Freitag, 19. April 2024

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US-Luftangriff in Syrien
"Das war das Mindeste, was Trump tun konnte"

Nach dem Luftangriff in Syrien wurde US-Präsident Donald Trump Strategielosigkeit vorgeworfen. Zu Unrecht, sagte der Politikwissenschaftler Thomas Jäger im DLF. Er sieht in dem Angriff einen Beweis dafür, dass Trump überlegt gehandelt hat. Denn die Alternative wäre gewesen, nicht zu handeln, wie Barack Obama 2013 - und das wolle Trump unbedingt vermeiden.

Thomas Jäger im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 10.04.2017
    Thomas Jäger bei der Aufzeichnung der ZDF-Talkshow Markus Lanz im Studio
    Der Politikwissenschaftler Thomas Jäger (imago stock&people)
    Tobias Armbrüster: Donald Trump ist noch keine 100 Tage im Amt, und schon erleben wir einen ersten Schwenk in seiner Außenpolitik. Das ist zumindest die Sicht vieler Beobachter, die sich ansehen, was da gerade in den USA passiert. Erst die Entscheidung für einen Luftschlag gegen eine syrische Luftwaffenbasis in der vergangenen Woche, jetzt ein Flugzeugträger, der sich aufmacht in Richtung Nordkorea. Sind das nur zwei Einzelentwicklungen, oder deutet sich da eine neue außenpolitische Strategie im Weißen Haus an?
    Am Telefon ist jetzt Professor Thomas Jäger, Politikwissenschaftler an der Universität Köln und Kenner und intensiver Beobachter der amerikanischen Außenpolitik. Schönen guten Tag.
    Thomas Jäger: Guten Tag, Herr Armbrüster.
    "Es war klar, dass er sich im Amt neu erfinden muss"
    Armbrüster: Herr Jäger, erleben wir da gerade einen neuen Donald Trump?
    Jäger: Das war klar, dass sich der Präsident im Amt neu erfinden muss, denn er hat das gemacht, was alle Kandidaten im Wahlkampf machen. Sie wettern über die Außenpolitik der Amtsinhaber. Sie sagen, dass sich Amerika von der Welt abwenden, den eigenen Problemen zuwenden soll, sich erst mal um die eigenen Belange kümmern soll. Das tun alle seit Bill Clinton. Und kommen dann in den ersten Wochen und Monaten doch zur Erkenntnis, dass die Vereinigten Staaten diplomatisch, wirtschaftlich, militärisch viel zu sehr mit der Welt verwoben sind, um sich aus Konflikten heraushalten zu können.
    "Die neue Administration muss sich erst mal einarbeiten"
    Armbrüster: Und was hat Donald Trump jetzt zu dieser Erkenntnis gebracht?
    Jäger: Da ist mehreres zusammengekommen. Ich glaube, man muss unterscheiden, was auf der Ebene der öffentlichen Meinung geschah. Da ist er stark unter Druck gekommen, weil er festgestellt hat, innenpolitisch kann er nicht wirklich punkten. Da gehen die Checks and Balances in den Vereinigten Staaten dann wirklich effektiv los. Und die Dekrete sind ihm von den Gerichten genommen worden, der Kongress macht nicht was er will. Also die Außenpolitik wird wichtiger.
    Hinzu kam, dass er in eine Situation gestellt wurde, die Barack Obama schon mal erlebt hat, und Trump sozusagen alles sein will, nur nicht Barack Obama erneut. 2013 hatte der damalige Präsident die berühmte rote Linie gezogen, dann erst versucht, in Europa Verbündete zu finden, den Kongress hinter sich zu bringen. Beides ist nicht gelungen und Trump wollte Handlungsfähigkeit zeigen.
