Samstag, 20. April 2024

Archiv

Baden-Württemberg
Grüne halten kulturpolitische Wahlversprechen

In Baden-Württemberg wird Kultur groß geschrieben. Während vielerorts in Deutschland kulturelle Angebote zusammengestrichen werden, wurde in Baden-Württemberg der Etat 2015/2016 dafür erhöht. Auch an den Grundschulen kehrt wieder das Fach Musik ein.

Von Susanne Kaufmann | 11.03.2016
    An einem Thema wäre die neue grüne Führung im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst beinahe gescheitert: an der Debatte um die Zukunft der Musikhochschulen in Baden-Württemberg. Losgetreten hatte dieses Thema der Landesrechnungshof, mit der Empfehlung, sie zu verkleinern und jeden sechsten Studienplatz zu streichen. Den wüsten Protesten begegnete Ministerin Theresia Bauer mit fünf großen Zukunftskonferenzen, auf denen sie zeigte, dass sie eine formidable Krisenmanagerin ist. Am Ende gab es Lob von allen Seiten, auch aus Mannheim, wo Rudolf Meister Rektor der Musikhochschule ist.
    "Ich denke, die Zukunftskonferenz war wirklich eine großartige Veranstaltung, sowohl dass wir uns überhaupt so ausführlich haben unterhalten können mit den so wichtigen Vertretern der Politik. Es ist denke ich wirklich etwas ganz Besonderes, das ich auch nicht wüsste, dass es das anderswo schon mal gegeben hätte."
    Die Musikhochschulen bekommen, so das Ergebnis, nicht weniger Geld, sondern mehr.
    Innovationsfonds spülte Millionen in die Kassen
    Unter der neuen Regierung wurde der Kulturetat in Baden-Württemberg erhöht - erstmals seit der Ära Lothar Späth. Wichtig war dafür auch die SPD mit ihrem kulturaffinen Finanzminister Nils Schmid. Für die Jahre 2015/16 gab es rund 60 Millionen Euro mehr, und dabei wurden nicht nur jene Bereiche aufgestockt, die man traditionell mit den Grün-Alternativen oder den Sozialdemokraten verbinden würde wie der Jazz oder die Soziokultur. Genauso profitierten die Landesbühnen und die Privattheater, die Kunstvereine, die Amateurmusik, die Neue Musik, Kinder- und Jugendchöre und kleine Festivals. Als Maßnahme gegen die Closed-Shop-Politik der angestammten Förderung - Geld nur für die, die immer schon Geld bekamen - erdachte sich das Ministerium den Innovationsfonds Kunst. Er spülte seit 2012 knapp 10 Millionen Euro ins ganze Land und förderte eine Vielzahl einzelner Projekte.
    Ministerpräsident Kretschmann, ein passionierter Operngänger, betonte stets, dass die kulturellen Leuchttürme unverzichtbar seien. Ein Kurs, den seine Wissenschaftsministerin klar gehalten hat. Das zeigt sich aktuell vor allem in der Diskussion um die anstehende Sanierung und bauliche Erweiterung des Opernhauses Stuttgart. Trotz hoher Kosten steht die gute Lösung im Vordergrund.
    "Wir haben es mit unserem Staatstheater mit einem ganz hervorragenden Haus zu tun. Nicht nur unsere Opern mit hohem Renommee werden dort realisiert, sondern auch unser Weltklasseballett hat dort seine Spielstätte, und es ist nach vielen, vielen Jahren der Debatte und der klein-kleinen Reparaturen und Sanierungsmaßnahmen nun wirklich an der Zeit, dass wir unser Staatstheater in eine gute neue Zukunft begleiten."
    Rückgabe von Raubkunst
    Auch Staatssekretär Jürgen Walter von den Grünen schaut in die Zukunft. Er befördert digitale Strategien im Kulturbereich und sichert der Filmakademie Baden-Württemberg den Anschluss an die technische Entwicklung. Außerdem setzt er auf Verständigung, was historisches Unrecht anbelangt und engagiert sich wie kaum ein anderer Kulturpolitiker in Deutschland für das Thema Raubkunst.
    "Wir messen der Provenienzforschung eine sehr hohe Bedeutung zu. Wer sehen uns in der moralischen Verpflichtung, Raubkunst an die rechtmäßigen Besitzer zurück zu geben."
    Nicht nur an Nachkommen jüdischer Vorbesitzer, auch an Griechenland oder Polen - da fährt Walter eine klare Linie und setzt sich durch, wenn es sein muss sogar gegen die Vorstellungen des Auswärtigen Amts.
    Alle kulturpolitischen Forderungen aus ihrem Wahlprogramm von 2010 haben die Grünen umgesetzt, bis hin zur Förderung von Interkultur und Integration durch Kultur. Hier übt die kulturpolitische Sprecherin der Landes-CDU Sabine Kurtz freilich Kritik:
    "Kunst muss herhalten als Instrument, als Instrument der Sozialarbeit, der Integration, der Partizipation und so weiter und so weiter. Sie verlangen von der Kunst, dass sie nützlich ist."
    Musikuntericht an Grundschulen
    Und in den neuen Bildungsplänen für die Schulen fehlt die Leitperspektive "Kulturelle Bildung". Auch wenn die Grünen allerorten darauf setzen - was nutzt es, wenn das SPD-geführte Kultusministerium nicht mit zieht? Da wurde eine Chance vertan. Immerhin gibt es an den Grundschulen in Baden-Württemberg ab dem nächsten Schuljahr wieder ein eigenständiges Fach Musik. Das hatte die CDU/FDP-Regierung abgeschafft.