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Serie "Westworld"
Roboter als bessere Menschen

Roboter, künstliche Intelligenz, Klone - "Westworld" ist die derzeit innovativste Serie. Sie fragt nach, ob Roboter womöglich die besseren Menschen sind und künstliche Intelligenz vielleicht eine höhere Daseinsform ist. Einige dieser Aspekte sehen Forscher in der Serie durchaus plausibel beantwortet.

Von Julian Ignatowitsch | 23.04.2018
    Die Schauspielerin Evan Rachel bei der HBO-Premiere der Serie "Westworld"
    Auch in der 2. Staffel von "Westworld" dabei: US-Schauspielerin Evan Rachel Wood (imago/Independent Photo Agency)
    Mensch oder Machine - in der Serie "Westworld" ist der Unterschied rein äußerlich nicht zu erkennen.
    In einem Wild-West-Freizeitpark treffen menschliche Besucher, die mal Cowboy spielen wollen, auf sogenannte Hosts - androide Gastgeber, die sie beim Ritt durch die Prärie oder die Schießerei im Saloon begleiten.
    "Weißt Du, wo Du bist?"
    "In einem Traum."
    "Unter meiner Kontrolle."
    "Wir sind noch sehr weit davon entfernt, einen Roboter zu bauen, der aussieht wie ein Mensch, zum Verwechseln ähnlich", sagt Kognitionsforscher Joscha Bach von der Havard University über den Realismus von "Westworld". "Eine Technologie, die in der Lage wäre, künstliche Muskeln herzustellen und Nervensysteme, die in Echtzeit diese Muskeln so steuern, wie ein Mensch gesteuert wird; Haut, die überzeugend aussieht - davon sind wir noch weit entfernt. Die Systeme, die wir in 'Westworld' sehen, die sind eindeutig ziemlich weit in der Zukunft."
    "Manche wollen nur das Hässliche in der Welt sehen."
    "Stopp. Deaktiviere geskriptete Antworten, nur Improvisation."
    Science Fiction - noch, sagt Bach: "Das heißt aber nicht, dass 'Westworld' komplett unrealistisch ist. Interessanterweise wird in der Serie nicht getrickst. Es ist nicht wie bei 'Star Trek', wo irgendwelche MacGuffins eingeführt werden, die als Stand-ins dienen für die Technologie. Sondern: Ich finde, dass die Autoren der Staffel ziemlich Großes geleistet haben, indem sie darüber nachgedacht haben, wie könnte so etwas aussehen, wenn es wirklich funktioniert."
    Fragen nach Macht und Moral
    Die Serie "Westworld" beschäftigt Forscher auf der ganzen Welt. Sie ist eine Zukunftsvision, die wissenschaftlicher Überprüfung größtenteils standhält - und Fragen aufwirft: Nach dem Wesen des Menschseins, nach Macht und Moral, meint Philosoph Olaf Sanders von der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg:
    "Tatsächlich ist die Frage: Was ist denn die bessere Lebensform? Der Mensch in dem spätkapitalistischen Zustand? Oder die Kreatur, die er geschaffen hat, also die Hosts, die sich am Ende einen viel reflektierten, viel moralischeren Standpunkt erarbeiten."
    "Das ist die neue Welt, und in dieser Welt kannst du verdammt nochmal sein, wer du willst."
    "Die Reaktion der Pupillen ist gut, das Lächeln ist gut. Ich würde sie ficken, wo ist das Problem?"
    Während die Menschen in der Spaßhölle von "Westworld" ihren Gewalt- und Sexualfantasien frönen, begeben sich die Hosts auf Identitätssuche und versuchen, sich von ihren Fesseln zu befreien.
    Olaf Sanders: "Was einem vorgeführt wird in 'Westworld', ist sozusagen eine Typologie von mittelmäßigen Menschen, die in diesen Park fahren, um sich zu fühlen, und die Maschinen, die bemühen sich darum - im emphatischen Sinn -, Individuen zu werden."
    Höheres Bewusstsein
    Künstliche Intelligenz als bessere Intelligenz. In diesem Zusammenhang thematisiert die Serie auch die Grundfrage, was ein höheres Bewusstsein überhaupt ausmacht, erklärt Psychologe Timo Storck von der Psychologischen Hochschule Berlin:
    "Ich kann Wirklichkeitsebenen unterscheiden: Erinnerung, Traum, Vorstellung, Fantasie, Wahrnehmung. Und ich kann auf mich blicken, das wäre das Selbstreflexive darin. Ich kann mich infrage stellen, ich kann mich als derjenige oder diejenige erleben, die ich auch vor zwei Jahren oder zwei Tagen in einer ganz anderen Situation war."
    "Sie sagen, ich bin verändert."
    "Überleg' Dir, wie es wäre, wenn es Dich zwei Mal gäbe. Die eine Version fühlt diese Dinge und stellt diese Fragen. Und die andere hat keine Zweifel. Welche möchtest Du sein?"
    "Westworld" verhandelt die Mensch-Maschine-Thematik auf komplexe und differenzierte Weise und steht damit in einer Tradition der anspruchsvollen Science Fiction mit Filmen wie Langs "Metropolis", Kubricks "2001" oder Romanen von Philip K. Dick und Stanislaw Lem. Insofern muss auch die Romanvorlage von Michael Crichton als visionär betrachtet werden. Noch - das gilt auch für den Plot der Serie zu Beginn der 2. Staffel - sind viele Fragen offen.
    Künstliche Intelligenz
    Die neue Staffel zeigt den Kampf "Mensch gegen Hosts" und erweitert die Fragen zur KI auch auf Tiere als Kampfmaschinen, wenn plötzlich eine Herde von Stier-Robotern Soldaten überrennt.
    Chaos statt Ordnung. Macher Jonathan Nolan - übrigens der Bruder von Star-Regisseur Christopher - hat "Westworld" als langfristiges Projekt über 40 Episoden angelegt, sodass die Serie staffelübergreifend einem klar strukturierten Handlungsstrang folgt. Optisch wird es noch opulenter, und das Wild-West-Setting wird um eine zweite, neue Welt erweitert.
    "Westworld" ist eine Serie, die filmisch wie thematisch, neue Maßstäbe im Seriensektor setzt. Noch ist der kommerzielle Erfolg begrenzt, auch Auszeichnungen sind noch rar. Das könnte - nein muss - sich aber ganz schnell ändern.
    "Westworld" ist parallel zur US-Ausstrahlung ab 23. April auf Sky Atlantic HD und Sky Go zu sehen.