    Dann kommt das Dritte hinzu. Inzwischen arbeiten die Bürokratien etwas besser, noch nicht lange so gut, wie sie könnten, denn viele Stellen sind noch unbesetzt. Und es wird daran gearbeitet, wie so eine neue Politik aussehen könnte. Denn ein wenig ist das Argument, so richtig es ist, ja auch unfair, wenn man sagt, was ist denn die Strategie hinter dem, was da geschieht? Denn die neue Administration muss sich erst mal in all diese Feinheiten der Konflikte einarbeiten, um so was zu entwickeln.
    Alternative nicht handeln: "Dann wäre er Obama gewesen"
    Armbrüster: Aber besteht hier nicht die Gefahr, dass Donald Trump jetzt genauso dilettantisch Außenpolitik gemacht hat, wie er das bei der Innenpolitik schon versucht hat?
    Jäger: Das ist richtig, dass die Gefahr besteht. Man muss bei Trump immer noch mit allem rechnen. Die Hoffnung ist, dass die Bürokratien im Verteidigungsministerium, im Außenministerium ihn auf den Weg bringen, jetzt hier nicht unüberlegt zu handeln. Der Militärschlag ist aus meiner Sicht eigentlich ein Beweis dafür, dass er nicht unüberlegt gehandelt hat, denn auf der Skala dessen, was ihm angeboten wurde, war das so das Mindeste, was er tun konnte. Das nächste wäre nicht handeln gewesen. Und dann wäre er Obama gewesen, jemand der eben nicht reagiert, der diese Provokation Moskaus nicht beantwortet. Und man kann sich leicht vorstellen, was ihm seine innenpolitischen Gegner dann alles vorgeworfen hätten.
    "Alle Präsidenten starten mit Innenpolitik, alle enden in der Außenpolitik"
    Armbrüster: Aber, Herr Jäger, könnte sich Donald Trump das denn tatsächlich politisch leisten, jetzt zum Beispiel noch weiter gegen Syrien militärisch vorzugehen, solche Luftschläge noch einmal auszuprobieren, möglicherweise auszuweiten? Und dann haben wir natürlich auch noch die Situation im Pazifik, die koreanische Halbinsel, der Flugzeugträger, der in Richtung Nordkorea unterwegs ist. Deutet sich da wirklich an, dass Trump in diesen beiden Konfliktfeldern ernst machen will?
    Jäger: Ich glaube, es deutet sich vor allem an vor der Wahrnehmung, die wir in Deutschland hatten, die ja hieß - und einige benutzten das Wort ja auch -, Trump würde eine isolationistische Politik betreiben wollen. Das habe ich nie so gesehen und hielt das von Beginn an für falsch. Alle Präsidenten starten mit dem Blick auf die Innenpolitik, alle enden in der Außenpolitik. Das ist ein Muster.
    Was er in Syrien gemacht hat ist eine Kommunikation mit Russland, eine Kommunikation gegen andere Staaten, die die Vereinigten Staaten als Gefährder betrachten. Jetzt muss man abwarten, ob daraus eine Strategie wird. Das ist die wirklich spannende Frage, nicht dass sie schon existieren müsste. Aber nimmt man das jetzt zum Auftakt, in Gespräche mit Moskau zu kommen, wo Moskau das erste Mal erlebt, dass eine amerikanische Regierung auch im Kampffeld Syrien wirklich ernst macht.
    Und nehmen Sie die Verlegung des Flugzeugträgers in den Pazifik. Das ist ein Signal an Nordkorea, ebenso ein Signal an China, sich stärker um Nordkorea zu kümmern, was den Vereinigten Staaten am allerliebsten wäre, wenn sie dort nicht selbst tätig werden müssten. Und es ist ein Hinweis auch an die anderen pazifischen Staaten, dass die USA sich aus der Region nicht zurückziehen werden.
    Angriff auf Nordkorea "sehe ich im Moment nicht"
    Armbrüster: Jetzt ist ja so ein Luftschlag gegen einen Luftwaffenstützpunkt in Syrien die eine Sache, ein Luftschlag gegen die Atommacht Nordkorea eine völlig andere. Könnten Sie sich vorstellen, dass Trump da tatsächlich ernst macht, dass er auch den Nordkoreanern seine Marschflugkörper auf die Luftwaffenstützpunkte schickt?
