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Polens Präsidentschaftswahl
Streit um die Wahlverschiebung

Millionen Polen verfolgten im TV die Debatte der Kandidaten kurz vor der Präsidentschaftswahl. Neben dem amtierenden Präsidenten Andrzej Duda haben drei Kandidaten und eine Kandidatin eine reale Chance. Und dann wurde die Wahl wegen der Coronakrise abgesagt - die Art der Entscheidung sorgt für Kritik.

Von Florian Kellermann | 08.05.2020
Wahlwerbung für die polnische Präsidentschaftswahl
Wahlwerbung in Polen: Nun wird die Wahl doch verschoben (Artur Widak/NurPhoto/dpa)
Das gilt auch für Malgorzata Kidawa-Blonska, die Kandidatin der größten Oppositionspartei, der rechtsliberalen Partei Bürgerplattform. Eine schwierige Debatte sei das, sagte sie, schließlich wüssten die Polen gar nicht, wann die Wahl stattfindet. Damit begann auch der Vorsitzende der Bauernpartei PSL, Wladyslaw Kosniak-Kamysz. Er fragte den amtierenden Präsidenten Andrzej Duda, ob der vielleicht mehr wüsste.
Duda wusste in der Tat mehr, wie sich später herausstellte. Ihm war als einzigem klar, dass die Debatte ein eigentlich sinnloses Schauspiel war, dass die Wahl gar nicht am kommenden Sonntag stattfinden wird.
Das rechtskonservative Regierungslager hatte sich längst hinter verschlossener Tür geeinigt: Die Wahl wird verschoben, wegen des Coronavirus. Am nächsten Tag erklärte Michal Wypij, stellvertretender Vorsitzender der Regierungsfraktion, im Parlament:
"In dieser schwierigen Situation, in der wir Opfer einer Seuche sind, freue ich mich, dass wir einen guten Kompromiss für Polen gefunden haben. Schade, dass die Opposition unsere ausgestreckte Hand nicht angenommen hat, um die Situation im Land zu stabilisieren. Die Polen werden nun freie und demokratische Wahlen bekommen und einen stabilen Staat. Für diesen Kompromiss, für diese politische Reife, danke ich unseren Partnern herzlich, insbesondere dem PiS-Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski."

Damit versuchte Wypij vergessen zu machen, wie chaotisch und dramatisch die vergangenen Wochen in Polen verlaufen waren. Denn der Vorsitzende der Partei Recht und Gerechtigkeit, Jaroslaw Kaczynski, hatte sich nicht davon abbringen lassen, dass die Wahl turnusmäßig am Sonntag stattfindet. Dagegen war die Opposition Sturm gelaufen, aber nicht nur sie. Auch ein Großteil der Wähler war dagegen, es gab Kritik von der OSZE, der EU. Entscheidend war aber: Auch der kleine Partner der PiS widersetzte sich, die Partei Einigung, der Michal Wypij angehört. Ihre Abgeordneten kamen über die PiS-Liste ins Parlament und gehören deren Fraktion an. Bisher hatten sie sich in zentralen Fragen stets an die Fraktionsdisziplin gehalten.
Doch diesmal hatte sich der Vorsitzende der Partei, Jaroslaw Gowin, quergestellt. Aus Protest war er vor im April sogar von seinem Amt als Wissenschaftsminister zurückgetreten.
"Wir haben unseren Koalitionspartnern vorgeschlagen, dass wir ein neues Wahlgesetz beschließen und dies zunächst drei Monate ruht. Das wurde nicht akzeptiert, deshalb trete ich zurück. Die Partei Einigung bleibt dennoch Teil der Vereinigten Rechten."
Also der gemeinsamen Fraktion mit der PiS. Doch auch das stand zuletzt in Frage, die Regierungsmehrheit im Parlament drohte zu zerbrechen.
