Freitag, 19. April 2024

Archiv-Fundstück von 1994
"Der Kunde ist nicht so gierig auf kleine und spritsparende Autos"

In Hinblick auf geringere Schadstoffemissionen hätten deutsche Autobauer ihre Hausaufgaben gemacht, sagte der damalige Geschäftsführer des Verbandes der Automobilindustrie, Gunter Zimmermeyer, im Jahr 1994 im Deutschlandfunk. Allerdings bevorzugten die Kunden in der Regel Fahrzeuge mit hohem Benzinverbrauch.

Gunter Zimmermeyer im Gespräch mit Wolfgang Labuhn | 28.07.1994
Abgase strömen aus dem Auspuff eines Autos.
Gunter Zimmermeyer: "Die Dieselfahrzeuge sind alles 'Töpfer-Diesel' mit also einer sehr geringen Emission von Luft-Verunreinigungen." (dpa-Bildfunk / Marijan Murat)
Wolfgang Labuhn: Auch heute wieder, meine Damen und Herren, sollen die Temperaturen auf über 30 Grad steigen, auch heute wieder ist deshalb nicht damit zu rechnen, dass der vorgestern in Hessen ausgelöste Ozon-Alarm wieder aufgehoben wird. Und das bedeutet: Tempo 90 auf Autobahnen und Schnellstraßen und Tempo 80 auf Landstraßen im Bundesland Hessen. Denn Hessen hat seit einem Jahr als einziges Bundesland eine Ozon-Verordnung, die diese Geschwindigkeitsbeschränkungen bei der Überschreitung bestimmter Ozon-Grenzwerte vorschreibt und die nun erstmals zur Anwendung kam. Die Überraschung dabei: Die Autofahrer in Hessen zeigten sich überwiegend einsichtig und hielten sich an das vorgeschriebene Tempolimit, obwohl bei einem Verstoß dagegen noch nicht einmal ein Bußgeld drohte. Am Telefon nun Gunter Zimmermeyer, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Automobilindustrie. Guten Morgen.
Gunter Zimmermeyer: Guten Morgen, Herr Labuhn. Guten Morgen, liebe Hörer.
Labuhn: Herr Zimmermeyer, Sie wohnen ja selbst in Hessen. Wie kommen Sie denn eigentlich dieser Tage zur Arbeit?
Zimmermeyer: Ich habe damit, Herr Labuhn, kein Problem, denn ich wohne 20 Meter von meiner Dienststelle entfernt. Ich fahre also nie mit dem Auto, wie Sie sich vorstellen können.
Tempolimits kaum wirksam bei Ozon-Alarm
Labuhn: In dieser glücklichen Lage sind natürlich nicht viele Arbeitnehmer. Haben Sie denn Verständnis für das Tempolimit, das jetzt vom hessischen Umweltministerium verfügt worden ist?
Zimmermeyer: Also ich habe gewisses Verständnis für Hinweise, Verhaltensregeln für die Autofahrer. Ich habe allerdings kein Verständnis für die Ozon-Verordnung, wie sie in Hessen Platz greift, weil durch diese Maßnahmen nichts Wesentliches erreicht wird. Wir hatten gestern bei uns im Haus hier im VDA, also im Verband der Automobilindustrie, einen Presse-Workshop, zudem wir international renommierte Wissenschaftler eingeladen haben und die haben dort den Sachverhalt noch mal sehr deutlich erklärt. Und dabei ist ein Wesentliches herausgekommen: Die Wissenschaftler sprachen verschönt von einer Schadstoff-Suppe, die sich über dem gesamten Kontinent zusammenballt und die dann letztendlich zu hohen Ozon-Belastungen führt, wenn die Sonne scheint. Das heißt also: Wenn an einer Stelle in dieser Region, nun etwa in Hessen, etwas weniger Schadstoffe hinzukommen, dann bedeutet das noch lange nicht, dass der Ozon-Gehalt auch wirklich sinken muss. Im Gegenteil: Es kann sogar sein, dass bei Nichtvorhandensein gewisser Emissionen die Konzentration an Ozon in diesem Ballungsraum eher noch steigen.
Keine Gesundheitsgefährdung durch Autoabgase in Deutschland
Labuhn: Nun, die Wissenschaftler streiten sich ja durchaus um den Effekt des hessischen Tempolimits, sie streiten sich über die Auswirkungen auf die tatsächliche Verringerung des tatsächlichen Ozon-Gehaltes in Bodennähe. Aber dennoch, Herr Zimmermeyer, das Reizgas Ozon, das kann bei größerer Konzentration zu Reizungen der Atemwege führen, das kann vielleicht sogar zu Schädigungen der Lunge führen. Sollte man da gar nichts unternehmen?
