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Gestern Retter, morgen Rentner

Am Sonntag jährt sich bei der CSU der Neuanfang: Auf einem Sonderparteitag wurde Horst Seehofer zum neuen Vorsitzenden gewählt. Nun scheint es, als könne der CSU-Chef schon bald wieder abgewählt werden.

Von Barbara Roth | 22.10.2009
    Am Sonntag jährt sich bei der CSU der Neuanfang. Auf einem Sonderparteitag am 25. Oktober 2008 wurde Horst Seehofer zum neuen Vorsitzenden gewählt. Und zwei Tage später auch als bayerischer Ministerpräsident vereidigt.

    "Ich weiß, was da auf mich zukommt. Ich weiß um die Erwartungshaltung."

    Seehofer lässt sich damals als Hoffnungsträger feiern. In ihrer Not hat die gebeutelte CSU ihn als Retter gerufen. Er soll die Partei nach dem Desaster bei der bayerischen Landtagswahl wieder zu alter Stärke führen. Er genießt es, galt er doch jahrelang bei seinen Parteifreunden als unberechenbarer Egomane.

    "Ich möchte, dass wir mit dem heutigen Tag beginnen, so zu arbeiten, uns personell so aufzustellen, dass wir unsere notwendige, existenzielle und historische Marke von 50 Prozent wieder überschreiten. Es kann für uns überhaupt gar kein anderes politisches Ziel geben. Und lasse ich mich auch an dem messen. Und ich möchte, dass wir schon in absehbarer Zeit sagen können, die Christlich Soziale Union ist wieder da. Lassen Sie uns für dieses Ziel arbeiten."

    Seehofer regiert Land und Partei absolutistisch und mit Zickzack-Kurs: Er schmiedet eine Koalition mit der FDP und attackiert sie dann im Wahlkampf heftig. Er poltert morgens gegen die Schuldenmacher in Berlin, um abends populistisch milliardenschwere Steuerentlastungen zu fordern. Er schlägt sich bei der Europawahl achtbar - und stürzt dann bei der Bundestagswahl jäh ab. Mit 42,5 Prozent der Zweitstimmen fährt seine CSU ihr historisch schlechtestes Ergebnis seit 1949 ein.

    "Das Abschneiden der CSU in Bayern ist nicht zufriedenstellend. Es macht keinen Sinn, daran vorbeizureden. Das ist insgesamt enttäuschend."

    Der Hoffnungsträger ist entzaubert, seine Autorität dahin. Interne Kritik hat Seehofer stets mit der Bemerkung abgebügelt, er wisse, wie man Wahlen gewinnt. Nun hat er die 43,4-Prozent-Schlappe bei der bayerischen Landtagswahl sogar noch unterboten. Seine Vorgänger - das glücklose Duo Günther Beckstein und Erwin Huber - mussten deshalb zurücktreten. Der Oberbayer aber bleibt im Amt, obwohl er enttäuscht hat.

    "Natürlich habe ich als Parteivorsitzender dafür auch die Hauptverantwortung. Und ich stelle mich dieser Verantwortung, gemeinsam mit meiner Partei."

    Seehofer ist angeschlagen, steht massiv unter Druck. Seine parteiinternen Gegner blasen zur Demontage. Noch am Wahlabend melden sich die Kritiker zu Wort. Es sind nicht die enttäuschten, wegen ihres Alters entlassenen Ex-Minister, die mit ihm sowieso noch eine Rechnung offen haben. Es sind prominente Namen, die aufhorchen lassen. Etwa der ehemalige Landtagspräsident Alois Glück und Ex-Parteichef Erwin Huber. Aufgeschreckt hat sie eine ARD-Umfrage, wonach nur noch 25 Prozent der Wähler die CSU für glaubwürdig halten.

    "Dass die CSU hier einer Vergleichsstudie an letzter Stelle ist bei der Glaubwürdigkeit, das ist für mich das größte Alarmsignal, das es überhaupt geben kann."

    "Natürlich ist es auch die besondere Verantwortung des Parteivorsitzenden, denn der ist ja die Führungsfigur nach außen. Und dass wir einen klaren Kurs machen wollen, klare Linie, das zu verkörpern ist in besonderer Weise Aufgabe, Verpflichtung, Verantwortung des Parteivorsitzenden."

