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Schottland und der Brexit
Parlament entscheidet über Unabhängigkeitsreferendum

Die Drohung der schottischen Regierungschefin Nicola Sturgeon mit einem Unabhängigkeitsreferendum als Reaktion auf den Brexit hielten viele lange Zeit nur für einen Bluff. Dass das nicht der Fall ist, wurde am Montag nach einem Treffen mit der britischen Premierministerin Theresa May klar. Eine Mehrheit im Parlament scheint Sturgeon sicher.

Von Friedbert Meurer | 28.03.2017
    Die britische Premierministerin Theresa May (r.) bei einem Treffen mit der schittischen Regierungschefin Nicola Sturgeon in Glasgow.
    Die britische Premierministerin Theresa May (r.) bei einem Treffen mit der schittischen Regierungschefin Nicola Sturgeon in Glasgow. (imago / I-Images)
    Edinburgh vor einer Woche: Das schottische Parlament debattierte den Antrag, ein zweites Referendum zur Unabhängigkeit auszurufen. Lange hatte die erste Ministerin Nicola Sturgeon gezögert. Neun Monate sind seit dem EU-Referendum der Briten vergangen und mancher glaubte schon, sie bluffe nur. Sturgeon ging dann genau an dem Tag in die Offensive, an dem das britische Parlament die letzten Steine aus dem Weg räumte, damit Theresa May den Antrag auf Austritt aus der EU stellen kann.
    "Seit dem 23. Juni bin ich entschlossen, für die Interessen Schottlands einzustehen. Nach neun Monaten stelle ich fest, dass unser Parlament in Westminster kein Gewicht hat. Die britische Regierung handelt völlig unilateral. Welches Schottland wollen wir haben? Die Antwort kann nur das schottische Volk geben."
    Bevölkerung will erst später abstimmen
    65 Stimmen benötigt Nicola Sturgeon bei der Abstimmung heute Abend, ihre schottische Nationalpartei verfügt über 63 Stimmen. Hinzu kommen sechs Stimmen der Grünen, das sollte also reichen, um eine zweite Volksabstimmung zu fordern. Aber diesmal ist manches anders: die Umfragen sehen keine Mehrheit in der Bevölkerung, schon jetzt eine Abstimmung anzusetzen – später, ja. Und anders als 2014 lehnt die britische Regierung das Referendum noch ab. Ruth Davidson, die Chefin der schottischen Konservativen:
    "Diese Bulldozer-Methode unterscheidet sich völlig vom ersten Referendum 2014. Damals fanden die schottische und britische Regierung eine faire und gesetzestreue Verständigung. Sie haben damals die Einigung für 2014 als Gold-Standard bezeichnet. Das heute ist Blech bei der wichtigsten Entscheidung überhaupt."
    May lehnt Abstimmung ab
    "Nicola Sturgeon wacht jeden Morgen auf, um zu überlegen, wie man ein neues Referendum bekommen kann", schimpft auch Kezia Dugdale von der Labour-Opposition. "Das macht unser Bildungssystem nicht besser, das verhilft Kindern nicht aus der Armut heraus. Für sie zählt immer nur die Unabhängigkeit"
    Die britische Premierministerin Theresa May will morgen den Antrag auf Austritt aus der EU förmlich einreichen, gestern besuchte sie noch einmal Nicola Sturgeon in Glasgow als Zeichen des guten Willens - aber weiterhin mit der Botschaft, einem zweiten Referendum der Schotten keinen Segen zu erteilen. "Jetzt ist nicht die Zeit, über ein zweites Unabhängigkeitsreferendum zu reden. Wir müssen jetzt für die Verhandlungen mit der EU alle an einem Strang ziehen, wenn wir das Beste für Großbritannien und Schottland erreichen wollen."
    Insgeheim laute die Frage also in Wirklichkeit meinen Beobachter: Gibt es ein neues Referendum vor 2021? Dann wird das schottische Parlament neu gewählt – und Theresa May hofft dabei auf eine Wahlniederlage von Nicola Sturgeon.