Zimmermeyer: Nein, auf jeden Fall sollte man etwas unternehmen, Herr Labuhn. So war das auch nicht zu verstehen. Aber vielleicht auch noch mal zur Problematik der Wirkung von Ozon: Es ist in der Tat so, das haben die Mediziner uns gestern auch noch mal deutlich gemacht, dass bei den Konzentrationen, die hier in Deutschland vorkommen, auch in Spitzenwerten vorkommen können, keine chronischen Gesundheitseffekte zu befürchten sind, sondern allenfalls Befindlichkeitsstörungen. Das ist unangenehm genug, das muss weg. Also richtig ...
Labuhn: Aber wie?
Zimmermeyer: Ja, gesundheitliche Störungen passieren in Bereichen wie Mexiko City und Los Angeles, aber nicht hier. Wie können wir hier das Problem lösen? Auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der die Bundesregierung berät in dieser Angelegenheit, hat neulich in einem Jahresgutachten gesagt: Wir müssen großflächig mit den Emissionen runter und langfristig runter. Die sprachen von einer Größenordnung von 80 Prozent. Das aber, Herr Labuhn, steckt, wie man so schön sagen kann, längst im Rohr. Sie wissen, Ihre Hörer wissen, dass die neuen Fahrzeuge, die Ottomotoren, alle mit Katalysator ausgerüstet sind. Die Dieselfahrzeuge sind alles 'Töpfer-Diesel' mit also einer sehr geringen Emission von Luft-Verunreinigungen. Und es wird nun immer mehr dieser neuen abgasgeminderten Fahrzeuge im Bestand geben. Die alten fallen weg ohne Katalysator, neue kommen hinzu. Die Techniken werden noch weiter verbessert. Wir haben in Europa eine Abgasgesetzgebung, die ziemlich stringent ist. Es wird also immer weiter verbessert und das führt dazu, dass noch in diesem Jahrzehnt die Emissionen aus dem Verkehrsbereich um 80 bis 95 Prozent zurückgehen, insgesamt.
Rückgang der Emissionen um 80 bis 95 Prozent erwartet
Labuhn: Zugleich aber, Herr Zimmermeyer, wenn ich Sie unterbrechen darf, steigt das Verkehrsaufkommen und macht möglicherweise das wieder zunichte, was durch verbesserte technische Maßnahmen zur Begrenzung von Schadstoffemissionen erreicht wird.
Zimmermeyer: Sehen Sie, das ist eine Fehlinterpretation. Die Verkehrsleistung wird in der Tat noch moderat zunehmen, sie kann gar nicht mehr allzu sehr steigen, wenn Sie sich die Straßen anschauen. Es nimmt also moderat zu, aber die Ergebnisse in der Emissionsbetrachtung, die ich Ihnen genannt habe, die haben diese leichten Zunahmen längst in Kauf genommen. Das heißt also: Insgesamt – trotz der Zunahme der Verkehrsleistung – kommt es zu einer Reduktion der Emissionen von 80 bis 95 Prozent.
Labuhn: Nun gibt es nicht wenige Kritiker, Herr Zimmermeyer , die sagen, dass Maßnahmen, wie die in Hessen, völlig überflüssig wären, wenn wir nicht schon, wenn wir Automobile mit schadstoffärmeren Motoren hätten – das wäre ja technisch längst machbar gewesen. Warum kommen sie nicht früher?
Zimmermeyer: Wir haben seit Mitte der 80er-Jahre schon diese schadstoffärmeren Fahrzeuge auf dem Markt. Sie können sich sicherlich entsinnen, dass die Bundesregierung Steuervorteile damals für die Einführung des Katalysators gegeben hat. Diese Steuervorteile fallen inzwischen weg. Seit 1.1.93 ist jedes in Deutschland verkaufte Auto mit einem Katalysator ausgerüstet. Und der, wenn man jetzt das einzelne Fahrzeug sich betrachtet, vermindert die Emissionen um in der Größenordnung 90 bis 95 Prozent. Also das ist eigentlich die richtige technische Antwort. Dass der Katalysator immer noch technische Verbesserungsmöglichkeiten hat und dann vielleicht in die Gegend von bis zu 99 Prozent kommt, daran entwickeln wir im Augenblick weiter, da ist auch die Abgasgesetzgebung für die Zukunft in Europa schon so weit, die nimmt dieses ab '96 schon in Bezug.
Labuhn: Ist aber nicht zu fragen, was eigentlich die Bemessungsgrundlage für diese möglichen Erfolge ist, Herr Zimmermeyer? Denn es liegt ja auf der Hand, dass etwa ein Drei-Liter-Motor, trotz Kat, sehr viel mehr Schadstoffe absondert als ein kleinerer Motor. Und viel schneller als mit einem Drei-Liter-Motor kann man, oder besser anders ausgedrückt, auch ein kleinerer Motor führt nicht unbedingt bei unseren Verkehrsverhältnissen dazu, dass man schneller ans Ziel kommt als mit einem großen Motor.
