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Parlamentswahl
Irische Regierung vor dem Ende

Die irische Regierung hat bei der Parlamentswahl große Verluste hinnehmen müssen. Die Partei Fine Gael von Ministerpräsident Enda Kenny kann wohl nur in einer großen Koalition mit der Fianna Fáil weiterregieren - doch genau das gilt als ausgeschlossen.

28.02.2016
    Stimmauszählung in der irischen Hauptstadt Dublin
    Stimmauszählung in der irischen Hauptstadt Dublin (dpa / picture-alliance / Aidan Crawley)
    Kenny sagte trotz der verlorenen Mehrheit, dass er weiterregieren wolle. "Ich habe die Aufgabe und die Verantwortung, mit der Entscheidung des Volkes zu arbeiten, um dem Land eine stabile Regierung zu bringen. Das beabsichtige ich voll und ganz." Mit wem er das tun will, bleibt jedoch ungewiss.
    Koalition der traditionellen Rivalen als einziger Ausweg
    Experten nannten eine Allianz von dessen Partei Fine Gael und dem traditionellen Rivalen Fianna Fáil die rechnerisch einzige Möglichkeit für eine Regierungsbildung. Allerdings hatten Vertreter beider großen Parteien in den vergangenen Wochen wiederholt eine solche Koalition ausgeschlossen und von einem "Alptraum"-Szenario gesprochen. Fianna Fáil war an der Macht, als Irland in die schwere Schuldenkrise rutschte und unter den EU-Rettungsschirm musste. Damit könnte eine weitere Wahl notwendig werden.
    Allerdings wollten weder Kenny noch Fianna-Fáil-Parteichef Micheál Martin öffentlich über die Möglichkeit einer große Koalition sprechen. Zunächst müssten alle Stimmen ausgezählt werden, hieß es. Es wäre die erste große Koalition in der Geschichte der Republik: Die beiden Parteien stehen sich politisch zwar nahe, sind aber seit dem Bürgerkrieg Anfang des 20. Jahrhunderts historisch tief verfeindet. Eine Koalitionsregierung mit kleinen Parteien und Unabhängigen halten Kommentatoren für unwahrscheinlich.
    Wähler votierten gegen den Sparkurs
    Kennys Partei Fine Gael stürzte nach einer ersten Auszählung aller 40 Wahlkreise um 10,6 Prozentpunkte auf rund 25,5 Prozent ab. Noch schlimmer erwischte es den Koalitionspartner Labour, der zwei Drittel verlor und lediglich auf 6,6 Prozent kam (minus 12,8 Prozentpunkte). Kommentatoren in Dublin sprachen von einer Protestwahl gegen den Sparkurs der Regierung, die das Land seit 2011 aus der schweren Finanz- und Wirtschaftskrise geführt hatte.
    Kräftig zugelegt hat dagegen die größte Oppositionspartei Fianna Fáil, die auf 24,4 Prozent kam. Auch die linke Sinn Fein, die früher als politischer Arm der paramilitärischen IRA galt, verbuchte Gewinne und erreichte 13,9 Prozent der Stimmen. Kleinere Parteien und Unabhängige kamen zusammen auf 29 Prozent. Ein endgültiges Ergebnis wird wegen des schwierige Wahlsystems erst in den nächsten Tagen erwartet.
    Der Absturz der Regierungsparteien kam nicht überraschend. Zwar war es der Koalition in den vergangenen Jahren gelungen, Irland aus der Krise zu führen. Doch weite Bevölkerungsteile konnten vom Schuldenabbau und kräftig angezogenen Wirtschaftswachstum nicht profitieren. Ein wichtiges Thema im Wahlkampf war etwa die Einführung von Wassergebühren, gegen die Zehntausende protestiert hatten.
    (nch/tzi)