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Kreative Problemlösungen
Parallelen von Kunst und technischen Berufen

Eine Werkzeughersteller in Nordrhein-Westfalen schickt seine Nachwuchskräfte für mehrere Tage in ein Atelier. Dort basteln sie Figuren und verfremden Alltagsgegenstände. Die kreative Arbeit soll den Auszubildenden auch bei der Lösungssuche im Berufsalltag helfen.

Von Simon Schomäcker | 27.08.2019
Auszubildende Eva Lakebrink bastelte einen Flamingo aus alten Zahnbürsten
Zahnbürsten zu Flamingos umzubauen, fördert das kreative Denken - auch im Berufsalltag, hofft die Firma Lübbering (Simon Schomäcker / Deutschlandradio)
Eva Lakebrink und Timo Ellerbrächter sind seit August 2019 Auszubildende bei dem Herzebrocker Werkzeughersteller Lübbering. Eva lernt technische Produktdesignerin, Timo Mechatroniker. Für drei Tage haben sie ihre modernen Büros und Betriebshallen verlassen. Stattdessen arbeiten sie – mit sieben weiteren Auszubildenden - in einer alten Daunenfabrik im nahegelegenen Borgholzhausen. Hier befindet sich die Ateliergemeinschaft "DaunTown", in der die Nachwuchskräfte künstlerische Arbeit kennenlernen. Immer wieder erhalten sie konkrete Aufgaben:
"Da haben wir Papprollen bekommen und sollten daraus ein Tier oder irgendeine Figur machen. Ich habe das mit dem Timo zusammen gemacht. Wir haben eine Figur gebastelt, die auf die Umweltverschmutzung hinweisen soll."
"Dann haben wir da so typische Wegwerf-Plastikartikel draufgeklebt, die häufig in der Kritik stehen, wie eine Einweg-Plastiktüte."
Ideen umsetzen, Neues entwickeln
Die Idee zu der Aktion entstand 2014. Denn die Firmeninhaber Achim und Anja Lübbering veranstalten regelmäßig Ausstellungen in ihrem Betrieb – und zwar mit dem befreundeten Galeristen Horst Grabenheinrich. Er sah Parallelen bei Kunst und Arbeit:
"Die Leinwand, die leer ist, ist genau wie ein Computer, den man anmacht und der auch weiß ist. Also im Vordergrund steht die Idee und dann kommt die Ausführung. Und was da im Endeffekt bei rauskommt, weiß man in der Kunst nicht, weiß man aber auch nicht im Betrieb, wenn man irgendetwas Neues entwickeln will."
Horst Grabenheinrich war es auch, der den Kontakt zu der Ateliergemeinschaft "DaunTown" herstellte. Matthias Poltrock ist einer von sieben Künstlerinnen und Künstlern, die hier arbeiten. Er möchte Hemmschwellen bei den Auszubildenden abbauen:
"Jeder Mensch, der sich mit Kunst beschäftigt, bildet eine andere Facette ab, das sollen sie sehen. Sodass sie auch keine Angst haben, selbst was zu entwickeln, um zu sehen, was plötzlich eine spannende Farbe, Struktur, Form oder so ist. Das ist dann immer der Sprung ins kalte Wasser."
So auch die Aufgabe am letzten Tag, einen Alltagsgegenstand zu verfremden – in diesem Fall eine Zahnbürste. Eva und Timo haben sich von den Farben ihrer Bürstengriffe inspirieren lassen:
"Ich habe eine pinke Zahnbürste bekommen und dachte, ich mache daraus einen Flamingo."
"Mir ist zunächst nichts eingefallen. Aber da meinte Eva, ich sollte doch daraus eine Blume machen. Seitdem arbeite ich an einer Blume."
All diese Arbeiten möchten die Firma Lübbering und Horst Grabenheinrich auch öffentlich in den Betriebsräumen zeigen:
"Deswegen stellen wir sie gleichzeitig aus mit den Künstlern, die wir im Haus ausstellen. Es wird keine Auswahl getroffen nach Qualität oder so. Und dadurch gibt es eine Aufwertung. Auch für die jungen Leute im Rückgrat."
Stärkung des Gemeinschaftsgefühls
Die Nachwuchskräfte fühlen sich so ihrem Betrieb noch stärker verbunden. Und die kreative Arbeit hilft manchen Auszubildenden auch tatsächlich bei der Lösungssuche im Berufsalltag, beobachtet Geschäftsführer Tobias Tönnies:
"Das haben schon auch erfahrene Azubis, die jetzt im zweiten oder dritten Lehrjahr sind, ihrerseits bestätigt. Der erste Ansatz kann ja zuschlagen. Aber wenn man genauer drüber nachdenkt, gibt es vielleicht auch noch Alternativwege. Und dazu wollen wir eben auch bewusst anregen."
Wie gut das bei jedem einzelnen Auszubildenden gelingt, ist eine Typenfrage. Aber das Gemeinschaftsgefühl stärken die Ateliertage in der ganzen Gruppe, betonen Timo Ellerbrächter und Eva Lakebrink:
"Ich war auch froh, dass wir mal drei Tage so ein bisschen enger aufeinander hocken. Ich bin in einer anderen Abteilung als die meisten anderen. Da kennt man sich dann noch nicht so."
"Da ich vor allem mehr im Büro bin und nicht so viel in der Produktion, wo die anderen Auszubildenden sind und ich dann auch die Möglichkeit habe, die ganzen anderen halt kennenzulernen."