TV-Debatte der Kandidaten für das polnische Präsidentschaftsamt
TV-Debatte der Kandidaten für das polnische Präsidentschaftsamt: Eigentlich war die Debatte bereits überflüssig (Artur Widak/NurPhoto/dpa)
Große Widerstände gegen PiS-Kurs
Gowin und die Opposition argumentierten: In Zeiten von Corona dürfe keine Wahl stattfinden. Menschen könnten sich anstecken, vor allem an den Wahlurnen. Kein Problem, konterte die PiS, dann soll die Wahl eben als reine Briefwahl stattfinden. Aber auch dagegen war der Widerstand groß. Eine ad hoc organisierte reine Briefwahl wäre intransparent gewesen, Hunderttausende Polen hätten die Unterlagen zu spät bekommen, so die Kritik. Über 400 Dozenten an juristischen Fakultäten in Polen forderten die Verschiebung der Wahl. Unter ihnen Krystian Markiewicz, Vorsitzender der Richtervereinigung Iustitia:
"Niemand, der bei Vernunft ist, kann glauben, dass diese Wahlen allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim sein werden, wie es die Verfassung vorsieht. Die Regierung wird, wenn sie die Wahlen durchführt, dies nicht auf deren Grundlage tun."
Am vergangenen Donnerstag wäre es im Sejm fast zur Kampfabstimmung um das Briefwahlgesetz gekommen. Die PiS hatte tagelang versucht, einzelne Abgeordneten von Gowins Partei Einigung auf ihre Seite zu ziehen, um eine Mehrheit zu bekommen.
Vier-Augen-Gespräch mit Kaczynski
Doch offenbar vergeblich. Die PiS und ihr mächtiger Vorsitzender Jaroslaw Kaczynski musste sich beugen und die Wahl verschieben. Die Einigung soll in einem Vier-Augen-Gespräch zwischen Kaczynski und dem Rebell Jaroslaw Gowin gefallen sein. Erst als das klar war, stimmten Gowin und seine Leute dem Gesetz schließlich zu.

Ein Sieg für die Kaczynski-Gegner, erklärten Kommentatoren, so der Politologe Marek Migalski im privaten und regierungskritischen Fernsehsender TVN24:
"Das ist ein großer Sieg für die Opposition und für Jaroslaw Gowin. Und eine spektakuläre Niederlage für Jaroslaw Kaczynski. Denn dessen ganze Manöver, um die Wahl doch sofort über die Bühne zu bringen, sind gescheitert."
Tatsächlich ist dies das erste Mal in den vergangenen fünf Jahren, seitdem die Rechtskonservativen das Land regieren, dass Jaroslaw Kaczynski mit einem zentralen Vorhaben gescheitert ist. Der Parteivorsitzende, eigentlich nur einfacher Abgeordneter ohne Regierungsmandat, ist der entscheidende Politiker des Landes, zieht hinter den Kulissen die Strippen.
Jaroslaw Kaczynski bei einer Sondersitzung im polnischen Parlament am 6.4.2020
Jaroslaw Kaczynski bei einer Sondersitzung im polnischen Parlament am 6.4.2020 (imago / Eastnews)
Begeisterung der Opposition ist begrenzt
Der Verschiebung der Wahl ist also ein Sieg für die Opposition. Dennoch hält sich ihre Begeisterung in Grenzen, so beim Präsidentschaftskandidaten Szymon Holownia. Der 43-jährige Fernsehmoderator ist Politikneuling. Trotzdem lag er in Umfragen zuletzt auf dem zweiten Platz. Zur Verschiebung der Wahl sagte er:
"Unsere Regierenden sind unberechenbar und scheren sich nicht um die Demokratie. Über den wichtigsten Vorgang für einen Bürger, über die Organisation einer Wahl, wird nicht in einer breiten Diskussion mit der Opposition entschieden, darüber wird nicht im Parlament diskutiert. Das beschließen zwei Herren am Abend bei einer Tasse starken Tee in der PiS-Parteizentrale in der Nowogrodzka-Straße."

Die Opposition kann schon deshalb nicht zufrieden sein, weil sie ein ganz anderes Prozedere forderte. Sie wollte, dass die Regierung wegen der Corona-Pandemie den Katastrophenzustand ausruft. Dadurch wäre die Wahl automatisch um mindestens 90 Tage verschoben worden, also mindestens bis in den August.
Das Bild zeigt Polens Präsidenten Andrzej Duda, er steht vor polnischen Fahnen in weiß-rot an einem Rednerpult.
Polens Präsidenten Andrzej Duda nutzt derzeit die Coronakrise. (dpa-Bildfunk / AP / Alik Keplicz)
Doch der Kompromiss im Regierungslager sieht nun eine andere Variante vor: Der Wahltermin bleibt formal bestehen, aber die Wahl soll einfach nicht durchgeführt werden. In einem zweiten Schritt dann soll der Oberste Gerichtshof sie für ungültig erklären. Dann kann die Regierung erneut Wahlen festsetzen. Sie muss das dann innerhalb von 60 Tagen tun.