Zimmermeyer: Ja. Also mit Drei-Liter-Motor meinen Sie den Hubraum und wahrscheinlich nicht den Verbrauch an Benzin?
Labuhn: Ja, zunächst der Hubraum.
Zimmermeyer: Ja, ja. Denn gerade das Drei-Liter-Auto wird ja heute von vielen, auch aus der Automobilindustrie, als die Lösung der energiepolitischen Fragen – und Stichwort Treibhauseffekt - betrachtet. Das ist wieder ein ganz anderes Thema. Wenn Sie einen Katalysator einbauen, dann können Sie bei jedem Fahrzeug, egal wie groß oder klein es ist, eben die Emissionen um bis zu 95 Prozent, bald um 99 Prozent, verringern.
Deutsche Automobilindustrie hat ihre Hausaufgaben gemacht
Labuhn: Aber nicht alle Schadstoffe.
Zimmermeyer: Ja doch, alle. Bis auf das CO2. CO2 gilt allerdings in dieser Terminologie nicht als Schadstoff, es ist ein klimarelevantes Gas. Das CO2 ist ein anderes Thema. Wir haben neulich in einer Presseverlautbarung sehr deutlich gemacht: Die deutsche Automobilindustrie hat im Hinblick auf die klassischen Luftverunreinigungen ihre Hausaufgaben gemacht. Das ist der Katalysator und die Weiterentwicklung. Und jetzt kommt ein neues Thema, mit dem wir uns ganz gezielt beschäftigen: Das ist die Frage der Kraftstoffeinsparung. Und da haben wir auch in den letzten Jahren schon sehr gute Erfolge gehabt. Seit '78, wenn man den Schnitt in den verkauften Autos sich betrachtet, sind die Verbräuche um 25 Prozent zurückgegangen.
Labuhn: Sie könnten aber, meinen Umweltschutzorganisationen, noch sehr viel weiter zurückgehen, wenn man konsequent Autos mit anderen Motoren konstruieren würde. Das ist bisher nur bei Prototypen geschehen. Warum, Herr Zimmermeyer, setzt sich eigentlich die deutsche Automobilindustrie nicht mit der konsequenten Entwicklung solcher Fahrzeuge an die Spitze der Industrie in der Welt? Denn es gibt ja auch das Beispiel aus anderen Industriebereichen, wo etwa mit Industriefiltern in der Umwelttechnologie ein deutscher Exportschlager gefunden werden konnte.
Zimmermeyer: Herr Labuhn, wir stehen, so meine ich, an der Spitze der Technologie in der Welt. Wenn Sie sich mal die zum Verkauf anstehenden deutschen Fahrzeuge anschauen, dann gibt es eine ganze Menge dabei, die weniger als fünf Liter im Drittelmix verbrauchen. Das ist eine Frage, wie der Kunde reagiert - und überraschenderweise ist der Kunde nicht so gierig auf diese kleinen und spritsparenden Autos.
Der Markt bestimmt, welche Autos produziert werden
Labuhn: Aber es werden immer noch Autos mit Maschinen produziert, die Geschwindigkeiten von 240, 250 ermöglichen und bis zu 20 Liter Benzin verlangen.
Zimmermeyer: Nein, nein, nein, nein – auf keinen Fall. Also, heute ist die Obergrenze dessen, auch in den großen Fahrzeugen, irgendwo bei 12, 13 Liter im Drittelmix. Also wir sind da schon sehr viel besser geworden. Die Frage ist natürlich: Was will der Kunde, was will der Markt? Und wenn der Markt diese Fahrzeuge haben will, dann werden die natürlich auch produziert, es sei denn, der Gesetzgeber schiebt hier einen Riegel vor. Aber an der Stelle muss man natürlich sehen: Die Maßnahmen, die auch zum Schutz des Klimas etwa eingeleitet werden, die müssen natürlich sinnvoll sein. Und wenn wir auf der einen Seite – auch bei diesen großen Fahrzeugen – in der Vergangenheit schon um 30 bis 35 Prozent insgesamt zurückgegangen sind im Kraftstoffverbrauch, dann ist das natürlich die entscheidende Maßnahme. Natürlich, Herr Labuhn, kann man immer noch mehr machen und das geschieht auch in Zukunft mehr. Aber ich glaube, wir können aufgrund der wissenschaftlichen Situation in diesem Thema dem Kunden schon noch die Möglichkeit bieten, auch große Fahrzeuge zu fahren, denn die haben ja andererseits auch wieder großen Nutzen...
Labuhn: Gunter Zimmermeyer war das, der Geschäftsführer des Verbandes der Automobilindustrie. Schönen Dank und auf Wiederhören.
Zimmermeyer: Wiederhören.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.