Dienstag, 16. April 2024

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Rüstungsbeschränkung
"Das gefährdet die deutschen Interessen weltweit"

Deutschland sei nicht mehr in der Lage, sich selbst zu helfen, wenn die Rüstungsindustrie abwandere, sagte Andreas Lämmel, CDU-Obmann im Bundestagsausschuss für Wirtschaft, im DLF. Man könne auch nicht über Nacht die Rüstungsindustrie auf zivile Produkte umstellen.

Andreas Lämmel im Gespräch mit Christoph Heinemann | 19.08.2014
    Ein Demonstrant trägt ein Schild in Form eines Panzers aus Holz mit der Aufschrift "Legt den Leo an die Kette"
    Anti-Rüstungs-Demo / Andreas Lämmel: "Wehrtechnische Industrie bringt auch sehr viele Beiträge für das zivile Leben" (dpa / Daniel Naupold)
    Christoph Heinemann: Am Telefon ist Andreas Lämmel, CDU-Unionsobmann im Bundestagsausschuss für Wirtschaft. Guten Tag!
    Andreas Lämmel: Schönen guten Tag, Herr Heinemann, grüße Sie!
    Heinemann: Herr Lämmel, wir haben es gerade gehört, Joachim Pfeiffer, Ihr Unionskollege wirft dem Bundeswirtschaftsminister vor, Sigmar Gabriel gefährde die nationale Sicherheit. Wissen Sie, warum?
    Lämmel: Na ja, also, wenn Herr Gabriel das wirklich umsetzt, was er angekündigt hat – genau wissen wir das ja gar nicht, wie er das machen will –, dann muss man schon davon ausgehen, dass mittelfristig die nationale Sicherheit zumindest einen weiteren Schaden erleidet. Ich meine, wenn man sieht, wie in den letzten Jahren das Thema IT-Sicherheit und, und, und immer weiter abgewandert ist aus Deutschland, kann man jetzt feststellen, dass die nationale Sicherheit auf dem Bereich der IT-Sicherheit durchaus gefährdet ist. Und ähnlich wird das bei der Rüstungsproduktion sein, wenn Fähigkeiten, wenn Technologien auswandern aus Deutschland, sind wir nicht mehr in der Lage, uns selbst zu helfen.
    Heinemann: Ist ja gar nicht die Frage, dass die Technologie auswandert. Brauchen wir weniger Rüstungsexporte?
    Lämmel: Also, Deutschland hat erst mal ganz klare Gesetzlichkeit und Richtlinien, wonach Rüstungsexporte überhaupt nur stattfinden dürfen. Und Sie haben es ja in Ihrem eigenen Beitrag gesagt, 5,9 Milliarden war der deutsche Beitrag. Wenn Sie mal sehen, das ist nicht mal eine Monatsproduktion von Volkswagen, um mal die Größenordnungen auch darzustellen. Und es ist auch ganz klar, dass die Richtlinien besagen, dass in keine Krisengebiete geliefert werden darf. Aber Deutschland ist auch Mitglied der NATO, und das heißt also, dass auch unsere NATO-Partner sich auf Deutschland verlassen können müssen, wenn es darum geht, Waffensysteme, die möglicherweise gemeinsam entwickelt worden sind, auch weiterhin gebaut und exportiert werden können.
    Heinemann: Herr Lämmel, ganz kurz, Sie sagten, es gäbe da ganz klare Gesetze und so weiter. Sie wissen, dass die Ausfuhren in Drittstaaten sehr stark zugenommen haben, vor allem nach Algerien, Katar, Saudi-Arabien, Indonesien. Sind deutsche Waffen in diesen Staaten in guten Händen?
    Lämmel: Der nationale Sicherheitsrat hat über jede dieser Ausfuhren zu befinden ...
    Heinemann: Ich hatte Sie gefragt jetzt.
    Lämmel: Na ja, ich meine, ich muss ja erst mal sagen, das Entscheidungsgremium ist der nationale Sicherheitsrat. Und er wird die Kriterien genau abklopfen, die zu einer Zulassung oder zu einer Nichtzulassung des Rüstungsexportes führen. Und ich denke, dass wir in der Welt Partner brauchen, die stabile Anker auch in schwierigen Regionen sind. Und deswegen muss man zwar über jede Ausfuhrgenehmigung diskutieren, aber letztendlich muss ja auch mal entschieden werden.
    Heinemann: Herr Lämmel, Katar wird vorgeworfen, die ISIS-Terroristen zu unterstützen, die in Syrien und im Irak Christen und Jesiden massakrieren. Sind, noch mal gefragt, deutsche Waffen in guten Händen bei solchen Leuten.
    Lämmel: Also im Falle von Katar sind das Vermutungen, außerdem heißt das ja nicht, dass Katar deutsche Waffen in die Krisengebiete weiter liefert, das ist nämlich strikt verboten.
    Heinemann: Können Sie das ausschließen?
    Lämmel: Das ist strikt verboten. Sondern Katar bezieht Rüstungsgüter aus Deutschland zur Herstellung der eigenen Sicherheit.
    Heinemann: Und Sie glauben, die halten sich in jedem Fall daran.
    Lämmel: Ich habe es ja auch schon gesagt, natürlich muss man über jeden Fall diskutieren. Aber man kann nicht pauschal sagen, Deutschland wird keine Rüstungsgüter oder Deutschland wird immer weniger Rüstungsgüter exportieren. Das gefährdet die deutschen Interessen weltweit. Das ist richtig.