    Jäger: Das sehe ich im Moment nicht, denn das würde einen erheblichen Konflikt mit China provozieren, und das werden die Vereinigten Staaten nicht wollen. Das Treffen mit dem chinesischen Präsidenten ist ja etwas untergegangen, weil der Schlag in Syrien erfolgte. Aber es hat doch gezeigt, dass das Verhältnis der USA zu China viel entspannter weitergehen wird, als auch das am Anfang der Präsidentschaft von Trump so schien, als er die Ein-China-Politik infrage gestellt hat, als er gesagt hat, das sind Währungsmanipulatoren und wir werden in einen Handelskrieg gehen. Das sieht momentan ganz anders aus. Insofern kann ich mir nicht vorstellen, dass er wegen Nordkorea diesen Konflikt anheizen möchte. Aber richtig ist, die Vereinigten Staaten haben ein strategisches Interesse, das darin besteht, von kleinen Atommächten nicht direkt getroffen werden zu können. Und das ist etwas, was der frühere amerikanische Präsident Obama versucht hat, über Verhandlungen aus dem Weg zu räumen, und Trump hat da eine etwas kräftigere Art zu kommunizieren, dass er das nicht zulässt.
    "Gemerkt, dass er das Image des Machers nicht aufrecht erhalten kann"
    Jäger: Inwieweit wird er da wirklich getrieben von der amerikanischen Innenpolitik?
    Jäger: Momentan wird er da aus der Innenpolitik nicht arg getrieben, denn die Interessen an Syrien oder an Nordkorea sind in der amerikanischen Innenpolitik nicht riesig groß. Getrieben wird er da von wirtschaftlichen Interessen. Das ist ein ganz anderes Thema. Aber die sind in den beiden Feldern nicht. In Syrien ist nicht viel zu holen, in Nordkorea ist nicht viel zu holen, da gibt es niemand, wie das etwa im Irak der Fall war, der hier darauf drängen könnte. Und trotzdem spielt die Innenpolitik eine Rolle, weil er hier gemerkt hat, dass er an die Grenzen seiner Macht stößt, dass er nicht alleine handeln kann, dass er das Image des Machers nicht aufrecht erhalten kann, und das kann er in der Außenpolitik viel besser.
    "Dass er als Putins Pudel dargestellt wird, das ist vom Tisch"
    Armbrüster: Und ist das alles jetzt für Trump ein willkommener Anlass, um endlich von dieser Kontroverse um seine Russland-Kontakte abzulenken?
    Jäger: Die Untersuchung, was die Kontakte zu Russland angeht, die wird ja lange dauern. Und es war von vornherein klar, ist auch in Anhörungen immer wieder gesagt worden, dass hier mit vielen Monaten, wenn nicht gar Jahren zu rechnen ist. Da arbeiten, wenn Sie so wollen, die Mühlen der Bürokratie langsam vor sich hin. Dass das aus der öffentlichen Diskussion herausgeht, dass er auch nicht mehr als Putins Pudel dargestellt wird, dass es nicht mehr so heißt, wie das witzig gesagt wurde, wir sind erneut im Ost-West-Konflikt, aber diesmal ist das Weiße Haus nicht auf unserer Seite - das sind ja die Witze, die in den Vereinigten Staaten gemacht wurden -, das ist, glaube ich, jetzt vom Tisch. Und man wird sehen, wie der Besuch von Tillerson in Moskau aufgenommen wird, ob es da Ergebnisse gibt, ob man sich zum Beispiel im Kampf gegen den Islamischen Staat hier weiterentwickeln kann. Das werden wir ja in den nächsten Tagen alles beobachten können.
    Armbrüster: Werden wir auch hier im Deutschlandfunk tun. – Professor Thomas Jäger war das, Politikwissenschaftler an der Uni Köln, live hier bei uns im Deutschlandfunk. Vielen Dank, Herr Jäger, für Ihre Zeit.
    Jäger: Herzlichen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.