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Reformation in Serie
Luthers Thesen - neu gelesen (42)

Der Schriftsteller Feridun Zaimoglu, die Historikerin Katharina Kunter und der islamische Theologe Mouhanad Khorchide kommentieren Luthers 42. These.

15.08.2017
    These 42: "Man muss die Christen lehren: Der Papst hat nicht im Sinn, dass der Ablasskauf in irgendeiner Weise den Werken der Barmherzigkeit gleichgestellt werden solle."
    Feridun Zaimoglu, Schriftsteller: "Martin Luther hat mit dieser These auf die Freiheit des Christenmenschen hingewiesen. Der Christ ist frei – und in seiner Freiheit ist er weder Fürst noch Pfaffen Untertan. Es ist das weltliche Recht, das eine Hierarchie herstellt. Aber die Hierarchie ist des Teufels."
    Katharina Kunter, Historikerin: "Hier finde ich interessant bei der These, dass auf einmal der Adressat wechselt. Es geht jetzt nicht mehr um ein akademisches Publikum, an das sich die Thesen richten, sondern jetzt werden die Christen direkt angesprochen und Luther spricht sozusagen an das Volk. Ich finde, hier kann man schon ganz schön an der These sehen, dass Luther sich dann in der Zukunft doch mehr entscheiden wird, direkt an das Volk zu sprechen."
    Zaimoglu: "Wir würden heute sagen: Hat der Kaiser, hat der Pfaffe neue Kleider? Wir würden sagen: Nein."
    Mouhanad Khorchide, islamischer Theologe: "Das sehe ich genauso, wenn es um den Aspekt der Vergebung geht. Wir haben so ein anderes Konzept im Islam, wo es so um Punktesammeln geht – also gute Punkte: Ich beleidige jemanden, aber dann gehe ich und bete ein bisschen mehr. Aber das widerspricht auch dem Geist des Korans, auch im Sinne Luthers. Man muss ja Menschen gegenüber barmherzig, gnädig sein. Und wenn ich jemanden beleidigt habe, dann sollte ich da hingehen zu der Person, mich bei ihm entschuldigen und es wieder gutmachen bei der Person. Was haben die Menschen von meinem Gebet oder von meinem Koranlesen? Und Gott hat schon gar nichts davon."
    Konzeption und Realisierung: Christiane Florin, Andreas Main, Christian Röther, Simonetta Dibbern