Sexismus im Arbeitsalltag

"Wir sind von der Gleichberechtigung meilenweit entfernt"

Barbara Vinken
Barbara Vinken © Deutschlandradio / Oranus Mahmoodi
Barbara Vinken im Gespräch mit Moderatorin Sigrid Brinkmann · 02.11.2017
Der Skandal um die Übergriffe des Produzenten Harvey Weinstein hat die Debatte um Sexismus in der Arbeitswelt befeuert - wie etwa an Hochschulen. Wir sprechen mit der Professorin Barbara Vinken über Belästigungen und über sexuelle Erpressung im Arbeitsalltag. 
Mittlerweile gebe es eine Menge Studien, die belegen, dass Sexismus an Universitäten eine gängige Praxis sei, sagt die Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken. Macht werde dazu genutzt, um Frauen zum Sex zu "überreden". Männliche Erpressungspraktiken würden von der Führungsebene geduldet. "Es wird nicht angeprangert. Die Männer werden dafür nicht bestraft (…) Das ist vielleicht noch bedenklicher als das Verhalten selbst."
Im Universitätsbetrieb in den USA sei Sexismus eine "sehr viel gängigere Praxis". In Europa habe man versucht, gegen diesen Mißbrauch der Macht eine Kultur der Höflichkeit aufrecht zu erhalten. Die Empörung über männlichen Sexismus werde zwar angenommen, oft aber im selben Atemzug vor einem "Tugend-Furor" gewarnt.

Sex wird zur Ware

"Sex wird zur Ware - Sex gegen Erfolg", sagt Vinken. "Das ist eine fürchterlich hässliche Geste, die mit Flirt und Verführung nichts zu tun hat." Das sei eine Reduktion von Liebe und Erotik auf eine Ware. Diesen Missstand sollte man systemischer angehen, fordert Vinken, das gelinge aber nur, wenn man sich darauf einigen würde, "dass Frauen, auch wenn sie nicht als Ehefrau und Tochter geschützt sind, trotzdem einen Schutz erfahren." Darüber müsse dringend ein gesellschaftlicher Konsens geschaffen werden. "Unsere Gesellschaften sind von der Gleichberechtigung meilenweit entfernt", sagt Vinken.
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