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Russlands Verhältnis zu Deutschland
Interesse an deutscher Kultur ist ungebrochen

Das deutsch-russische Verhältnis ist derzeit nicht das beste, zumindest auf Regierungseben. In der russischen Gesellschaft ist aber das Interesse an deutscher Kultur und vor allem Bildung ungebrochen. Der Ausbau der zivilgesellschaftlichen Kontakte ist aber nicht einfach.

Von Gesine Dornblüth | 02.05.2017
    Junge Mädchen lesen russische und deutsche Worte auf einer Veranstaltung zum Jahr der deutschen Sprache und Literatur 2014/15 des Goethe-Instituts in Moskau.
    Auch wenn Sprachkurse derzeit weniger Zulauf haben, das Interesse an deutscher Kultur ist weiter hoch. (Goethe-Institut/Anastasia Tsayder)
    Die Stimmung war schon mal freundlicher. Im Januar knöpfte sich Dmitrij Kiseljow, Chefpropagandist des russischen Staatsfernsehens, in seiner wöchentlichen Sendung "Vesti nedeli" die Bundeskanzlerin vor.
    "Ich habe das Gefühl, dass Merkel plötzlich stark gealtert ist. Nein, ich bin weit davon entfernt, hier zutiefst Weibliches zu besprechen, ihre Falten, ihre Frisur, die Farbe ihrer Kleidung und den ewigen Schnitt ihres Hosenanzugs – ich fühle einfach, dass Merkel aus der Mode gekommen ist. Aus der politischen Mode. Sie repräsentiert die Vergangenheit Deutschlands und Europas, nicht die Zukunft."
    Dann meinte Kiseljow noch, hinter Merkels Politik die Idee eines – Zitat - "Mangels an Lebensraum" zu erkennen wie bei Adolf Hitler.
    "Vesti Nedeli" ist eine der beliebtesten Sendungen des russischen Fernsehens.
    Der Ton ist rauer geworden
    Der Ton gegenüber der Bundesregierung hat sich verschärft. Das bekam zum Beispiel Bundesaußenminister Sigmar Gabriel bei seinem Besuch in Moskau im März zu spüren. In einer gemeinsamen Pressekonferenz belehrte Russlands Außenminister Sergej Lawrow ihn über eine angebliche antirussische Kampagne in westlichen Medien, kritisierte Bundesverteidigungsministerin von der Leyen und sagte:
    "In den 90er-Jahren haben alle die Neigung Russlands gesehen, praktisch in allen internationalen Fragen auf den Westen zu hören. Sie dachten, das werde ewig so weitergehen. Doch die Welt wird 'postwestlich'".
    Bei allen politischen Meinungsverschiedenheiten beteuern deutsche und russische Regierungsvertreter allerdings stets, den Austausch zwischen den Zivilgesellschaften erhalten, ja sogar intensivieren zu wollen. In der Praxis geraten russische Organisationen, die mit deutschen Partnern kooperieren, zunehmend unter Druck. Zum Beispiel Memorial, offiziell "Ausländischer Agent". Letzte Woche zeichnete Memorial in Moskau die Gewinner eines russlandweiten Schüler-Geschichtswettbewerbs aus. Der Wettbewerb wird bereits seit 1999 durchgeführt, mit Unterstützung verschiedener deutscher Stiftungen. Bereits im letzten Jahr störten Nationalisten die Feier. In diesem Jahr kam es noch schlimmer. Memorial wurde der Mietvertrag für die Veranstaltung gekündigt. Und Mitarbeiter regionaler Bildungsbehörden versuchten, die Schüler im Vorfeld einzuschüchtern, so die Leiterin des Wettbewerbs, Irina Scherbakowa, in einem Fernsehinterview.
    Russische Jugendliche ließen sich nicht beeinflussen
    "Sie haben versucht, die Preisträger zu überreden, nicht nach Moskau zu fahren: So in der Art, das ist ein zweifelhafter Wettbewerb, du verdirbst dir dein Leben, fahr besser nicht, die unterziehen dich einer Gehirnwäsche."
    Trotzdem kamen fast alle 50 Preisträger zur Feier. Gerade russische Jugendliche ließen sich von antiwestlicher und antideutscher Stimmungsmache in den Medien nicht beeinflussen, meint Rüdiger Bolz, Leiter des Goethe-Instituts in Moskau. Das Interesse an deutscher Kultur und besonders an deutscher Bildung sei ungebrochen.
    "Alles, was dahin führt, was eventuell zu Möglichkeiten von Kooperationen führt mit deutschen Theatern, mit Filmfestivals, mit Musikszenen, gerade auch elektronische Musik, das ist alles nach wie vor sehr intensiv. Junge Leute bringen uns im Moment weiter und erhalten das kulturelle Fundament zwischen unseren Ländern."
    Deutsch-russischer Jugendaustausch nimmt wieder zu
    Auch das deutsch-russische Jugendparlament funktioniert gut. Dabei ist das Interesse auf russischer Seite um ein Vielfaches höher. Auch der deutsch-russische Jugendaustausch verzeichnet seit 2016, nach einer zwischenzeitlichen Flaute, wieder leichte Zuwächse.
    Das Interesse russischer Erwachsener an deutschen Sprachkursen ist dagegen deutlich gesunken. Das liege aber keineswegs an antideutschen Stimmungen, sondern an den sinkenden Einkommen in Russland, so Rüdiger Bolz vom Goethe-Institut.
    Er berichtet indes von einer anderen Schwierigkeit bei der Zusammenarbeit mit Russland. Russische Behörden versuchten, bei landesweiten deutsch-russischen Kooperationen Teilnehmer von der Krim mit in das Programm zu drücken, zum Beispiel bei der letzten Deutsch-Olympiade. Aus deutscher Sicht ist das nicht möglich, denn für die Bundesrepublik ist die Krim Teil der Ukraine. Bolz:
    "Da müssen wir halt gegebenenfalls in zum Teil nicht einfachen Gesprächen unsere Haltung durchsetzen, und das passiert auch."