarrt wurden und auf der Reise ihren Geschmack verloren haben - wenn sie denn je welchen besessen haben - ist nicht einfach. Gewächshäuser und Massenproduktion vernichten jeden Gaumenkitzel. Die Läden, besonders die großen Supermarktketten sind voll davon.

Wer aus Überzeugung Tomaten im Supermarkt kauft, die alle schön gleich aussehen, wird mit Ursula Heinzelmanns Beschreibungen wenig anfangen können. Wer sich allerdings schon darüber ärgert, dass die Tomaten aus dem Supermarkt alle gleich aussehen und trotzdem, egal wie sie heißen, immer gleich schmecken - was heißt, sie schmecken nach fast gar nichts - der wird wertvolle Anregungen und Tipps in diesem Buch finden. Und so vielleicht bald auch ein paar schmackhafte Exemplare finden.

Denn es gibt sie noch, die echten Obst-, Milch- und Gemüsebauern mit Qualitäts- und Geschmacksgarantie. Viele von ihnen arbeiten im biologisch-ökologischen Anbau, oft sind sie anthroposophisch ausgerichtet, einige verfolgen nur die Rezepte und Ratschläge ihrer Eltern und Großväter. Menschen, die sich bewusst und behutsam mit der Erzeugung von Nahrungsmitteln auseinandersetzen. Ursula Heinzelmann stellt sie in kleinen liebevollen Portraits vor. Die Autorin hat sie besucht, auf ihren Höfen oder Geschäften, ihnen bei der Produktion zugesehen und natürlich mit ihnen gegessen.

Die Landwirte und Käsemacher aus Bayern, Rheinland-Pfalz, Berlin und Brandenburg sind auf schlichten Schwarzweißfotos zu sehen. Das erfreut beim Lesen, denn irgendwie will man schon wissen, wie die Menschen aussehen, die so unglaublich köstliche Erdbeeren züchten, deren Geschmack eine Wonne auf der Zunge sind.

Wichtigste Regel: immer nur nach Saison kaufen, also nicht bloß Spargel nur im Frühjahr und am besten beim einheimischen Spargelbauern kaufen, sondern ebenso Erdbeeren, Tomaten, Äpfel Kirschen, Gurken, Kürbisse nur zur lokalen Erntezeit in die Einkaufstasche legen. So kommt man besser auf den Geschmack. Sonst gilt natürlich Finger weg von Fertigprodukten und Geschmacksverstärkern. Selber würzen aus dem eigenen Kräutergarten

Ein wunderbares Buch, das ein großes Plädoyer für gutes Essen ist und dazu ein guter Ratgeber.

Dazu braucht man sicher Zeit und auch etwas mehr Geld. Der Supermarkt liegt um die Ecke, der Biobauer meist etliche Kilometer entfernt und ist nur einmal in der Woche auf dem Markt in der Stadt. Doch wer sich auf die Suche macht, der wird fast in jedem Wohnort ein paar Food-Enthusiasten finden, die den Genuss, den Ursula Heinzelmann beschreibt, liefern. Ein Buch, das süchtig macht, wenn man Augen, Augen und die Nase offen hält. Die Verführung lohnt sich.


Ursula Heinzelmann: Erlebnis Essen. Vom Duft der Erdbeere und der Würze des Teltower Rübchens
Scherz Verlag, Frankfurt am Main 2006, 224 Seiten