    Seehofer hat sich gründlich verzockt. Er hat im Wahlkampf viel zu viel versprochen und Vertrauen verspielt. Seine CSU hat an Ansehen verloren, sitzt in Berlin nur am schwarz-gelben Katzentisch. CSU-Liebling Karl-Theodor zu Guttenberg spricht vornehm aus, was viele in seiner Partei denken.

    "Ich glaube, dass wir sehr genau analysieren werden, wie es gelaufen ist, und dass wir deutlich machen können, dass auch der eine oder andere nachdenkliche Ton nicht zwingend schaden muss."

    Vor allem Landwirte, Mittelständler und Handwerker haben den Christsozialen enttäuscht den Rücken gekehrt. Der Gleichklang Bayern gleich CSU war gestern - auf ihre traditionellen Stammwähler kann sich die CSU schon lange nicht mehr verlassen. Und auf viele Zugezogene aus anderen Bundesländern wirkt die Franz-Josef-Strauß-Partei einfach zu antiquiert. Auch im Freistaat hat sich die Bevölkerung verändert. Neu ist diese Erkenntnis nicht, räumt Umweltminister Markus Söder ein.

    "Die Hauptherausforderung ist, dass sich Bayern verändert hat - aber wir uns noch nicht ausreichend mitentwickelt haben. Die Bayern sind heute freier, ökologischer und unabhängiger geworden, das muss man ansehen. Auch in der Struktur der Bevölkerung beispielsweise. Der wirtschaftliche Erfolg hat sehr viel Zuzug gebracht aus ganz Deutschland. Wir spüren, dass wir bei Jungwählern, bei jungen Frauen, bei jungen Familien bei weitem nicht die Akzeptanz haben, wie vor zehn oder 20 Jahren. Darauf muss man reagieren."

    Althergebracht oder modern? - so simpel stellt sich die Frage. Es geht um eine inhaltliche Diskussion. Um den künftigen Kurs der CSU. Über eine programmatische Neuausrichtung hat man zwar in einer Grundsatzkommission ausführlich debattiert - sie aber in der Partei nie offen ausdiskutiert; ein Beispiel: der Donauausbau. Hier prallen in der CSU Naturschützer unversöhnlich auf Wirtschaftsförderer. Während Söder eine moderne CSU will, fordert der niederbayerische Bezirksvorsitzende Manfred Weber eine Rückbesinnung auf alte Werte als Konsequenz aus der Niederlage bei der Bundestagswahl.

    "Was ich als Antwort sehen würde: Wir müssen zurück zu den Wurzeln. Das heißt: Nicht sich um neue Wählerschichten kümmern, um vermeintliche Lebensthemen und grüne Themen. Im Kern müssen wir zurück zu den konservativen Werten, zu den christlich-konservativen Werten, die die CSU immer stark gemacht haben. Und das müssen wir in der Partei breit diskutieren."

    Bislang schwelt der Richtungsstreit in der CSU nur im Verborgenen. Spätestens nach den Koalitionsgesprächen in Berlin aber dürfte er offen ausbrechen. Der Partei stehen konfliktreiche Diskussionen bevor. In denen muss auch der Vorsitzende Farbe bekennen und sich auf einen klaren inhaltlichen Kurs festlegen. Bislang scheut Seehofer diese Konfrontation.

    "Wir haben jetzt schwierigste Koalitionsverhandlungen zu führen. Es geht um die Zukunft Deutschlands und damit auch Bayerns. Und da gibt es keine Personaldebatte, das ist einmütige Meinung, auch der Fraktion."

    Zum jetzigen Zeitpunkt soll es, darf es keine Diskussion über Horst Seehofer geben. Darüber sind sich führende Parteimitglieder wie Landtagsfraktionschef Georg Schmid einig. Eine - als schonungslos - angekündigte Wahlanalyse in der Münchner Landtagsfraktion wird deshalb einfach vertagt - auf irgendwann im November.

    "Eine Personaldiskussion und Rücktritte sind zum jetzigen Zeitpunkt weder notwendig noch sinnvoll."