Juristen müssen Vorgehen der Regierung prüfen
Ein Vorgehen, das bei vielen Juristen auf Kopfschütteln stößt. Denn der Oberste Gerichtshof soll über eine Wahl urteilen, die gar nicht stattgefunden hat. Manche Kommentatoren sprechen bereits von einer Geisterwahl. Höchst befremdlich wirkt zudem, dass die Regierenden einem Gerichtsentscheid vorausgreifen. Ob das alles überhaupt zulässig und mit der Verfassung vereinbar ist, darüber werden sich in den kommenden Wochen die polnischen Juristen den Kopf zerbrechen müssen.
Man kann nur spekulieren, warum die Regierenden diesen Weg gewählt haben. Zum einen haben sie so nicht einfach der Forderung der Opposition nachgegeben. Zum anderen kann die Wahl auf diese Weise früher stattfinden als nach Ausrufen des Katastrophenzustandes. Der Minister für Staatsbeteiligung, Jacek Sasin, gestern gegenüber dem privaten Radiosender Radio RMF FM:
"Die Wahl kann nun frühestens im Juni stattfinden. Die Wahlberechtigten werden spätestens sieben Tage vor dem Wahltermin die Wahlunterlagen zugeschickt bekommen."
Die PiS möchte, dass der Amtsinhaber Andrzej Duda möglichst schnell im Amt bestätigt wird. Duda bewies in den vergangenen fünf Jahren, dass er für den PiS-Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski ein treuer Partner ist.
Ex-Verfassungsrichter in Polen - Standhafter Kritiker der PiS-Regierung
Die rechtskonservative polnische Regierungspartei PiS wollte Jerzy Stepien die Beamtenpension streichen, nachdem er die Justizreform kritisiert hatte. Doch der ehemalige Präsident des polnischen Verfassungsgericht lässt sich den Mund nicht verbieten.
Nach seiner Wahl trat er zwar aus der PiS aus. Der heute 47-Jährige ließ jedoch nie einen Zweifel daran, welcher Partei er zugeneigt ist. In einem Interview mit dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen sagte er:
"Ich kann nur lachen, wenn ich höre, dass Andrzej Duda nicht der Präsident aller Polen ist, weil er ein Gesetz unterschrieben habe, mit dem eine gesellschaftliche Gruppe nicht einverstanden ist. Andrzej Duda ist schon deshalb nicht der Präsident aller Polen, weil er nicht von allen gewählt wurde. Er wurde von etwas über 51 Prozent derer gewählt, die an der Wahl teilgenommen haben."
Wenige Monate nach Dudas Wahlsieg im Mai 2015 gewann die PiS die Parlamentswahl. Sie errang die absolute Mehrheit der Sitze. Schon zuvor hatte der Präsident seine Loyalität der Partei gegenüber bewiesen. Er hatte sich geweigert, die noch vom alten Parlament gewählten neuen Richter am Verfassungsgericht zu vereidigen. Stattdessen vereidigte er nach dem Wahlsieg der PiS die Richter, die von den Rechtskonservativen favorisiert worden waren. Mittlerweile gilt die Mehrheit der Richter am Verfassungsgericht als PiS-konform.
Polnische Gesellschaft tief gespalten
Die Kompromisslosigkeit, mit der die PiS den Umbau der Justiz vorantreibt und sich damit politischen Einfluss auf die Gerichte sichert, spaltet die Gesellschaft: Zigtausende Demonstranten forderten Präsident Duda immer wieder auf, sich dagegen auszusprechen. Und es gab einen kurzen Moment, da schien es, als lenke er ein. Vor drei Jahren legte er ein Veto gegen zwei zentrale Gesetze der Gerichtsreform ein.
"Das Justizwesen bedarf einer Reform, auch der Landesjustizrat. Und mit der grundsätzlichen Richtung bin ich einverstanden. Aber diese Reform muss ruhig und klug durchgeführt werden. Ich habe deshalb einen abweichenden Gesetzesvorschlag ins Parlament eingebracht. Er soll bewirken, dass man nicht mehr behaupten kann, dass der Landesjustizrat von einer Partei dominiert wird, dass er unter politischem Einfluss steht. Dieser Eindruck darf nicht entstehen."
