Samstag, 20. April 2024

Archiv

Vor 225 Jahren in Frankreich
Die Hinrichtung von Georges J. Danton

Die Französische Revolution bescherte dem Rechtsanwalt Georges Jacques Danton eine schwindelerregende Karriere bis zum Justizminister. Doch er machte sich schuldig, als er die Septembermassaker 1792 duldete und die Schreckensherrschaft etablierte. Als er die Eigendynamik des Terrors bremsen wollte, wurde er selbst ihr Opfer.

Von Christoph Vormweg | 05.04.2019
    Rede Dantons in der Nationalversammlung zur Verteidigung des Vaterlandes am 2.September 1792
    Rede Dantons in der Nationalversammlung zur Verteidigung des Vaterlandes am 2. September 1792 als Sammelbildchen (akg)
    "Wo die Notwehr aufhört, fängt der Mord an."
    In diesem Satz verbirgt sich die Tragik des Georges Jacques Danton. Er findet sich in Georg Büchners Drama "Dantons Tod", das 40 Jahre nach Ende der Schreckensherrschaft auf Grundlage historischer Quellen entstand. Mit Notwehr meinte Danton das Recht, die Errungenschaften der Französischen Revolution mit Gewalt zu verteidigen: so die Abschaffung der Feudalrechte, die Erklärung der Menschenrechte oder die Gründung der ersten französischen Republik. Doch machte er sich schuldig.
    "Sein Name ist auch mit Ereignissen verbunden, die man in die schwarze Geschichte der Französischen Revolution einschreiben kann."
    Kollektive Massenhysterie im September 1792
    Gudrun Gersmann, Professorin für Geschichte an der Universität zu Köln.
    "Er war Justizminister im September 1792, als eine kollektive Massenhysterie losbrach, die Tausende von Gefangenen vor allem in Paris das Leben kostete. Und man weiß, dass er als Justizminister nicht dagegen eingeschritten ist."
    "Was interessieren mich die Gefangenen!", so Dantons Kommentar zu den Gefängnismassakern an Royalisten und vermeintlichen Revolutionsgegnern.
    "Das Volk selbst will sich Gerechtigkeit verschaffen bei all dem Pack in den Gefängnissen."
    Und die Notwehr ging noch weiter. Um Konterrevolutionäre und "Agenten" der verfeindeten europäischen Monarchien schneller aburteilen zu können, trieb Danton die Gründung von Revolutionstribunalen voran. Auch etablierte er den allmächtigen Wohlfahrtsausschuss als Notstandsregierung.
    "Wir müssen das tun, was die gesetzgebende Versammlung nicht getan hat: Wir müssen schrecklich sein, um dem Volk zu ersparen, es zu sein."
    "Er war und blieb Anhänger der Aufklärung"
    Damit schuf Danton die politischen Instrumente der Schreckensherrschaft. Ein Jahr später, im Frühjahr 1794, hatte sich die militärische Lage im Krieg gegen die verfeindeten Monarchien jedoch beruhigt. Nun forderte Danton die Abwendung vom Terror nach innen.
    "Er war und blieb ein Anhänger der Aufklärung. Er war der Meinung – und das ist eines seiner berühmtesten Zitate –, dass der wahre Kompass einer Gesellschaft der der Vernunft sein sollte. Das alles halte ich für Versuche, letztendlich doch noch einen gewissen Kurs in ein Revolutionsgeschehen zu bringen, dass immer unübersichtlicher und brutaler wurde."
    Die Macht hatte jedoch Maximilien de Robespierre. Er sah in Dantons Nachgiebigkeit Verrat. Denn für den selbsternannten Tugendwächter war die Revolution noch längst nicht vollendet. Vor dem Revolutionstribunal setzte Danton, der gelernte Rechtsanwalt aus der Champagne, auf seine größte Gabe:
    "Nach all dem, was die zeitgenössischen Quellen darüber aussagen, war er ein Mann von ungeheurer Vitalität und Energie. Er war ein mitreißender Redner, der sein Publikum in einer Weise überzeugen konnte, dass er zu einem brillanten Agitator der Französischen Revolution wurde."
    Klage gegen Robespierre und Saint-Just
    In Georg Büchners Drama "Dantons Tod", hier ein Ausschnitt aus der Hörspielfassung des Westdeutschen Rundfunks, verteidigt er sich mit den Worten:
    "Seht da die feigen Mörder! Seht da die Raben des Wohlfahrtsauschusses! Ich klage Robespierre, Saint-Just und ihre Henker des Hochverrats an! Sie wollen die Republik in Blut ersticken. Ihr wollt Brot, und sie werfen Euch Köpfe hin. Ihr durstet, und sie machen Euch das Blut von den Stufen der Guillotine lecken. [Beifallsgeschrei]
    Zwischenrufe: Es lebe Danton!"
    Doch der "Herkules", wie der 34-jährige Danton wegen seines athletischen Körpers genannt wurde, scheiterte. Gudrun Gersmann:
    "Der Prozess gegen Danton war im Prinzip wie alle Prozesse vor dem Revolutionstribunal von Anfang an ein Schauprozess. Die Richter waren im Vorfeld gewarnt worden, bei einer zu milden Bestrafung würden Sanktionen über sie verhängt werden – und im Grunde war von vornherein klar, wie das Verfahren ablaufen würde, in dem von Rechtssicherheit überhaupt nichts zu bemerken war."
    Sein rotes Gesicht lief violett an
    Am 5. April 1794 notierte der Scharfrichter Charles Henri Sanson in sein Tagebuch:
    "Danton übertönte alle anderen, sein rotes Gesicht lief violett an. Er hatte Schaum vor dem Mund, und seine Augen sahen aus wie glühende Kohlen. Er brüllte: ‚Robespierre, es nützt dir nichts, dass du dich versteckst! Du kommst auch an die Reihe!‘"
    Eine Prophezeiung, mit der Georges Jacques Danton Recht behielt. Die Französische Revolution fraß wenig später auch ihre letzten prominenten Kinder.