    Zum jetzigen Zeitpunkt, sagt der Vorsitzende der bayerischen Jungen Union, Stefan Müller - man achte auf die Wortwahl. Trotzdem: Schon jetzt lassen sich nicht alle den Mund verbieten; wie einst bei Edmund Stoiber eine Gabriele Pauli.

    Dieses Mal ist es ein kleiner CSU-Ortsvorsitzender aus Mittelfranken, der für Wirbel sorgt: Kurt Taubmann hat einen Offenen Brief an Horst Seehofer geschrieben, in dem er ihn an ein Versprechen erinnert, das der im November 2008 auf einer Parteiveranstaltung in Erlangen vor rund 300 CSU-Mitgliedern gegeben haben soll. Taubmann zitiert Seehofers Äußerung, wie er sie in Erinnerung hat.

    "Sie dürfen mich beim Wort nehmen und daran messen, wenn ich ein schlechteres Ergebnis erziele, als der Herr Beckstein bei der Landtagswahl 2008 hatte, dann werde ich als Parteivorsitzender und Ministerpräsident zurücktreten."

    Genau das aber hat Seehofer bekanntlich nicht getan. Weshalb der CSU-Ortsvorsitzende aus dem Dörfchen Wieseth nun wissen will, was das Wort eines Ministerpräsidenten eigentlich noch wert ist.

    "Es geht nicht darum, jemand fertig zu machen oder abzusägen. Es geht darum, dass das gesprochene Wort wieder was gilt. Und dass gewisse Konsequenzen auch gezogen werden. Er soll so schnell wie möglich runterkommen und das klären."

    Das tut Seehofer nicht. Er lässt Taubmann über seinen Persönlichen Referenten lediglich ausrichten, er habe für so was jetzt keine Zeit. Ähnliches ließ Stoiber einst auch der CSU-Rebellin Pauli übermitteln. Im Januar 2007 wurde er dann gestürzt. Innenminister Joachim Herrmann muss Seehofer zur Seite springen. Als mittelfränkischer CSU-Bezirkschef weist er jegliche Kritik zurück.

    "Es gibt keinen Aufstand gegen Horst Seehofer. Das ist dummes Zeug. Wir haben Hunderte, ja über 1000 Ortsverbände in Bayern. Und wenn da ein Ortsvorsitzender so etwas sagt, müssen wir deswegen nicht in wilde Personaldiskussionen ausbrechen."

    Doch dafür ist es längst zu spät. Es grummelt an der Basis der CSU - hörbar. Und dieses Rumoren lässt sich weder verheimlichen noch unterdrücken. Denn an der Parteibasis ist die Analyse über das miserable Abschneiden bei der Bundestagswahl längst gemacht. Vor allem der Vertrauensverlust ist erkannt - und der wird sehr wohl mit Seehofers Namen in Verbindung gebracht.


    "Für mich gibt es nur eine Erklärung: Das ist Herr Seehofer und seine Wankelmütigkeit. Jede Minute ändert er seine Meinung und es ist unerträglich, was der Mann von sich gibt."

    "Seehofer ist ein bisschen ein Pendel-Minister, der sagt einmal hü und einmal hott. Das glauben ihm die Leute nicht mehr. Der hat ganz klar die Quittung gekriegt."

    "Glaubwürdigkeit, das ist das A und O. Weil man Wahlversprechen macht, die man gar nicht einhalten kann."

    "Damit hat man gerechnet, dafür ist er bekannt, dass er nicht immer berechenbar ist."

    "Und ich vergleiche es hier mit dem FC Bayern. Wenn die Manager sehen, der Trainer bringt es nicht, muss man reagieren – und zwar beim Trainer. Und eine Gnadenfrist gibt es da nicht. Das hat man gesehen beim Huber und Beckstein."

    Kommenden Montag muss sich Horst Seehofer einem Kleinen Parteitag stellen. Rund 200 Delegierte sollen in München den Koalitionsvertrag der Union mit der FDP absegnen. Für Seehofer hängt ein Jahr nach seinem Amtsantritt viel - manche in der CSU sagen alles - davon ab, welche Ergebnisse er aus Berlin mitbringen kann, welche seiner Versprechungen er durchsetzen kann. Der CSU-Chef legt sich bereits fest:

    "Eine Steuererhöhung wird nicht stattfinden. Senkung der Einkommenssteuer wird stattfinden. Ich denke, dass das Jahr 2011 mit einer Steuerentlastung auf jeden Fall dabei ist. Das war ja für uns ein wichtiger Punkt, wie Sie wissen."