Der Landesjustizrat ist unter anderem für die Auswahl neuer Richter zuständig. Der Vorschlag von Duda hätte tatsächlich dazu geführt, dass auch die Opposition seine Besetzung mitbestimmen kann. Letztendlich aber knickte Duda ein - und schwenkte um auf einen Kompromiss mit der Regierung, der die Opposition de facto außen vor lässt. Anna Materska-Sosnowska, Politologin an der Universität Warschau:
"Laut Verfassung hat der Präsident weit mehr Vollmachten als etwa der deutsche Bundespräsident. Er sollte eigentlich die verfassungsmäßige Ordnung verteidigen und die gesamte Nation repräsentieren. Keine dieser Rollen hat er ausgefüllt, sondern vielmehr selbst die Verfassung gebrochen. Er hat auch dazu beigetragen, die internationale Position Polens zu schwächen."
Duda ist kein unabhängiger Präsident
Auch in seiner Kritik an der Europäischen Union näherte sich Duda während seiner Amtszeit immer weiter dem rechten Flügel der PiS an. So kritisierte er zu Jahresbeginn noch den Eilantrag der EU-Kommission an den Europäischen Gerichtshof, die neu eingerichtete "Disziplinarkammer" am Obersten Gericht Polens zu stoppen. Die EU-Kommission sieht hier die Unabhängigkeit polnischer Richter und damit die Rechtsstaatlichkeit gefährdet:
"Sie wollen uns das Recht wegnehmen, ein ehrliches Gerichtssystem zu schaffen. Wir können nicht zulassen, dass andere über uns entscheiden. Dafür haben wir um die Demokratie gekämpft. Ich sage es noch einmal ganz laut: Wir lassen uns hier nicht in fremden Sprachen diktieren, welches System wir in Polen haben sollen und wie wir unsere polnischen Angelegenheiten regeln."
Im Wahlkampf berief sich Duda oft auf die Erfolge der rechtskonservativen Regierung. Vor allem auf deren Sozialpolitik, die bei vielen Polen gut ankommt. Während der Fernsehdebatte am Mittwoch sagte Duda:
"Ich erinnere mich an den Wahlkampf vor fünf Jahren. Die Leute haben uns angefleht, dass wir das Renteneintrittsalter, das von der damaligen Regierung angehoben worden war, wieder absenken. Ich habe dieses Gesetz eingebracht, das Rentenalter ist wieder gesunken. Ich habe das Gesetz zum neuen Kindergeld unterschrieben und die 13. Monatsrente. Diese sozialen Errungenschaften werde ich verteidigen und ausbauen."
Coronapandemie verändert die politische Lage
Malgorzata Kidawa-Blonska von der Bürgerplattform schien unter den Oppositionskandidaten zunächst die besten Chancen zu haben. Die 63-Jährige war schon die Spitzenkandidatin ihrer Partei bei den Parlamentswahlen im vergangenen Herbst, verkörperte damals wie jetzt die Strategie der Rechtsliberalen: auf Versöhnung zu setzen, auf eine betont sanfte Rhetorik.
"Wenn ihr den Traum habt, eure eigene Firma zu gründen, dann bin ich auf eurer Seite. Ich bin es auch, wenn ihr eine gut bezahlte Arbeit sucht, damit eure Familie gut lebt. Und wenn ihr eine staatliche Unterstützung bekommt, aber euch eine neue Chance erarbeiten wollt, dann bin ich es erst recht. Zusammenarbeit, nicht Streit, das ist unser Ziel."
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Diese Botschaft traf erst den Nerv der Gesellschaft. Viele Polen sind schon lange müde vom ewigen Streit um Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Doch dann kam Corona. Auch in Polen wurden Versammlungsverbote ausgesprochen. Die Oppositionskandidaten konnten nicht mehr öffentlich auftreten. Es gab praktisch keinen Wahlkampf. Die Oppositionskandidaten konnten weder reisen noch vor Publikum auftreten. Zudem gab es außer Corona keine politischen Themen mehr, sagt Anna Materska-Sosnowska von der Universität Warschau:
"Das Coronavirus eignet sich nicht für den politischen Kampf. Die Opposition musste zusammen mit der Regierung die Auswirkungen der Pandemie bekämpfen."
