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Kein Geschäft mit stillen Örtchen

In Bochum gibt es Streit an der Marie-Sibylla-Merian-Gesamtschule. Die Schüler sollten dort für den Gang zu besonders gepflegten Toiletten zahlen. Doch die Bezirksregierung in Arnsberg hat das jetzt verboten.

Von Dirk Biernoth | 10.09.2013
    Das Wort Hygiene wurde an der Marie-Sybilla-Merian-Gesamtschule lange Zeit nur im Deutschunterricht großgeschrieben. Die Schultoiletten waren völlig verdreckt.

    "Bei uns auf der Schule sind die Toiletten richtig ekelig. Und da gehe ich auch nicht gerne auf die Toilette, weil ich ekel mich davor."

    "Bei uns ist es auch ekelig. Da, wenn die Mädchen ... Da liegen auch überall die Binden rum von denen."

    Die Wände waren mit Sprüchen beschmiert. Die Toilettenbrillen sahen aus wie bei einem Dixi-Klo nach einem Rock-Festival. Ein bestialischer Gestank rundete dieses Bild noch ab. Doch dann kam Schulleiter Martin Breuer auf die Idee, eine Premium-Toilette bauen zu lassen. Na ja, genau genommen ist er nicht ganz alleine auf diese Idee gekommen.

    ""Nein, ganz im Gegenteil. Sie ist ja von unserer SV im Wesentlichen mit unterstützt worden. Weil diejenigen, die vorher auf unsere alte Toilette gegangen sind, sich ja bei uns beschwert haben, haben gesagt: ,Die Toilette ist ja gar nicht mehr nutzbar‘. Und wir müssen eine Regelung finden, damit diese Toiletten weiterhin nutzbar sind. Und ich will noch mal ganz deutlich sagen diese Toiletten-Anlage hat 120.000 Euro gekostet. Und wir sind als Schule verpflichtet, dem Steuerzahler diesen Wert auch zu erhalten."

    120.000 Euro hat also die Sanierung gekostet. Viel Geld, das ja auch irgendwie wieder reinkommen muss. Und das führte zu einem neuen Geistesblitz bei Schulleiter Martin Breuer: Die Schüler sollten für den Gang zu den besonders gepflegten Toiletten zahlen. Entweder zehn Cent pro Besuch der Premium-Toilette oder 10 Euro pro Jahr - eine Pinkel-Flatrate sozusagen. Trotzdem gibt es natürlich auch Kinder, deren Eltern nicht zahlen wollen oder können. Früh übt sich die marxistische Klassengesellschaft. Auch wenn Schulleiter Martin Breuer diese Kritik als haltlos zurückweist.

    "Wir sehen das nicht, dass wir eine Zweiklassengesellschaft bekommen, weil wir diesen Prozess ja lange vorbereitet haben. Es ist ein Zeitraum von mehreren Monaten oder sogar Jahren gewesen. Der ist in Abstimmung mit dem Schulträger und auch mit den Eltern, mit den Beschlussorganen der Schule, mit der Schulkonferenz einstimmig getroffen worden. Und es geht uns nicht darum, eine soziale Ungleichheit da rein zu bekommen. Zehn Cent für einen Toilettenbesuch sind jetzt nicht so wahnsinnig viel."

    Das große Geschäft dürfte die Schule wohl nicht damit machen - jedenfalls nicht im finanziellen Sinne. Außerdem könnten arme Schüler ja immer noch die alten Toiletten benutzen, sagt der Schulleiter.

    "Und es gibt ja noch die Möglichkeit, dass es in der Schule Toiletten gibt, die jederzeit von allen Schülerinnen und Schülern kostenlos genutzt werden können. Diese bieten wir an in der Mensa, die sind im Hauptschulgebäude und sind natürlich auch in der Sporthalle vorhanden."

    Trotz dieser großzügigen Geste des Schulleiters hat die Bezirksregierung Arnsberg der Marie-Sibylla-Merian Gesamtschule jetzt die Rote Karte gezeigt. Denn laut einem Erlass des Schulministeriums aus dem Jahr 2009 ist die Errichtung von Premium-Toiletten verboten. Dies stellt Schulleiter Martin Breuer wieder vor alte Probleme.

    "Wir hatten vorher das Problem, dass auf diesen Toiletten, auch auf den Außentoiletten, regelmäßig sich ältere Schüler versammelt haben. Die haben dort geraucht, die haben zum Teil die Wände beschmiert. Die Toiletten sahen unansehnlich aus, waren unhygienisch und nicht mehr nutzbar. Und das ist jetzt alles weg. Und im Schulgebäude haben wir eine andere Situation: Da haben wir Einzeltoiletten. Da gibt es gar nicht die Möglichkeit, dass sich Schülerinnen und Schüler da in großen Mengen zusammenrotten können, um Dinge zu tun, die man auf der Toilette gemeinhin nicht macht."

    Der Schulleiter sucht deshalb jetzt gemeinsam mit der Bezirksregierung nach anderen Lösungen, um dem Vandalismus auf den neuen Toiletten Einhalt zu gebieten. Nach Hessen sollte er dabei vielleicht lieber nicht schauen. Dort gibt es ganz anderen Ärger mit den Schultoiletten: Hessische Datenschützer schlagen Alarm, nachdem einige Schulen Überwachungskameras auf dem stillen Örtchen installiert haben.