    Im zähen Ringen mit Angela Merkel und Guido Westerwelle versucht Seehofer das Maximum herauszuholen, um zu Hause seine Macht zu sichern. Vollmundig hat er Steuersenkungen, Hilfen für Milchbauern und die Gastronomie sowie Korrekturen am Gesundheitsfonds garantiert. Zudem pocht er für seine CSU auf das Finanz- oder das Wirtschaftsministerium. Seine Handschrift muss im Koalitionsvertrag deutlich erkennbar sein, ansonsten wird Seehofer die Diskussion um seine Person nicht los.

    "Es gibt keine Koalition, die mit einem Wortbruch beginnt. Das war von Anfang an meine Marschroute und dabei bleibt es auch. Ich mache solche Wahlaussagen nicht ins Blaue hinein, um populistisch vorzugehen, sondern es ist wohlüberlegt."

    Zur Rebellion der Parteibasis wird es auf dem Kleinen Parteitag wohl nicht kommen. Aber Seehofer wird sich erklären müssen. Um sich aus der Schusslinie zu bringen, würde er, so heißt es, notfalls seinen Generalsekretär Alexander Dobrindt opfern.

    "Dass man auch mal für seine Überzeugungen eintritt. Dass man, wenn der Wind mal eisig bläst, nicht sofort umknickt oder einknickt, sondern dass man auch mal stehen bleibt. Und meine Damen und Herren, ich habe es auch persönlich nicht vor, diese Maßgabe im politischen Handeln aufzugeben in den kommenden Jahren, auch wenn es einem nicht immer Freude bereitet."

    Ihm glaubt man. Karl-Theodor zu Guttenberg wird auf einer Veranstaltung des CSU-Kreisverbandes Ebersberg gefeiert. Im Gegensatz zu Seehofer, der seit der Wahl keinen einzigen Basistermin wahrgenommen hat. Der 37-Jährige ist der personifizierte Gegenentwurf zu seinem Mentor. Das zeigt sich zuletzt deutlich am Beispiel Quelle. Der Ministerpräsident hat seine Reputation zugunsten des Fürther Versandhauses in die Waagschale geworfen - und ist gescheitert.

    Sein Bundeswirtschaftsminister dagegen stand Staatshilfen schon immer kritisch gegenüber, sei es für Quelle oder Opel - das Aus von Quelle in dieser Woche gibt ihm Recht; für Seehofer ist es eine Pleite. Seinen Chef erwähnt Guttenberg mit keinem Wort, aber Hunderte CSUler wissen, wem diese versteckte Kritik zu gelten hat.

    "Natürlich kann man mit guten Argumenten auch mal von einer Gegenposition überzeugt werden. Und muss dann auch mal einen anderen Weg einschreiten. Aber dann müssen die Argumente gut sein, damit es nicht ansatzweise dazu kommt, dass man als politisch Handelnder wie ein Fähnlein im Winde betrachtet wird. Und das mit jeweils wechselndem Wind das Fähnlein dann auch die Richtung wechselt. Und deshalb ist es so wichtig, unglaublich wichtig, dass man Einschätzungen wahrnimmt, wenn einem mangelnde Glaubwürdigkeit vorgeworfen wird."

    Mit Guttenberg als Parteichef könnten viele CSU-Mitglieder leben. Doch er ist der Kronprinz, nicht der Königsmörder. Der Baron kann warten - auch bis zu einem Parteitag im Jahr 2011, wenn sich der Vorsitzende turnusgemäß zur Wiederwahl stellen muss. Ministerpräsident kann der 37-Jährige derzeit sowieso nicht werden. Denn die bayerische Landesverfassung schreibt für das höchste Amt im Freistaat ein Mindestalter von 40 Jahren vor.