Duda nutzt das Coronavirus zur Präsentation
Die Chancen für die Oppositionskandidaten sanken also rapide durch das Coronavirus. Anders für den amtierenden Präsidenten Andrzej Duda, der sich dank seines Amtes als Corona-Bekämpfer an vorderster Front präsentieren kann. Er hielt Reden an die Nation, besuchte Krankenhäuser und sogar die halbstaatliche Chemiefabrik Orlen.
Umfragen zeigen, dass Andrzej Duda die Wahl derzeit klar gewinnen würde. Womöglich würde er schon im ersten Wahlgang über 50 Prozent der Stimmen bekommen. Beobachter sehen darin den Hauptgrund dafür, dass der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski die Wahl unbedingt jetzt durchziehen wollte.

Denn es ist keineswegs ausgeschlossen, dass die Stimmung bald kippt. Die Regierung hat zwar umfangreiche Rettungspakete beschlossen. Aber die Unterstützung kommt längst nicht bei allen an. Die über eine Million Polen, die ohne regulären Arbeitsvertrag beschäftigt waren, sitzen auf dem Trockenen. Und sehr viel mehr kann die Regierung nicht ausgeben. Ihre Sozialpolitik – in der Bevölkerung erfolgreich – hat dazu geführt, dass sie keinerlei Rücklagen bilden konnte.
Wenn das in den kommenden Wochen auf die Stimmung durchschlägt, dann könnten die Umfragewerte der Regierung, und damit auch von Andrzej Duda, sinken. Eine Chance für die Oppositionskandidaten, die bisher keine besonders gute Figur abgegeben haben. Das gilt besonders für Malgorzata Kidawa-Blonska. Als die PiS noch eine reine Briefwahl anpeilte, erklärte sie:
"Es darf am 10. Mai keine Wahl geben. Deshalb sollten die Polen die Wahl, wenn sie stattfindet, boykottieren. Wir müssen dafür sorgen, dass der Lebensstandard in Polen nicht sinkt, dass die Schüler wenigstens ihre Abschlussprüfungen machen können. Wahlen sollten jetzt weit in den Hintergrund treten."
Eine Frau in weißer Schutzkleidung hält ein elektronisches Fieberthermometer durch ein geöffnetes Autofenster. 
Fieber-Kontrollen Im März durch den polnischen Rettungsdienst an der Grenze zu Deutschland (dpa/Sebastian Kahnert)
Stirn bieten statt Wahlboykott
Das verstanden viele Wähler nicht, hieß es doch, dem amtierenden Präsidenten Andrzej Duda den Sieg auf dem Silbertablett zu präsentieren, wie Kritiker meinten. Die Umfragewerte von Kidawa-Blonska fielen in den einstelligen Bereich.
Die Stirn bieten, kämpfen – statt sich der Stimme zu enthalten. Diese Strategie fuhr stattdessen ein politischer Neuling, der konservative Publizist Szymon Holownia. Mit Erfolg: In den Umfragen landete er hinter dem amtierenden Präsidenten Duda auf dem zweiten Platz. Holownia ist parteilos und hatte bisher kein politisches Amt inne. Er machte sich als Buchautor und Fernsehmoderator einen Namen und präsentiert sich als tiefgläubiger Katholik. Trotzdem verspricht er, mehr Distanz zur Kirche zu halten als die PiS.
Anders als die PO nutzte der 43-Jährige von Anfang an gezielt soziale Netzwerke, um seine Botschaften zu platzieren. Am liebsten auf seinem eigenen Facebook-Kanal:
"Natürlich können wir erst einmal nur an uns selbst denken. Aber sollten wir nicht an Polen denken? Was aus dem Land wird nach der Wahl? Sollten wir nicht um etwas, das wir lieben, bis zum Umfallen kämpfen? Dieses Regime wird uns weiter in den Sumpf ziehen und tun und lassen, was es will. Und wir können sagen: Ja, aber wir haben Zeugnis abgelegt, dass wir anständig sind."
Die polnische Präsidentschaftswahl wird also verschoben, mindestens um einen Monat, und die Karten werden neu gemischt. Die Oppositionskandidaten können den Wahlkampf, der ihnen wegen Corona unmöglich war, nachholen. Dabei werden sie sicher nicht nur ihr Programm für sich ins Feld führen. Sondern auch die Vorgänge im Regierungslager in den vergangenen Woche, das einer Demokratie unwürdige Gerangel um eine für alle akzeptable Organisation der Wahl.