Debatte über Kinderbuch-Klassiker

Rassismus im Lummerland

06:40 Minuten
Jim Knopf auf der Lokomotive Emma, Lukas der Lokomotivführer in der Lokomotive und der Postbote daneben.
Wie problematisch sind die Beschreibungen von Jim Knopf heute? © imago/ epd
Mieke Woelky im Gespräch mit Andrea Gerk · 31.08.2020
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Der Umgang mit Rassismus ist heute ein anderer als früher, die Sensibilität für das Thema inzwischen deutlich größer. Deswegen gibt es nun auch Debatten über problematische Passagen in Pippi Langstrumpf- oder Jim Knopf-Büchern.
Seit mehreren Jahren schon gibt es eine Debatte um Rassismus und rassistische Begriffe in Kinderbüchern. Prominent ist in dieser Hinsicht zum Beispiel das "Taka-Tuka-Land" in Astrid Lindgrens Pippi Langstrumpf-Geschichten. In letzter Zeit geriet nun auch Michael Endes Jim Knopf-Reihe in die Kritik.
Ausgelöst hat die Debatte die Hamburger Kita-Leiterin Christiane Kassama, die in einem "Zeit"-Interview gesagt hatte, die Bücher um den schwarzen Jim Knopf würden reihenweise Klischees reproduzieren. Andere konterten und betonten: Gerade Michael Ende, der ein erklärter Antirassist war, habe den Rassenwahn der Nazis konterkariert.
Wir haben darüber mit Mieke Woelky von der Berliner Buchhandlung Odradek gesprochen. Sie verkauft schon lange Kinderbücher und ist auch dafür mitverantwortlich, dass der Oetinger-Verlag eine rassistische Geschichte aus einem Sammelband entfernt hat.

"Man muss sehr genau hinschauen"

Woelky ist es sehr wichtig, dass keine Bücher unter Rassismusverdacht in ihren Regalen stehen. Gerade bei Klassikern müsse man oft sehr genau hinschauen, sagt sie. Zahlreiche neue Bücher würden hingegen vielfältige Bilder zeigen und Kinder mit unterschiedlichen Hintergründen und unterschiedlichen Aussehens abbilden.
Jim Knopf stehe in ihrer Buchhandlung aber trotzdem im Regal, sagt Woelky. Die Bücher seien zwar ein bisschen mit Vorsicht zu genießen, weil es dort heikle Stellen gebe und auch die Illustrationen nicht unproblematisch sein, sie würden aber insgesamt tolle Geschichten erzählen.
Wo für sie die Grenze liegt, beschreibt Woelky am Beispiel von Pippi Langstrumpf: "Es gibt von Pippi Langstrumpf ja ganz unterschiedliche Ausgaben, Sammelbände und einzelne Geschichten. Da kann man wirklich gut auswählen und schauen, wo kommt was vor und wo ist zum Beispiel diese Taka-Tuka-Land-Geschichte mit drin und wo nicht. Und dann kann man einfach entscheiden, was man ins Sortiment nimmt und was nicht."

Alte Geschichten für heutige Zeiten fit machen

Bei einem anderen Werk von Astrid Lindgren, den Kindern aus der Krachmacherstraße, war Woelky sogar an einem Aufruf der Radiomoderatorin Boussa Thiam beteiligt, die den Verlag zu einer Änderung bewegt hat: "Es gibt die Geschichte 'Lotta ist ein kleiner Sklave'. Da wird ein Kind gefangen genommen und ist eingesperrt. Das ist wirklich eine Geschichte, die man eigentlich nicht vorlesen kann, weil sie ein degradierendes und diskriminierendes Porträt zeichnet. Wenn aber diese einzelne Geschichte aus dem Band genommen wird, kann ich das Buch guten Gewissens wieder verkaufen." Eine Idee, der der Verlag gefolgt ist, er strich "Lotta ist ein kleiner Sklave" aus dem Sammelband.
Es sei wichtig, dass man jedem Kind Geschichten wie Pippi Langstrumpf oder Jim Knopf vorlesen könne, ohne dabei Bauchschmerzen zu haben, meint Woelky. Man müsse auch daran denken, dass diese Bücher vielen afrodeutschen Kindern vorgelesen würden und man dann ein Problem habe. "Da muss man auf jeden Fall was machen, da geht kein Weg dran vorbei", so Woelky.
(hte)
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