    Heinemann: Da sind die Gewerkschaften weiter als Sie. Roman Zitzelsberger, Bezirksleiter der IG Metall in Baden-Württemberg, sagte bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk, er wolle die Konversionsdebatte weiter vorantreiben, also die Suche nach einer Einsatzmöglichkeit der Rüstungstechnologie auch im zivilen Bereich, und dann hat er hinzugefügt: "Wir brauchen im Kern eine politische Begleitmusik für solche Themen." Wieso ist die CDU so unmusikalisch?
    Lämmel: Wir sind überhaupt nicht unmusikalisch. Wir können vielleicht besser singen als mancher Sozialdemokrat.
    Heinemann: Ich frage jetzt nicht, ob Sie uns das vorführen können. Ich meinte es im übertragenen Sinn.
    Lämmel: Der Kollege von der Gewerkschaft hat das zwar so angesprochen. Und ich meine, das ist natürlich eine begrüßenswerte Idee, nur muss man doch ganz klar sagen, es ist doch nicht so, dass ein Unternehmen, das sich jahrelang mit Wehrtechnik befasst hat, über Nacht einen Schalter umlegen kann, um auf zivile Produkte umzusatteln. Also das wäre ja der Idealfall.
    Heinemann: Es geht nicht um "über Nacht", aber ohne politische Vorgaben werden die Unternehmen sich wohl kaum umstellen.
    Bundestagsabgeordnerter Andreas Lämmel (CDU)
    Über Andreas Lämmel
    Geboren 1959 in Falkenstein, Sachsen. Der CDU-Politiker ist gelernter Konditor und studierte dann unter anderem bis 1997 an der Technischen Hochschule Leipzig. Nach der Wende schloss er sich dem Neuen Forum an und trat dann 1990 der CDU bei. Von 1994 bis 2005 war Lämmel Mitglied des Sächsischen Landtags und seit 2005 ist er im Bundestag. Seit 2009 ist er dort Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Ausschuss für Wirtschaft und Technologie.
    Lämmel: Die Unternehmen werden das tun, wo sie ihre Zukunft sehen. Und wenn Sie – ich meine, Sie haben in Ihrem Beitrag ja auch deutlich gemacht, beziehungsweise der Kollege von der Gewerkschaft hat das ja noch mal deutlich gemacht, wie viele Arbeitsplätze in den letzten Jahren in der wehrtechnischen Industrie schon verloren gegangen sind, weil der Bedarf im Inland und auch im Ausland zurückgegangen ist. Also, insofern haben wir schon den großen Aderlass hinter uns und die Unternehmen suchen natürlich selbst auch nach Einsatzgebieten ihrer Technik im zivilen Bereich. Trotzdem muss ich noch mal sagen, es hat nichts mit unmusikalisch zu tun – die Wehrtechnik ist ein Bereich der deutschen Industrie. Und wenn wir immer wieder verschiedene Felder völlig aufgeben und sie abwandern ins Ausland, muss man sich ja fragen, welche Fähigkeiten hat Deutschland in 20 Jahren noch.
    Heinemann: Konversion heißt ja eben nicht Abwandern. Konversion heißt die Technik nutzen für zivile Zwecke.
    Lämmel: Aber Herr Heidemann, wenn – es ist doch ganz klar, wenn zum Beispiel ein Panzer im Ausland weiter gebaut werden kann, ein deutscher Panzer, der hier entwickelt worden ist, wenn man sein Produkt woanders produzieren kann, versucht man doch erst mal, auszuweichen, ins Ausland zu gehen, um dort zu produzieren. Man muss doch auch sehen den Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Ich sage ja, die Theorie, die Konversion zu stärken, da sind wir – da kann ich sofort zustimmen. Aber in der Praxis ist es so, dass ein Unternehmen erst mal sieht, wo es seine Produkte herstellt. Und wo es sie verkaufen kann.
    Heinemann: In der Praxis kommt also erst das Fressen und dann die Moral?
    Lämmel: Nein. Das ist immer so eine Argumentation, das ist so eine Schwarzmalerei, Schwarzweißmalerei, die einfach auch bei dieser Sache aus meiner Sicht nicht zulässig ist.
    Heinemann: Kolorieren Sie die Schwarzweißmalerei.
    Lämmel: Ja, ich habe es ja gesagt, die wehrtechnische Industrie bringt auch sehr viele Beiträge für das zivile Leben, also die Forschungsergebnisse, verschiedene Produkte, die auch im Bereich der wehrtechnischen Industrie entwickelt worden sind, sind auch im zivilen Leben einsetzbar. Das können Sie sehen bei Fluggeräten, bei Hubschraubern oder bei anderen Dingen. Sodass also wir beides brauchen. Und über den Umfang der Exporte, das ist ja eigentlich der Kern auch Ihrer Frage gewesen – die Gesetzlichkeiten sind einzuhalten, da gibt es überhaupt gar keine Frage. Aber es liegt aus meiner Sicht nicht im Benehmen eines Wirtschaftsministers, jetzt einfach zu sagen, also, ich werde damit jetzt Schluss machen.
    Heinemann: Andreas Lämmel, CDU. Wir machen jetzt Schluss. Unionsobmann im Bundestagsausschuss für Wirtschaft. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
    Lämmel: Ja, bitte schön, auf Wiederhören! Tschüs.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.