    Es fehlt also die personelle Alternative. Und das ist Seehofers Glück. Es gibt Grummeln, aber es gibt keine Rudelbildung gegen ihn, lässt sich ein Landesminister anonym zitieren. Guttenberg hat es nicht eilig, den Parteivorsitz zu übernehmen und ein mehrheitsfähiger Kandidat für das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten ist nicht in Sicht. Innenminister Joachim Herrmann gilt politisch als zu blass, Finanzminister Georg Fahrenschon als zu unbekannt und Umweltminister Markus Söder als in der Partei nicht durchsetzbar. Dem ehrgeizigen Stoiber-Schüler hat man nämlich bis heute seine unflätige Haudrauf-Rhetorik als einstiger Generalssekretär nicht verziehen.

    "Ich glaube, dass Horst Seehofer fester im Sattel sitzt als viele meinen. Weil es zum jetzigen Zeitpunkt keinen Sinn macht, nur aus einer emotionalen Lage heraus Personaldinge anzugehen. Wir haben innerhalb von drei Jahren drei Parteivorsitzende gehabt - Stoiber, Huber, Seehofer - drei Ministerpräsidenten - Stoiber, Beckstein, Seehofer - und das hat uns nicht geholfen. Die Erfahrungen der letzten drei Jahre zeigt ja auch, dass das Auswechseln des Spitzenpersonals nicht zwingend zu besseren Ergebnissen führt, sondern dass die Probleme tiefer liegen","

    … sagt Markus Ferber. Der Chef der CSU-Europaabgeordneten zählt sicher nicht zu Seehofers Freunden.

    Der Aufstand ist also vertagt. Über den Berg aber ist der geschwächte Parteichef nicht. Seine Gegner nutzen die Gunst der Stunde und fordern mehr Teamgeist ein. Der 60-Jährige muss sich und seinen Führungsstil ändern.

    ""Die Zeit der Einzelentscheidungen ist vorbei. Es geht jetzt schon darum, ein Team zu bilden, alle Kräfte der Partei mit aufzunehmen. Die Menschen wollen ernst genommen werden, die Basis will ernst genommen werden. Es muss ein Mehrwert haben, CSU-Mitglied zu sein. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Partei zu einer Plakatklebetruppe verkommt. Und natürlich auch Fragen, die an der Spitze zu beantworten sind: Hat das, was am Morgen verkündet wird, am Abend noch Gültigkeit, das hat uns sehr viel Glaubwürdigkeit gekostet und hat uns auch dieses Ergebnis beschwert."

    Ändert sich nichts - droht im Januar Wildbad-Kreuth. Dort trifft sich die Landtagsfraktion traditionell zur Winterklausur - und die selbst ernannte Herzkammer der CSU ist seit Stoibers Abschuss Anfang 2007 Putscherfahren.

    Seehofer hat in der Fraktion mehr Gegner als seine Vorgänger. 18 von 92 Abgeordneten waren früher einmal in der Regierung und wären dort auch gerne noch geblieben. In Kreuth, so wird gemunkelt, könnte sich viel Frust über Seehofer entladen.

    Der weiß um sein ramponiertes Image. Doch so einfach aufgeben, alles hinschmeißen und zurücktreten, wird Seehofer nicht. Ein solches Gerücht macht derzeit in Berlin die Runde. Nein, sagt der 60-Jährige: Er will kämpfen; um Glaubwürdigkeit, um Vertrauen und gegen parteiinterne Kritik.

    "Parteien sind, und zwar alle, gnadenlos erfolgsorientiert. Und der Erfolg manifestiert sich nur an der Wahlurne, sonst nirgendwo. Und Parteien gehen sehr, sehr hart mit Politikern um, die keinen Erfolg mehr haben. Das kann mit auch passieren. Und ich hätte auch Verständnis dafür."

    Kein Jahr ist diese Äußerung alt. Seehofer weiß, seine CSU wird gnadenlos sein - je näher das Superwahljahr 2013 rückt. In gut drei Jahren stehen innerhalb von nur acht Monaten Kommunal-, Europa-, bayerische Landtags- und Bundestagswahlen an. Seehofer spielt auf Zeit, doch viel Zeit bleibt ihm nicht. Er hat lediglich eine Gnadenfrist: Gewinnt er Ansehen und Standing nicht rasch zurück, kann der Wechsel an der Spitze sehr schnell gehen.